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Jetzt, wo es am schönsten ist, geht er: Dieter Zümpel, CEO DER Touristik Suisse. Bild: TN

Dieter Zümpels turbulente Jahre in der Schweiz

Gregor Waser

Sechs Jahre lang steuerte Dieter Zümpel DER Touristik Suisse/Kuoni durch stürmische See. In ruhigen Gewässern angekommen, übergibt er nun das Steuer an Stephanie Schulze zur Wiesch. Wir blicken auf die letzten Jahre zurück.

Im Januar 2023 deutete noch nicht viel hin auf einen baldigen Chefwechsel bei DER Touristik Suisse. «Ich habe immer noch Bock», sagte Dieter Zümpel (64), «und wir haben einen Gesellschafter, der signalisiert, dass er es diesbezüglich nicht besonders eilig hat.» Nun, sechs Wochen später, ist der Entscheid, wer DER Touristik Suisse künftig vorsteht, doch gefallen: Dieter Zümpel macht am 1. Juni Platz für die von Ameropa kommende Nachfolgerin Stephanie Schulze zur Wiesch und er kehrt mit dem Erreichen der Altersgrenze Ende Juni nach Deutschland zurück.

Wir blicken hier auf die sechseinhalb Jahre, in denen Dieter Zümpel DER Touristik Suisse/Kuoni geprägt hat und auf die Zeit vor seiner Ankunft. Denn es waren überaus turbulente Jahre, nicht nur für ihn, sondern für Kuoni und die gesamte Reisebranche. Als Dieter Zümpel am 1. November 2016 den damaligen Kuoni-Sitz an der Neuen Hard in Zürich betrat, befand sich das Unternehmen noch mitten in einem Sturm.

Was vor ihm passierte

Dunkle Wolken gab es schon 2014, das heftige Unwetter begann dann am 14. Januar 2015, als die Kuoni-Spitze ihre Verkaufsabsichten bekanntgab. Das war rückblickend eine Notbremse zur Unzeit und eine fragwürdige Wertvernichtung. Buchungswillige in der heissen Buchungsphase waren verunsichert, die 1000 Kuoni-Reisespezialisten erst recht. Am 15. Januar 2015 kam es zu noch ganz anderen Schlagzeilen in den Medien: die Nationalbank teilte die Euro-Abkoppelung und die Aufgabe des 1.20 Euro-Kurses mit. Schweizer Reisebüros befanden sich darauf hin in der Euro-Falle. Eine Shopping-Welle Richtung Lörrach, Konstanz, Bregenz und hin zu Online-Portalen setzte ein.

Am 22. Juni 2015 war ein Käufer gefunden: DER Touristik übernahm Kuoni Schweiz und damit das gesamte Reiseveranstalter-Geschäft und 81 Reisebüros. Die Beobachtungsphase dauerte ein knappes Jahr, dann musste der damalige CEO von Kuoni Schweiz, Marcel Bürgin, bekanntgeben, dass ein grosser Schnitt unausweichlich sei. Im Juli kam es zur Massenentlassung bei den 1228 Mitarbeitenden von Kuoni Schweiz: 69 von ihnen, darunter Marcel Bürgin, mussten gehen. Neuer CEO von Kuoni Schweiz, per November 2016, wurde der damalige Vertriebs- und Marketingleiter von Alltours: Dieter Zümpel.

Jeden Stein dreht er um

Dieter, who? Der Schweizer Reisebranche war der Name Zümpel nicht geläufig. Es spielten die üblichen schweizerischen Reflexe - ui, ein Manager aus dem grossen Kanton hält Einzug, sogar noch mit einem Background bei der Bundeswehr ...

Menschenkenner Zümpel nahm sich den hiesigen Sensibilitäten an, schaffte es im Nu die Belegschaft für sich zu gewinnen und gleich auch die Branchenkollegen: in Interlaken punktete er mit einem sympathischen Auftritt an der SRV-GV, er habe erste Ausdrücke wie «Gärtlidenken» kennengelernt, werde nie mehr in der Migros nach Wein fragen und nie mehr «Urlaub» sagen.

Bald war klar: der Mann ist nicht nur ein symphatischer Gesprächspartner, er arbeitet auch äusserst präzis, dreht jeden Stein um. Einige langjährige Kuoni-Lieferanten mussten das schmerzlich erfahren. Zümpel liess stets durchblicken, «ich bin Kaufmann», entsprechend konsequent setzte er den Rotstift an – in einem Unternehmen, das in früheren Jahren Konzernchefs sah, die in der First Class rumjetteten und sich Millionen-Boni gönnten.

Mission nimmt Fahrt auf

2017 stand im Zeichen des Umzugs von der Neuen Hard an die Herostrasse 12, in günstigere, modernere Büros gleich beim Bahnhof Zürich-Altstetten. Und es stand ein Namenswechsel an unter das Dach von «DER Touristik Suisse», die Markennamen blieben bestehen. Zümpels Devise: Die Stärken der DER Touristik in Deutschland wie IT, Produktvielfalt und Preisgestaltung halten Einzug, verknüpft mit dem lokalen Know-how des Schweizer Traditionsunternehmens. Die Mission nahm Fahrt auf, auch dank den generell guten Reisejahren 2017 und 2018.

