On The Move
Die sechs Problemfelder der Schweizer Reisebranche
An der heutigen Medienkonferenz des Schweizer Reise-Verbands konnte SRV-Präsident Martin Wittwer die Ergebnisse des diesjährigen Stimmungsbarometers präsentieren. Was den Geschäftsgang betrifft, fällt dieser unerwartet gut aus: Die Umsätze der Reisebranche liegen in diesem Jahr wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau des Jahres 2019 und der Nachholeffekt hält weiterhin an.
Das Vorjahr 2022 wird voraussichtlich um 20 Prozent übertroffen. «Der Eingang langfristiger Buchungen liegt deutlich über den Erwartungen, was als Vertrauensbeweis besonders erfreulich ist, wenngleich sich die Passagierzahlen noch knapp 10 Prozent unter dem Vor-Pandemie-Wert bewegen», hält Martin Wittwer fest.
Durchschnittlich haben sich die Veranstalterpreise für klassische Badeferien rund 10 Prozent gegenüber 2019 erhöht. Die Preise von Unterkünften und anderen Serviceleistungen in den Zielgebieten sind abhängig von diversen Faktoren: Den teilweise noch reduzierten Flugplänen, Personalengpässen, höheren Energiepreisen, oder der Teuerung. SRV-Geschäftsführerin Andrea Beffa sagt dazu: «Aufgrund der starken Schweizer Frankens werden die Effekte der Teuerung in vielen Zielländern spürbar abgefedert. Für das Winterhalbjahr erwarten die Reiseveranstalter keine signifikante Preissteigerung – das Niveau wird sich mehrheitlich auf jenem von 2022 bewegen».
Fachkräftemangel und fünf weitere Herausforderungen
211 Mitglieder der Reisebranche beteiligten sich an der diesjährigen Umfrage, 74 Prozent aus der Deutschschweiz, 26 Prozent aus der Westschweiz. Als grösste Herausforderung wird der Fachkräftemangel genannt – so sind momentan noch rund 120 Stellen bei allen SRV-Mitgliedern zu besetzen. Die Branche kämpft gegen diesen Mange an: die IST – Höhere Fachschule für Touristik & Outdoor hat in Kooperation mit dem SRV die neue Fachausbildung «Travel Advisor» lanciert, welche sich explizit an Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger richtet. Zudem wagten 95 Nachwuchstalente im August 2023 die ersten Schritte ins Berufsleben, das sind 27 Lernende mehr als letztes Jahr.
Nebst dem Fachkräftemangel und der Inflation wurde auch die Zuverlässigkeit der Airlines und die Performance der Flughäfen als grosse Herausforderung genannt. Zwar besteht dieses Jahr wieder eine höhere Flugplansicherheit, doch die zahlreichen Verspätungen halten die Reisebranche auf Trab. Mit dem Klimawandel, der schwindenden Kaufkraft und dem Themenfeld Künstliche Intelligenz sieht sich die Reisebranche drei weiteren Herausforderungen ausgesetzt.
Alle Akteure gefordert
Zwar gaben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage an, dass das Thema Nachhaltigkeit von Kundenseite kaum angesprochen werde. Martin Wittwer, Präsident SRV, macht aber deutlich, dass er gerade den Klimawandel und damit das nachhaltigere Reisen als eine der grössten Herausforderungen der Zukunft sieht: «Als SRV begleiten wir die Reisebranche auf diesem Weg, fördern das nachhaltigere Reisen und unterstützen die Klimapolitik der Schweiz in unserem Einflussbereich – doch um die Klimaziele bis 2030, respektive 2050 zu erreichen, sind enorme Anstrengungen von allen Akteuren nötig.» So engagiere sich der SRV bereits seit langem für nachhaltige Initiativen der Reisebranche, wie aktuell beispielsweise KlimaLink – einen einheitlichen Berechnungsstandard der CO2 Emissionen von Reisen.
Weiter sagt Wittwer zum Challenge Kaufkraft: «Die schwindende Kaufkraft wird das Einkaufsverhalten vieler Verbraucher generell verändern – und auch die Reisebranche tangieren». Ein Branchenthema der Zukunft, welches der Reisebranche ein riesiges Potenzial biete und gleichzeitig eine Herausforderung darstelle, sei Künstliche Intelligenz: «Die Möglichkeiten, den Kundinnen und Kunden dank KI eine noch umfassendere Beratung zu bieten oder die gesamte Customer Journey noch effektiver zu begleiten, sind enorm vielfältig und spannend.»
Das Marktvolumen bei Ferienreisen ins Ausland mit mindestens einer Übernachtung beträgt in der Schweiz gemäss SRV-Hochrechnung rund 10 Milliarden Franken, wovon gut drei Viertel auf selbst organisierte Reisen entfällt. 2,5 Milliarden Franken des gesamten Marktvolumens generieren die 796 Schweizer Reiseveranstalter und Reisebüros über ihre verschiedenen Buchungskanäle. «Dementsprechend wird jede vierte Auslandreise über die Schweizer Reisebranche abgewickelt und ist somit vollumfänglich kundengeldabgesichert», hält Martin Wittwer fest.
Als momentan grösste Chance für die Branche nannten die Teilnehmenden die Fachkenntnisse in der Beratung. Denn Sicherheit, Expertise und Hilfestellungen waren nicht nur während der Pandemie essenziell für die Kundinnen und Kunden – auch diesen Sommer konnten sie, beispielsweise während der Waldbrände auf Rhodos, auf die äusserst kulante Handhabung und Hilfeleistung der Reisebranche zählen.
Reiseaussichten in Zeiten schwindender Kaufkraft
Was passiert im kommenden Herbst und Winter? SRV-Geschäftsleiterin Andrea Beffa geht auch für die kommenden Monate von einer anhaltend guten Nachfrage aus, basierend auf den bisher eingegangenen Buchungen. «Wir rechnen damit, dass sich auch die kommenden Monate auf dem Niveau von 2019 entwickeln».
Doch welche Auswirkungen hat die schwindende Kaufkraft auf die künftige Reisetätigkeit der Schweizer Bevölkerung? Dazu äussert sich Tourismus-Professor Christian Laesser von der Universität St. Gallen im Video: