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«Bei der Pünktlichkeit sind wir nicht dort, wo wir sein wollen»
Reto SuterAm kommenden Wochenende beginnen in den ersten Kantonen die Sommerferien. Wie gut ist die Swiss für die Hochsaison aufgestellt?
Oliver Buchhofer: Wir bereiten uns seit Monaten sehr intensiv auf die Sommerferienzeit vor. Dazu gehört auch, dass wir die Flugpläne eher konservativ gestaltet haben. Wir haben zudem sehr genau darauf geachtet, wie viel Personal und wie viele Flugzeuge wir zur Verfügung haben, so dass wir die angebotenen Flüge zuverlässig durchführen können. Die Realität ist aber auch, dass wir nicht alles in den eigenen Händen haben. Es wird definitiv ein anspruchsvoller Sommer.
Die Kantonspolizei Zürich hat bei der Sicherheitskontrolle aufgerüstet, die Schlangen sind dadurch kürzer geworden. Ist hier das Gröbste überstanden?
Wir sehen tatsächlich schon leichte Verbesserungen. Aber die Nagelprobe mit den Sommerferien steht noch bevor. Wir sind darauf angewiesen, dass die Prozesse am Flughafen Zürich möglichst reibungslos funktionieren. Entsprechend ist für uns auch sehr wichtig, dass bei der Sicherheitskontrolle erste Verbesserungen erzielt wurden.
Ich höre heraus, dass Sie dem Braten noch nicht ganz trauen. Stimmt dieser Eindruck?
Es ist schon so: In der Sommerferienzeit erwarten wir nochmals massiv mehr Passagiere. Das freut uns natürlich, bedeutet aber auch, dass die gesamte Infrastruktur und die Abläufe deutlich stärker belastet werden.
«Dieses Jahr sind wir wegen Streiks schon bei 280 annullierten Flügen»
Wie sehr bereiten Ihnen die regelmässigen Streiks Bauchschmerzen?
Die Streiks haben dieses Jahr überhandgenommen. 2019 mussten wir im gesamten Jahr rund 170 Flüge wegen Streiks annullieren. Jetzt sind wir schon nach Hälfte des Jahres bei 280 gestrichenen Flügen. Streiks sind eine grosse Belastung für unsere betrieblichen Abläufe.
Wie wirken sich diese Streiks in finanzieller Hinsicht aus?
Die Kosten sind hier nicht unsere Hauptsorge. Streiks führen zu Verspätungen und Annullationen, was in erster Linie sehr ärgerlich für unsere Passagiere ist. Wenn wir längere Wege fliegen müssen, etwa um Frankreich herum, kostet das natürlich auch Geld – beispielsweise in Form von höheren Treibstoffkosten. Gemäss unseren groben Berechnungen haben uns die Streiks in diesem Jahr bisher einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag gekostet.
Zusätzlich zu den Streiks fand vom 12. bis zum 23. Juni in Europa auch noch eine grosse Übung der NATO statt. Wie stark war die Swiss davon betroffen?
Die Auswirkungen auf unseren Flugbetrieb waren deutlich geringer als befürchtet. Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Einerseits haben wir uns sehr intensiv auf diese zwölf Tage vorbereitet, indem wir zusätzliche Flugzeuge bereitgestellt und mehr Personal eingeplant haben. Andererseits hat die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Übung sehr gut funktioniert.
Bedeutet das, dass es während der Übung gar nicht zu grösseren Verspätungen oder Flugausfällen gekommen ist?
Flugausfälle hatten wir tatsächlich keine. Verspätungen liessen sich allerdings nicht vermeiden, vor allem Richtung Norden wie zum Beispiel Deutschland und Skandinavien. Das war aber zu erwarten.
«Wir prüfen, ob es Strecken mit chronischen Verspätungen gibt»
Stichwort Verspätungen: Das Ziel der Swiss ist es, bei nicht mehr als 12 Prozent der Flüge mit mehr als 30 Minuten Verspätung am Zielort zu landen. Wie sind Sie da unterwegs?
Bei der Pünktlichkeit sind wir nicht dort, wo wir sein wollen. Unsere Zielsetzung mit diesen 12 Prozent erreichen wir momentan nicht ganz, die Anzahl Flugzeuge, die verspätet am Zielort ankommt, ist aktuell etwas höher.
Was sind die Gründe?
Hier spielen mehrere Faktoren mit rein. Da geht es beispielsweise um die Frage, wie lange wir bei einem Flug auf Umsteigepassagiere warten, die bereits mit Verspätung unterwegs sind. Wenn wir da kulant sind, wirkt sich das automatisch auf unseren Flugplan aus. In diesem Zusammenhang prüfen wir aktuell, ob es neuralgische Strecken gibt, auf denen es chronisch zu Verspätungen kommt. Gegebenenfalls würden wir dort gesonderte Massnahmen ergreifen.
