On The Move

Im Swiss-Cockpit herrscht vorerst mal Ruhe. Bild: TN

Kommentar Den Pilotensturm überstanden

Gregor Waser

Nach dem abgewendeten Pilotenstreik kann die Swiss erleichtert abheben. Doch bereits zeichnen sich neue Turbulenzen ab.  

Bis am frühen Montagmorgen feilschte die Pilotengewerkschaft Aeropers mit der Swiss-Führung um einen neuen Gesamtarbeitsvertrag. Das Duell endete mit einem Unentschieden. Aeropers kann seinen 1300 Piloten 2,3 Prozent mehr Lohn und 2 Prozent Teuerungsausgleich präsentieren sowie ein Plus bei der Planung: die Pilotinnen und Piloten erhalten nun schon am 18. und nicht erst am 25. Tag des Monats den Arbeitsplan für den Folgemonat.

Die Swiss wiederum konnte noch höhere Lohnforderungen abwenden und sie hat im GAV, der am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, für sich eine Flexibilität einbauen lassen, die sich noch lohnen dürfte: an Nachfragespitzen kann sie auf pensionierte Swiss- und Edelweiss-Kapitäne als Freelancer zurückgreifen. Und noch wichtiger: der Swiss steht weiterhin der Zugang zu Wetlease-Partnern wie der Helvetic Airways und Air Baltic offen, was bisher bei der Pilotengewerkschaft für viel Argwohn sorgte.

Die Schweizer Reisebüros haben den heutigen Swiss-CEO Dieter Vranckx vor einigen Jahren als damaligen Kommerzchef an einer Verbands-GV persönlich getroffen und kennen seine ruhige Art, auch grösstmögliche Problem gelassen zu diskutieren, die andere Partei zu Wort kommen lassen und trotzdem zielstrebig nach vorne zu spielen. Den Last-Minute-Deal hat Dieter Vranckx noch rechtzeitig besiegelt, bevor es bei einem Streik zu einem grossen Schaden gekommen wäre – kommerziell, imagemässig, planerisch. Ob auch der Lufthansa-Group-Chef Carsten Spohr mit der Lohnerhöhung der wohl aus deutscher Sicht ohnehin überbezahlten Swiss-Piloten zufrieden ist? Man mag es bezweifeln. Solange die Swiss aber schöne Gewinne abliefert, lässt man sie walten.

Steigerung der Performance nötig

Doch um im preislichen Fight künftig zu bestehen, hat die Swiss nun gegenüber Fluggesellschaften wie Ryanair, Wizzair, aber auch arabischen und asiatischen Airlines einen noch schwierigeren Stand. Denn diese Airlines zahlen ihren Piloten deutlich tiefere Löhne. Gleichzeitig forciert die Swiss die Nachhaltigskeitbemühungen. Die sind lobenswert, aber die schlagen sich auch in den Kosten nieder. So tut die Swiss gut daran, das Image einer Premium-Airline hochzuhalten und auch wirklich daran zu arbeiten, einen Unterschied zu Billigairlines anzustreben – ob bei der Performance im Call-Center, einem grosszügigeren Kabinenservice, einer zurückzuerlangenden Flugplanstabilität, in der Zusammenarbeit mit Reisebüropartnern oder - wie heute geschehen - mit attraktiven Innovationen wie dem Air-Rail-Ticket.

Fürs erste hat die Swiss nun also den Imageschaden abwenden können. Der Streik ist vom Tisch. Doch die nächsten Herausforderungen stehen an: nach dem Bodenpersonal und den Piloten gilt es den GAV mit dem Kabinenpersonal, der per April 2023 kündbar ist, neu aufzugleisen. Auch die Forderungen aus der Kabine mit fünf Prozent mehr Lohn sind erheblich. Schon bis Ende November will die Swiss auch diese Baustelle lösen. Und hoffentlich dann im Jahr 2023, nach drei äusserst schwierigen Jahren, wieder mal in aller Ruhe – ohne Sturm am Boden, in der Kabine oder im Cockpit – abheben.