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Angesichts der zunehmenden Hitzwellen wird sich der Tourismus in der Mittelmeerregion gemäss Klima-Experte Wolfgang Cramer verändern müssen. Bild: Adobe Stock

«Flüge sind unverhältnismässig billig und Alternativen kaum vorhanden»

Klima-Experte Wolfgang Cramer wünscht sich im Kampf gegen die Folgen der Erderwärmung ein Umdenken in der Tourismusindustrie – und nimmt insbesondere Bahngesellschaften und Airlines in die Pflicht.

«Wir erleben jetzt genau das, was wir in den vergangenen 25 Jahren vorhergesagt haben. Da wir den Ausstoss von Treibhausgasen nicht deutlich senken konnten, kommen wir jetzt in die wissenschaftlich voraussagbare Situation, dass Hitzewellen am Mittelmeer extremer werden», sagt Klima-Experte Wolfang Cramer in einem Interview mit der «Sonntagszeitung» Abo.

Dennoch seien Ferienreisen in den Mittelmeerrraum auch künftig möglich, allerdings immer weniger im Hochsommer. Cramer fragt: «Was spricht denn dagegen, im Oktober ans Meer zu reisen und stattdessen im Juli die Ferien an einem Schweizer See oder auf einem Bauernhof zu verbringen?»

Kritik an Angeboten der Bahn

Dass trotz des Klimawandels Jahr für Jahr Millionen von Touristinnen und Touristen am Mittelmeer Ferien machen, führt Cramer auf die attraktiven Angebote zurück. «Solange es das billige Reisen gibt, wird auch die Nachfrage vorhanden sein» so der Klima-Experte.

Cramer kritisiert, dass die Flüge unverhältnismässig billig und alternative Reisemöglichkeiten kaum vorhanden seien. «Reisen mit der Bahn sind leider immer noch komplizierter, gerade im grenzüberschreitenden Verkehr. Ich erlebe das immer wieder. Wenn ich von Deutschland mit dem Zug durch die Schweiz nach Italien ans Meer fahre, dann ist das wunderschön, aber die Tickets sind oft zu teuer», sagt er.

Laut Cramer braucht es bessere und billigere Angebote, um mit der Bahn an beliebte Ferienziele am Mittelmeer zu gelangen. Auch stelle sich die Frage, ob Nationen wie die Schweiz, Deutschland und Österreich Massnahmen ergreifen sollten, damit der nachhaltige Tourismus im eigenen Land noch attraktiver werde.

Auswirkungen auch in den Städten

Cramer weist darauf hin, dass der Klimawandel nicht nur Folgen für die Ferienhochburgen am Strand hat, sondern auch für grosse Städte wie etwa Athen, Madrid und Marseille. Hier spiele die Luftverschmutzung eine bedeutende Rolle. «Diese nimmt zu, wenn die Temperaturen steigen. Das verursacht Atemwegserkrankungen, die zu den Kreislaufbeschwerden wegen der Hitze noch hinzukommen», erklärt der Experte.

Für ihn ist klar: «Wenn die Länder ihre Versprechen und Vereinbarungen von 2015 im Pariser Abkommen einhalten wollen, dann werden sie gezwungen sein, Flugverkehr und Kreuzfahrttourismus deutlich einzuschränken.» Das bedeute nicht das Ende des Tourismus am Mittelmeer. Es sei aber ein erheblicher Strukturwandel nötig, über den derzeit nur sehr vorsichtig gesprochen werde.

(TN)