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Viel Ärger mit Nachtzügen
Wenn bei der Reise im Nachtzug alles klappt, bringt sie viele Vorteile mit sich. Die Passagiere sind klimafreundlich unterwegs, sparen eine Hotelübernachtung und kommen – im Gegensatz zu Flugreisen – mitten im Stadtzentrum an. Das Problem: Bei den Nachtzügen läuft derzeit längst nicht alles rund.
Wie die Zeitung «Schweiz am Wochenende» Abo berichtet, müssen Passagiere oft mit einem Sitzplatz im hell erleuchteten Grossraum-Wagen vorliebnehmen statt mit dem gebuchten Bett oder Platz im Liegewagen. Der Grund: Es mangelt am entsprechenden Rollmaterial. Zu diesem Problem kommt es beispielsweise auf der Strecke von Zürich nach Wien, wo permanent ein Liegewagen fehlt, und auf jener von Zürich nach Berlin, auf der es an Schlaf- und Liegewagen mangelt.
Die Passagiere erfahren davon oft erst am Bahnhof. Die Angabe von Kontaktinformationen ist bei der Buchung nicht obligatorisch. Im schlimmsten Fall fällt der Nachtzug sogar ganz aus, wie etwa unwetterbedingt Mitte Juli bei den Nachtzügen nach Wien und Graz.
Vorwurf von mangelnder Sauberkeit
Ankreiden lassen müssen sich die Bahnen auch Probleme mit der Pünktlichkeit. Das zeigt der Montag vergangener Woche beispielhaft: Während die Züge von Berlin und aus Hannover pünktlich unterwegs waren, erreichten Reisende aus Wien den Zürcher Hauptbahnhof 40 Minuten zu spät und jene aus Amsterdam mit zweieinhalb Stunden Verspätung.
Problematisch ist auch der Zustand der Nachtzug-Wagen. CH Media sind mehrere Fälle aus der jüngsten Vergangenheit bekannt, in denen ein grosser Teil der Toiletten schon zu Beginn der Reise wegen Defekten geschlossen war. Die übrigen WCs waren teilweise stark verschmutzt.
Neue Wagen kommen später als geplant
Die meisten Nachtzüge von und in die Schweiz werden unter dem Namen «Nightjet» von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) in Kooperation mit der SBB betrieben, die unter anderem beim Vertrieb und beim Rollmaterial involviert ist.
Der Unterhalt der meisten Nachtzug-Wagen findet denn auch in Österreich statt, was zur Folge hat, dass diese alle paar Tage nach Wien müssen. Geht unterwegs etwas kaputt, gibt es kaum Mechaniker, die schnell etwas reparieren könnten.
Die Probleme mit dem Rollmaterial sind bekannt – und hätten längst behoben sein sollen. Im Jahr 2018 haben die ÖBB beim deutschen Hersteller Siemens neue, komfortable Nachtzug-Kompositionen bestellt. Doch Siemens hat Verspätung: Statt wie geplant im vergangenen Jahr sind die Züge noch immer nicht unterwegs.
Das hat zur Folge, dass die ÖBB beinahe keine Reserven für ihre Nachtzüge haben und sich jeder Defekt bemerkbar macht. Für den Nachtzug von Zürich nach Amsterdam musste die SBB gar bei einer deutschen Firma alte Wagen anmieten.
ÖBB und SBB präsentieren Schuldige
Die ÖBB schreiben auf Twitter: «Wir können nicht leugnen, dass wir bei den aktuell betriebenen Nightjet-Linien an die Kapazitätsgrenzen stossen.» Die Unpünktlichkeit schiebt ÖBB-Vorstandsmitglied Klaus Garstenauer der Deutschen Bahn in die Schuhe: Die nächtliche Durchquerung Deutschlands stelle «Nacht für Nacht eine Herausforderung dar», schreibt er.
Ähnlich sieht das die SBB. «Wir sind mit der aktuellen Situation in unseren Nachtzügen unzufrieden und entschuldigen uns bei betroffenen Kundinnen und Kunden für allfällige Unannehmlichkeiten», sagt Sprecherin Sabrina Schellenberg.
Die Liege- und Schlafwagen auf den Zügen nach Wien und Berlin fehlten wegen Rückständen bei der Revision der Fahrzeuge durch die ÖBB. Wie lange noch, hänge von der Abarbeitung ab. Die Verfügbarkeit der WCs wiederum habe in letzter Zeit nicht den Anforderungen der SBB entsprochen. Die betroffenen Wagen seien in Reparatur. Die Verspätungen wiederum führt die Sprecherin auf häufige Baustellen im Ausland zurück, die insbesondere in Deutschland stark zugenommen hätten.
Immerhin: Ab 2024 soll die Bahn dank einem moderneren Vertriebssystem die Möglichkeit haben, alle Kundinnen und Kunden bei Problemen sofort zu informieren. Denn ab kommendem Jahr wird die Angabe der E-Mail-Adresse bei der Buchung eines Nachtzuges Pflicht. Schellenberg verspricht: «Die SBB und ihre Partnerbahnen setzen alles daran, um die Situation weiter zu verbessern.»