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35 Grad in Korfu: die Aktivitäten erfolgen mehrheitlich im Hotelpool. Bild: TN

Kommentar Das hat uns dieser Sommer gelehrt

Gregor Waser

Trotz Hitzerekorden, Waldbränden, Fragezeichen bei der Flugstabilität, Strandverboten, hohen Preisen: der Abgesang auf Sommerferien am Mittelmeer kam zu früh. Die Hochsaison verlief vielerorts wie am Schnürchen. Gleichwohl stehen Veränderungen an.

Heute enden die Sommerferien. Wie ist die Hochsaison bei Auslandreisen gelaufen? Eine Travelnews-Umfrage bei Schweizer Reisebüros zeigt: überaus gut! Vielerorts sind die Erwartungen übertroffen worden. Statt der prognostizierten 80 bis 90 Prozent des 2019er-Umsatzes dürfte nun bei vielen Reiseanbietern das Vor-Corona-Niveau erreicht oder getoppt werden.

Im Vorfeld herrschte eine Skepsis darüber, was dieser Sommer bringen mag. Unklar war, ob der Corona-Nachholeffekt, von dem im Sommer '22 viel die Rede war, noch anhalten wird. Nach dem letztjährigen Flugchaos war weiter unklar, ob neuerliches Flug- und Flughafen-Ungemach abschreckend auf Buchungen für den Trip ans Mittelmeer oder auf eine Fernstrecke sein würden oder ob es der Alpsee in diesem Sommer nicht auch tun würde.

Ein weiterer Pain Point im Vorfeld: die Preise für Flüge und Hotels waren so hoch wie selten, ob für Ferien in Spanien, Griechenland, den USA oder Thailand. Angesichts des Tourismus-weiten Personalmangels stellte sich zudem die Frage, wie hoch das Service-Level in den Hotels überhaupt sein würde.

Gleich zu Beginn der Hochsaison hagelte es Verbote aus den Ferienhochburgen. Bitte keine Rollkoffer in Dubrovnik, Rauchen auf Mallorcas Terrassen verboten, Eintrittsgebühren an italienischen Stränden … Und wegen gehäufter Beschwerden, fand der Ombudsmann der Schweizer Reisebranche: «Meiden Sie die Balearen, Ägypten und Griechenland.»

Die Skepsis wurde ab Mitte Juli weiter angeheizt – als die Temperaturen in Südeuropa auf 40 Grad kletterten und viele Waldbrände ausbrachen, insbesondere jener auf der Ferieninsel Rhodos. «Verlieren Sommerferien am Mittelmeer ihren Reiz?», fragte sich die «NZZ». Eine schwierige Ausgangslage also.

Stressfreie Hochsaison

Wir haben nicht mit allen Ferienrückkehrenden gesprochen. Aber im engeren Umfeld sind nur zufriedene Stimmen auszumachen. Warteschlangen am Flughafen Zürich gab es kaum, Verspätungen hielten sich in Grenzen. Die Hotelaufenthalte waren stressfrei, die Leute vor Ort und die anderen Touristen angenehm. Die Rückkehr aus Mallorca, Kos und Korfu lief ebenfalls reibungslos, einzig in Antalya brach am Flughafen das Chaos aus, wie wir berichtet haben. Und die Hitzetemperaturen sind am Meer und am Pool gut auszuhalten, wenngleich die Aktivitäten beschränkt bleiben.

Die Befürchtungen, dass dieser Badeferien-Sommer ein Reinfall werden könnte, haben sich nicht bewahrheitet. Mit ein Grund: aus gewissen Nachbarländern scheinen die Reiseströme weniger geworden zu sein. Der Budgetdruck in Deutschland und Grossbritannien haben die Tourismushochburgen von einem zu grossen Run verschont. In Korfu sprachen mehrere Hoteliers von einer Auslastung von 90 bis 95 Prozent, ausgebucht waren sie nicht. Auch in Elba fanden einige Touristiker, frühere Sommer hätten mehr Besucher gebracht.

Zweifel am Fortbestehen eines soliden Sommertourismus rund ums Mittelmeer sind verfrüht. Gleichwohl tauchen einige Fragezeichen auf, wie der Mittelmeer-Tourismus in einigen Jahren aussehen wird.

Sommerfrische statt 40 Grad

Ein Trend ist unschwer zu erkennen. Die Hitzetemperaturen werden ihre Auswirkungen haben. Wer einen Sommer in unseren Gefilden bei 35 Grad erlebt, sehnt sich nicht nach noch höheren Temperaturen im Süden. Die Nebensaison im April, Mai, September und Oktober dürfte im südlichen Europa dafür eine zusätzliche Nachfrage erleben.

Biken im April auf den Balearen, Baden im Mai auf Zypern oder im September auf Korsika, Wandern im Oktober auf Kreta: die Besucherströme am Mittelmeer dürften sich künftig stärker verteilen.

Die Krux ist: nach 50 Jahren Badeferien-Sommer sind sich viele Hoteliers oder Hotelketten nicht bewusst, dass ihre Investments ausgedehnt werden müssten. Um in der Neben- oder Zwischensaison zu punkten, müssten Wellness-Bereiche ausgebaut werden, Bikes und E-Bikes bereitstehen, das Aktivitätenprogramm ausgedehnt werden. Das ist einfacher gesagt, als getan. Denn die höheren Bettenpreise füllen die Kassen nicht, denn auch der Kostendruck und die Teuerung, ob in Griechenland oder in Spanien, sind gross. Da lässt sich nicht gleich eine erweiterte Infrastruktur herbeizaubern.

Mit Blick auf das Sommergeschäft dürfte aber andere, nördlichere Destinationen feststellen: the trend is my friend. Ob Island, Schottland, Finnland, Estland, Polen, Norddeutschland, Engadin, Berner Oberland oder Tirol: Ferientage bei 25 Grad Sommerfrische werden künftig an Attraktivität gewinnen.