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Die Havila Castor gilt in Sachen nachhaltige Schiffsreisen als Vorzeigemodell. Bild: Markus Fässler

Lautlos und emissionsfrei an den Trollen vorbei

Markus Fässler

Umweltfreundliche Schiffsreisen? Genau das verspricht Havila Kystruten, deren Schiffe seit kurzem die legendäre Postschiff-Route entlang der norwegischen Küste bedienen. Ein Besuch auf der Havila Castor zeigt, wie es um die Nachhaltigkeit wirklich steht.

Richtig laut wird die Havila Castor nur, wenn sie sich einem der 34 im Fahrplan aufgeführten Häfen auf der Postschiff-Route von Bergen bis nach Kirkenes nähert. Dann nämlich bläst sie kräftig ins Schiffshorn und kündet so ihre Ankunft an. Praktisch lautlos und komplett emissionsfrei gleitet das 2022 vom Stapel gelaufene Schiff hingegen in den sagenhafte Trollfjord, einen zwei Kilometer langen Seitenarm der Raftsund zwischen den Lofoten und Vesterålen.

Kapitän Bjørn Ivar Pedersen fährt das Schiff mit Batterieantrieb. Links und rechts erheben sich mächtigen Felswände. Mit Bäumen und allerlei weiteren Pflanzen bewachsen, nehmen sie langsam aber sicher die Farben des Herbstes an. Die Castor fährt so ruhig, dass man selbst die Wasserfälle plätschern hört.

Fehlen eigentlich nur noch ein paar Trolle auf den Felsvorsprüngen. Schliesslich hat der Fjord seinen Namen den Zauberwesen der nordischen Mythologie zu verdanken. Dann wendet das Schiff, das sich ebenso leise, wie es gekommen ist, zurück auf die ursprüngliche Route begibt.

86 Tonnen schwere Batterie

Die Havila Castor ist ein Hybrid-Schiff und gilt in Sachen nachhaltigen Schiffsreisen und angesichts der aktuellen, technischen Möglichkeiten als Vorzeigemodell. Es wird mit flüssigem Erdgas (LNG) und Batterie betrieben. Letztere befindet sich tief unten im Bauch.

Im Schiffsbauch reiht sich Akku an Akku. 86 Tonnen wiegen sie zusammen. Bild: Markus Fässler

Aufgeteilt in verschiedenen Räumen, reiht sich Akku an Akku. Schlappe 86 Tonnen wiegen sie zusammen. Dank ihnen kann die Castor bei einer Geschwindigkeit von zehn Knoten, etwas über 18,5 Kilometer pro Stunde, vier Stunden lang emissionsfrei und praktisch geräuschlos fahren.

Eine nicht zu unterschätzendes Eigenschaft in vielerlei Hinsicht. Denn die norwegische Regierung macht Ernst und erlaubt ab 2026 in den Weltkulturerben des Landes wie dem Geirangerfjord nur noch Schiffe, die komplett emissionsfrei unterwegs sind. Und durch die umweltfreundlichen Schiffe hat die Reederei Havila Kystruten überhaupt erst die mit strengen Auflagen verbundene staatliche Lizenz für das Bedienen der Postschiff-Route entlang der norwegischen Küste erhalten. Seit kurzem teilt sich Havila diese mit Hurtigruten, die das Monopol über Jahre innehatte.

Die neuen Schiffe sind dann wohl auch der grösste Vorteil, den Havila gegenüber Hurtigruten hat. Das hört man auch immer wieder von der Crew. Viele von ihnen arbeiteten vorher für den Mitbewerber und sind von ihrem neuen Arbeitsplatz begeistert. Die vier baugleichen Havila-Schiffe Castor, Capella, Polaris und Pollux verfügen über 179 Kabinen und bieten inklusive Fährpassagieren (siehe Box) Platz für 640 Gäste.

Fehlende Infrastruktur als Hürde

«Wenn immer möglich, entscheiden wir uns für die Batterie», sagt Kapitän Bjørn Ivar Pedersen während des Besuchs auf der Brücke. Doch um sie auch an Land zu laden, fehlt es derzeit vielfach noch an der Infrastruktur. Bis es soweit ist, füllen sich die Akkus während der Fahrt auf, indem sie zum Beispiel überschüssige Energie speichern. Immerhin: In Häfen wie Bergen oder Trondheim sind Landstromanschlüsse bereits vorhanden.

Um Nachhaltigkeit bemüht sich Havila Kystruten auch bei den Mahlzeiten: Ein Buffet gibt es im Hauptrestaurant Havrand nicht. Eine Massnahme, um Food-Waste zu reduzieren. Stattdessen bekommt man Tapas-artige Gerichte direkt an den Tisch serviert. Das Schöne daran: Ganz nach Lust und Appetit bestellt man sich beliebig viele Portionen.

Natürlich wird bei den Speisen auf norwegische und skandinavische Küche gesetzt. Das bedeutet zum Beispiel rosa gebratenes Rentierfilet, Bachforellen-Tartar oder «exotischere» Gerichte wie frittierte Dorschzungen. Bei so vielen kleinen Happen geht auch mal die eine oder andere Bestellung vergessen. Aber die herzliche Crew gibt sich alle Mühe und liefert schnellstmöglich alles nach.

Wenn Warten Spass macht

Ohnehin ist ein wenig Wartezeit auf der Castor alles andere als tragisch. Sie lässt sich dank der grossen Fenster – die es übrigens auf dem ganzen Schiff gibt – problemlos überbrücken. Denn draussen zieht die magische Landschaft der norwegischen Küste an einem vorbei.

Die Havila Castor ist in malerischen Landschaften unterwegs. Bild: Havila Kystruten

Mystische Bergketten, Inseln in allen Grössen und Formen, farbige Häuschen in weiter Ferne und angesichts des schnelle wechselnden Wetters ein immer wieder aufs Neue faszinierendes Wolken- und Lichtspiel. Und auch hier wird die Ruhe auf dem Schiff und der gesamten Reise nur ab und an vom Schiffshorn durchbrochen.

(Die Reise wurde unterstützt von Glur Reisen. www.glur.ch / www.havilavoyages.com)