Drei Jahre nach der Übernahme der Kuoni Reisen AG hatte die DER Touristik Gruppe Mitte 2019 den Turnaround geschafft, die Hochrechnung für das Jahr 2019 zeigte ein ausgeglichenes Geschäftsergebnis, konnte Kaufmann Zümpel festhalten. Nachdem sich 2018 bei einem konsolidierten Umsatz von 653,8 Millionen Franken noch ein einstelliger Millionenverlust in den Büchern niederschlug, konnte DER Touristik Suisse 2019 erstmals mit schwarzen Zahlen abschliessen.

Zurück auf Start

Doch die Ära Zümpel sollte nicht mit dem Ausruhen auf den Lorbeeren und fetten Gewinnen geprägt sein. Denn bekanntlich sah die Reisewelt ab März 2020 ganz anders aus.  Am 20. April 2020 sagte DER Touristik Suisse alle Reisen bis am 17. Mai ab. «Damit begegnen wir anhaltenden Einreiseeinschränkungen in unseren Zielgebieten, der starken Angebotsabnahme im Luftverkehr und der Empfehlung des Bundesrates, vorerst weiterhin und wann immer möglich zuhause zu bleiben», musste Dieter Zümpel bekanntgeben.

Die Konsequenz der Corona-Krise sah im Sommer 2020 so aus: Hotelplan Suisse strich 170 Stellen und 12 der 98 Filialen. Knecht Reisen strich jede fünfte Stelle und schloss 4 der 25 Filialen. TUI Suisse trennte sich von 70 Leuten, auch bei Globetrotter kam es zu einer Sparübung.

Und auch bei DER Touristik Suisse fiel der Jobcut heftig aus: 140 der 810 Vollzeitstellen mussten abgebaut werden. «Ich bedaure sehr, dass neben der weitreichenden Reduktion von Sachkosten auch einschneidende Personalmassnahmen nötig sind. Wir sind uns bewusst, wie schmerzhaft der Schritt für von Kündigungen betroffene Mitarbeitende sein wird. Die daraus entstehenden Folgen werden wir bestmöglich mit einem Sozialplan und einem Dienstleistungsangebot zur beruflichen Neuorientierung abfedern», erklärte Dieter Zümpel.

Wutrede mit Folge

Es folgte bekanntlich ein Auf und Ab in den 24 Folgemonaten. Reiseerleichterungen und ein Nachholeffekt da, neuerliche Corona-Massnahmen und wieder aufgebaute Einreisehürden dort. Erst mit dem Abflachen der Omikron-Welle zog das Reisebusiness ab März 2022 wieder deutlich an. Es folgte ein gutes Last-Minute-Sommer und solides Herbst-Geschäft, wenn auch noch mit Einschränkungen auf der Langstrecke.

Zu kämpfen hatte die Reisebranche im letzten Sommer aber mit den Rahmenbedingungen: Neben dem Chaos an einigen Flughäfen wegen Personalmangels, waren die Reisebüros vor allem durch die vielen Flugstreichungen der Swiss genervt.

Während andere hiesige Manager schwiegen und sich nicht mit dem National Carrier anlegen wollten, sprach Dieter Zümpel in der «Aargauer Zeitung» Klartext: «Alle machen derzeit die anderen für die Situation verantwortlich. Fakt ist, dass viele Airlines, Flughäfen und Bodenabfertiger falsch geplant haben.»

Wenn man einen Flugplan aufstelle, müsse man sich dafür mit dem nötigen Personal vorbereiten: «Das ist ein einfacher Dreisatz! Aber nun tun manche Airlines so, als würde Weihnachten überraschend kommen. Entweder haben sich die Airlines enorm verschätzt. Oder, was ich nicht hoffe, sie sagten sich einfach: Tja, wenn wir die Flüge nicht durchführen können, kümmern sich die Passagiere und Reiseveranstalter selber darum, wie sie die geplanten Ferien umbuchen können.»

Endlich hielt da einer den aufgestauten Unmut nicht zurück, denn die Reisebüros waren im letzten Jahr überaus genervt, nach zwei Corona-Jahren gabs nun Umbuchungen ohne Entgelt zuhauf. Zümpels Wutrede war dann auch der Ursprung eines Treffens zahlreicher Branchenvertreter mit der Swiss, die Friedenspfeife wurde angezündet und die Swiss stattete fortan 10 Franken pro umgebuchtem Passagier zurück.

Rückenwind und Abschied

«Aktuell verspüren wir sehr starken Rückenwind», stellte Dieter Zümpel im Januar dieses Jahres erfreut im Travelnews-Interview fest, «wir kommen aus drei Jahren mit erheblichem Umsatzverlust, sind in dieser Zeit in die Homeoffices geströmt. Jetzt gehen sogar mehr Buchungen als im Januar 2019 ein.» Er glaube, DER  Touristik Suisse bekomme Ende 2023 endlich wieder mal die Chance zu sagen, «ja, dieses Jahr ist gut gelaufen.»

So wird nun Dieter Zümpel am 1. Juni 2023 seiner Nachfolgerin Stephanie Schulze zur Wiesch das Steuer übergeben können, bei – Stand jetzt – ruhiger See und sie wird ein aufgeräumtes und fittes Unternehmen betreten, das vor einigen Jahren einem Scherbenhaufen glich. Dieter Zümpel, mission accomplished.