Im Airline-Ranking von Skytrax ist die Swiss von Platz 10 auf 12 zurückgefallen? Wie viel Beachtung schenken Sie solchen Listen?
Unser Fokus liegt nicht in erster Linie auf solchen Rankings. Unser klarer Anspruch ist es aber, ein Premium Carrier zu sein. Wir unternehmen alles, um dem gerecht zu werden. Das ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen allerdings eine grosse Herausforderung für unser gesamtes Personal.
Sie sprechen die Mitarbeitenden an: Wie läuft die Rekrutierung von neuem Personal für die Kabine und das Cockpit?
Ein grosses System, wie es die Luftfahrt ist, praktisch auf Knopfdruck zu grounden und dann wieder schnell hochzufahren, ist eine Herkulesaufgabe, gerade auch beim Personal. Bei der Rekrutierung sind wir auf Kurs. Wir stellten im vergangenen Jahr bereits 800 Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter ein. Dieses Jahr sollen es nochmals knapp 1000 sein. Dieses Ziel werden wir erreichen. Zudem brauchen wir rund 80 zusätzliche Pilotinnen und Piloten. Auch hier läuft bisher alles nach Plan.
In der Grundausbildung von neuem Cockpit-Personal scheint es allerdings eher harzig zu laufen. Die Klassen sind nicht voll (Travelnews berichtete)!
Hier ist es unsere Aufgabe, jungen Menschen die Vorteile des Berufs aufzuzeigen. In Umfragen gilt die Arbeit als Pilot nach wie vor als Traumjob. Das würde ich voll und ganz unterschreiben. Aber klar ist: Nach der Pandemie braucht es jetzt wieder etwas Zeit, um diese Botschaft zu platzieren. Hier müssen wir sicherlich aktiv bleiben, um unsere Ziele zu erreichen.
«Wenn immer möglich, fliegen wir mit eigenen Flugzeugen und eigenem Personal»
Aufgrund der Triebwerkprobleme beim Airbus A220 arbeitet die Swiss mit den Wet-Lease-Partnern Air Baltic und Helvetic Airways zusammen. Wie lange sind Sie noch auf fremde Flugzeuge angewiesen?
Wir werden die Zahl der Flüge durch die Wet-Lease-Partner mittelfristig deutlich reduzieren. Aktuell sind für uns 22 Flugzeuge von Air Baltic und Helvetic Airways im Einsatz. Unser Ziel ist es, diese Zahl auf den kommenden Winter hin zu halbieren.
Klaus-Michael Kühne, grösster Aktionär der Lufthansa-Gruppe, sprach von «Etikettenschwindel», weil die Swiss auf Flugzeuge anderer Airlines zurückgreift. Erhalten sie in diesem Zusammenhang auch von anderen Passagieren negatives Feedback?
Ich muss vorausschicken: Wenn immer möglich fliegen wir mit eigenen Flugzeugen und eigenem Personal. Die Feedbacks zum Service von Air Baltic und Helvetic Airways sind gut. Auch wir sind sehr zufrieden, wie es läuft. Beide Partner sind äusserst zuverlässig unterwegs.
Es wird aktuell über neue Fernreiseziele der Swiss spekuliert. Zuletzt nannte Carsten Spohr Bangalore als Option. Was können Sie dazu sagen?
Das vordringlichste Ziel war in den letzten Monaten, unser Streckennetz wieder voll abzudecken. Es gibt jedoch nach wie vor Destinationen, die wir noch nicht wieder täglich bedienen, unter anderem Schanghai und Los Angeles. Natürlich aber denken wir auch über neue Destinationen nach. Von Bangalore lasen wir auch in der Zeitung (lacht). Es ist noch keine Entscheidung gefallen, aber wir hoffen, dass wir 2024 etwas Neues anbieten können.
Gibt es im bestehenden Netz Aufsteiger-Destinationen, die gegenüber Vor-Corona deutlich zugelegt haben?
Wir sehen insgesamt eine hohe Nachfrage, über alle Destinationen hinweg. Es gibt aber schon auch Reiseziele, die überdurchschnittlich stark zugelegt haben, beispielsweise in Spanien und Portugal. Auch Skandinavien und Nordamerika werden sehr stark nachgefragt.
Auch Sie fliegen diesen Sommer nach Nordamerika in die Ferien. Sind Sie zuversichtlich, dass bei den Flügen alles reibungslos läuft?
Wenn man im Sommer reist, muss man sich bewusst sein, dass nicht immer alles rund läuft. Wir konnten nur aber über viele Wochen wichtige Erfahrungen sammeln – unter anspruchsvollen Bedingungen. Das gilt vor allem auch für unsere Mitarbeitenden, die einen ausgezeichneten Job machen. Ich bin deshalb optimistisch gestimmt.