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Viele Verspätungen bei der Swiss im Sommer: Die Airline wird ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Bild: Swiss

Kommentar So ist die Swiss keine Premium Airline

Reto Suter

In den Sommerferien hatte jeder vierte Flug der Swiss mehr als 30 Minuten Verspätung. Damit hinkt die Schweizer Fluggesellschaft ihren eigenen Ansprüchen weit hinterher – zu einem ganz grossen Teil allerdings fremdverschuldet.

Das Positive zuerst: Fast alle geplanten Flüge der Swiss konnten in den Sommerferien stattfinden. Annullationen gab es nur ganz wenige. Damit hat die Swiss ihr oberstes Ziel – die so genannte Flugplanstabilität – erreicht. Sie war in der Sommer-Hochsaison, bezogen auf die Flugausfälle, eine der zuverlässigsten Airlines Europas.

Sonst hatte die Swiss vor allem eines: einen Haufen Probleme. Über die Hälfte ihrer Flüge hob mit mehr als einer Viertelstunde Verspätung ab. Jedes vierte Flugzeug erreichte seinen Zielort über eine halbe Stunde später als geplant, und fast jeder 25. Swiss-Passagier verpasste aufgrund der Verspätungen seinen Anschlussflug. Ein gutes Zeugnis sieht anders aus.

Die Swiss ist mehrheitlich machtlos

Die Fakten würden den Schluss zulassen, dass die Swiss – wie bereits im Sommer 2022 – Vieles falsch gemacht hat. Nur: So ist es diesmal nicht. Im Gegenteil. Die Airline war sich den Herausforderungen frühzeitig bewusst und hat deshalb nur 85 Prozent der Sitze von vor der Pandemie angeboten.

Zudem rüstete sie beim Personal auf: mit Dutzenden zusätzlichen Piloten und Hunderten neuen Flugbegleiterinnen. Und: Die Swiss stellte (und stellt weiterhin) Reserve-Crews und täglich sechs Reserve-Flugzeuge bereit, um kurzfristige Änderungen im Flugplan abzufedern.

Für die Misere sind andere Gründe verantwortlich. Zum Beispiel das Wetter: Bei Gewittern, Starkregen, Westwind oder Bise ist die Kapazität des Flughafens Zürich stark eingeschränkt, was dieses Jahr ausgesprochen häufig vorkommt. Zu schaffen machen der Swiss auch Personalengpässe in der europäischen Flugsicherung und bei der Swissport, die für die Bodenabfertigung zuständig ist.

Und dann gibt's auch noch den Dauerbrenner: das Nachtflugverbot. Um spätestens 23.30 Uhr ist in Zürich – im Gegensatz zu den meisten anderen Flughäfen – Schluss. Probleme, die bis dahin nicht gelöst sind, ziehen sich bis in den nächsten Tag hinein.

Man will sich gar nicht vorstellen, was gewesen wäre, wenn es auch noch derart viele Streiks gegeben hätte, wie das in der ersten Jahreshälfte der Fall war. Wenigstens davon blieb die Swiss in der Sommerferienzeit verschont.

Der Handlungsspielraum ist beschränkt

Wo soll die Swiss jetzt ansetzen, um wieder pünktlicher unterwegs zu sein? Die Situation ist einigermassen vertrackt. Am Nachtflugverbot gibt's nichts zu rütteln. Eine Lockerung hat politisch keine Chance und würde ohnehin auf massiven Widerstand der Anwohnenden stossen.

Das Wetter ist, wie es ist. Wobei die Tendenz aufgrund des Klimawandels in eine eindeutige Richtung geht: Wetterextreme mit Gewittern und starkem Regen werden sich häufen – und damit auch die Einschränkungen und kurzzeitigen Betriebsunterbrüche am Flughafen Zürich.

Bleiben zwei Ansatzpunkte, um die Lage zu entschärfen: eine weiterhin umsichtige Planung der Flugkapazitäten und zusätzliches Personal bei Flugsicherung und Bodenabfertigung. Das aber liegt nicht in den Händen der Swiss.

Sie versichert derweil, dass sie mit allen Partnern im stetigen Austausch sei. Wohl wissend, dass sie auf deren optimale Unterstützung angewiesen ist, um den Ansprüchen einer Premium Airline gerecht zu werden.