On The Move
Laos entdecken – auf dem trägen Mekong
Artur K. VogelHans Engberding hat uns am ersten Abend an Bord der MS «Mekong Pearl», verankert in Luang Prabang im Norden von Laos, einen Besuch abgestattet. Der 71-jährige, vor fast 40 Jahren Gründer und langjähriger Inhaber des Reiseveranstalters Lernidee in Berlin, ist Eigentümer der Mekong River Cruises, die die «Mekong Pearl» und die «Mekong Sun» betreibt. Ein drittes Schiff wird im November vom Stapel laufen.
Viermal pro Saison wird die «Mekong Pearl» mit ihren 15 Kabinen für maximal 29 Gäste vom Flusskreuzfahrtspezialisten Thurgau Travel in Weinfelden gechartert. Normalerweise dauert die Flussfahrt, die die Thurgauer in ihrem umfangreichen Katalog anbieten, zwei Wochen und fängt in der laotischen Hauptstadt Vientiane an.
Während der Regenzeit von April bis Ende September ankern die Schiffe aber auf halber Strecke in der ehemaligen Königsstadt Luang Prabang. Von dort fahren wir auf der ersten Tour der neuen Saison 2023/24 hinauf zum Goldenen Dreieck.
Prächtige Königsstadt
Luang Prabang mit rund 70'000 Einwohnerinnen und Einwohnern war einst Sitz der laotischen Könige. Nach dem Vietnamkrieg, unter dem Laos in besonderem Mass litt, wurde der letzte Monarch 1975 abgesetzt. Die marxistisch-leninistische Revolutionäre Volkspartei übernahm die Macht, die sie bis heute hält. Die Königsfamilie wurde in ein Lager gesteckt und vermutlich 1980 ermordet.
Was in Luang Prabang vom Königreich übriggeblieben ist, sind mehrere Paläste und Dutzende traditionelle, reich verzierte buddhistische Tempel mit ihren spitzen Giebeln. Zusammen mit der Altstadt im französischen Kolonialstil machen sie aus Luang Prabang eine ungemein attraktive Destination. Seit 1995 steht die Stadt dank Aufnahme in das Unesco-Verzeichnis des Welterbes unter besonderem Schutz.
Die Speisung der Mönche im Morgengrauen bietet ein besonderes Spektakel: An der Strasse sitzen Männer und Frauen und halten ihre Gaben bereit, vor allem gekochten Reis. In leuchtend orange Gewänder gehüllt, ziehen die kahlgeschorenen, barfüssigen Mönche mit ihren Gefässen vorbei, in denen alle Spenden aufgenommen werden: Reis, Geldscheine, Früchte, Currys.
Auch wir werden an Bord täglich gespeist, nicht einmal wie die Mönche, sondern dreimal. Und wir werden über die Qualität der Speisen aus der kleinen Küche und die Qualität des Services staunen.
Die «Mekong Pearl» fährt los. Kapitän Vanhsi sitzt in seinem kleinen Kommandostand und beobachtet konzentriert die braune, träge Wassermasse, die unser Schiff durchpflügt. Derweil geben wir uns in der offenen Lounge im Heck der «Mekong Pearl» dem Müssiggang hin, lassen die saftig grünen Ufer und die sich auftürmenden Berge an uns vorbeiziehen, teils von Urwald überwuchert, teils mit Bananenhainen bewachsen, teils mit steil aufsteigenden Feldern, auf denen Kleinbauern in mühsamer Handarbeit Mais oder Bergreis angepflanzt haben.
Ein tückischer Fluss
Der mythische Mekong entspringt in Tibet und endet 4300 bis 4900 Kilometer später (seine Quelle ist nicht genau definiert) in Südvietnam in einem riesigen Delta im Südchinesischen Meer. In Laos heisst der Fluss «Meh Nam Kong» oder «Die Mutter aller Wasser».
Auf der rund 350 km langen Strecke von Luang Prabang zum Goldenen Dreieck, wo sich Laos, Thailand und Myanmar treffen, ist der Fluss besonders tückisch. Am Ende der Regenzeit, die von April bis September dauert, ist der Wasserstand hoch. Unter der Oberfläche verbergen sich Felsen und Sandbänke, und immer wieder gibt es Strudel und Stromschnellen.
Kapitän Vanhsi verlässt sich beim Navigieren auf seine Erfahrung; elektronische Navigationsgeräte lehnen er und seine Kollegen ab. Mindestens zehn Jahre müsse man den Fluss kennenlernen, bevor man ein Schiff wie die «Mekong Pearl» kommandieren dürfe, sagt Thomas Stukenbrok. Der Deutsche, der seit zwanzig Jahren in Myanmar lebt, ist als Cruise Director auf unserem Schiff für alles zuständig ausser dem Navigieren.
Unterwegs zum Goldenen Dreieck passieren wir die Höhle von Pak Ou, für Buddhisten ein heiliger Ort, an dem sie Tausende von Buddha-Statuen eingestellt haben, antike und moderne, aus Holz, Bronze oder vergoldet. Gläubige – unter ihnen auffallend viele Junge – zünden Räucherstäbchen an und werfen sich in Verehrung vor den Statuen nieder.
Die Dörfer entlang des Flusses, die wir besuchen, bilden einen krassen Kontrast zur ehemaligen Residenzstadt Luang Prabang: Muang Keo kennt einen bescheidenen Wohlstand, weil hier nach traditionellen Methoden Reisschnaps gebrannt und Textilien gewoben werden.
Houay Lam Phen hingegen, von einigen Dutzend Familien aus dem Volk der Hmong bewohnt, wirkt ärmlich. Sobald wir am sumpfigen Ufer angelegt haben, bedrängen uns Dutzende von Kindern, wollen selbst gebastelte Souvenirs verkaufen, begleiten uns auf unserem ganzen Spaziergang durchs Dorf.
Die Hmong kamen erst vor etwa zwei Jahrhunderten aus der Mongolei und Nordchina nach Laos und siedelten sich in den Bergen oberhalb von etwa 1500 Metern an. Während des Vietnamkriegs wurden sie von den Amerikanern als Guerilla gegen die Kommunisten trainiert.
Einzelne Gruppen bekämpften die laotische Zentralregierung teilweise noch bis in die 2010er-Jahre. Deshalb sind die Hmong dem Regime suspekt, und es siedelt seit Jahrzehnten ganze Hmong-Dörfer aus den Bergen zwangsweise an den Mekong um.
Etwa prosperierender erscheint das Dorf Don Mixay. Die Schulgebäude sind vergleichsweise proper; viele Kinder tragen Schuluniformen. Thomas Stukenbrok zeigt uns dieses Dorf mit Stolz. Denn Schule und Uniformen wurden von Mekong River Cruises – und damit indirekt von den Gästen – gesponsert.
Tage später, oben im Goldenen Dreieck angekommen, sehen wir von weitem eine andere Form der Engwicklungshilfe: Am Ufer des Mekong wächst eine pompöse Hochhaussiedlung empor. Hier, auf laotischem Boden, aber vom thailändischen Ufer besonders gut sichtbar, bauen Chinesen eine Retortenstadt mit Casinos, Hotels, Wohnblöcken, Schulen und Einkaufszentren.
Eine ganze Stadt für 50'000 Chinesen ist hier geplant. Im Gegensatz zu den Amerikanern, die die Region mit einem furchtbaren Krieg zu dominieren versuchten und schliesslich geschlagen abziehen mussten, setzen die Chinesen auf wirtschaftliche Eroberung.
Sie haben eine Hochgeschwindigkeitsbahn durch Laos angelegt, die sowohl den Verkehr auf oft schlecht unterhaltenen Strassen als auch die langsamen Passagierboote ersetzen soll. Wer sich in Laos noch als Entdecker fühlen möchte, muss sich wohl beeilen.
Hier gibt's alle wichtigen Informationen zur Flusskreuzfahrt auf dem Mekong.