On The Move

Der TGV M - moderner, grösser, modularer, aber nicht schneller als bisherige Modelle. Bild: ©Olivier Schindler/Alstom

So sehen die künftigen TGV-Züge aus

Die französische Eisenbahngesellschaft SNCF und das Industrieunternehmen Alstom haben den ersten «TGV M» präsentiert, also die neuste Generation von Hochgeschwindigkeitszügen.

Dem Hochgeschwindgigkeits-Bahnverkehr gehört ein gewichtiger Teil der zukünftigen Mobilität. Nun hat einer der grossen europäischen Vorläufer dieser Fortbewegungsvariante, der französische TGV («train à grande vitesse») nochmals eine Schippe draufgelegt.

Vor einigen Tagen enthüllten die französische Staatsbahn SNCF und das Industrieunternehmen Alstom France in den Werkstätten von Alstom in La Rochelle die neuste Produktlinie des TGV. Der so genannte «TGV M» (ursprünglich auch «Avelia Horizon» genannt) wird im Laufe des Jahres 2024 auf dem französischen Netz verkehren, für eine Zeitdauer von mindestens 10 Jahren. Dieser Zug, der in 115 Exemplaren bestellt wurde, bestehend aus 100 Zügen in der Inlandsversion und 15 in der internationalen Version, kann sowohl für das TGV Inoui- als auch für das Ouigo-Angebot eingesetzt werden. Man wird ihn also ziemlich sicher auch in der Schweiz sehen.

Der neuste Wurf zeichnet sich durch wichtige Innovationen aus: So ist er modular aufgebaut, was es ermöglicht, die Anzahl der Wagen so nah wie möglich an die Bedürfnisse des Marktes anzupassen (7, 8 oder 9), einen Raum der 1. Klasse schnell in einen Raum der 2. Klasse umzuwandeln und umgekehrt, den Innenraum durch Entfernen oder Hinzufügen von Sitzen, Velo- oder Gepäckräumen neu zu konfigurieren und mehr. Darüber hinaus bietet er eine um 20% vergrösserte Fläche an Bord, d.h. potenziell ein Angebot von bis zu 740 Plätzen - gegenüber heute maximal 634 Plätzen.

Natürlich wurde auch an Energieeffizienz gedacht. Die CO2-Bilanz des TGV M ist die niedrigste auf dem Markt und 97% der Komponenten des Triebzuges sind recycelbar. Ebenso zukunftsträchtig sind die vernetzten Dienste, natürlich das Wifi an Bord, aber auch umfassende Informationen in Echtzeit in den verschiedenen Bereichen des Zuges. Dabei geht es nicht nur um allfällige Verspätungs-Infos, sondern anhand von Sensoren im ganzen Zug auch um permanente Datensammlung, um die Wartung und Verfügbarkeit zu optimieren. Was die Maximalgeschwindigkeit angeht, so will die SNCF nicht übers Ziel schiessen: Diese wird wie bisher 350 km/h betragen.

Mehr Wagen, 5G und Mobilität für alle

Die Neuheiten des TGV M sowie seine technischen Eigenschaften unterscheiden sich von denen der Züge, aus denen die aktuelle Flotte besteht. Alle Betriebsabläufe des TGV müssen angepasst werden. Sei es bei denjenigen, die sich auf das Fahren, die Verkehrsüberwachung, die Vorbereitung der Züge im Bahnhof oder auch auf das Parken, Abstellen und Reinigen beziehen. Dies hängt zum Beispiel damit zusammen, dass der TGV M über 9 Reisezugwagen verfügen wird und nicht mehr über 8 wie die heutigen TGVs. Oder auch mit der Tatsache, dass die Schnittstellen im Führerstand grösstenteils digitalisiert wurden. Weil auch die Zugnasen des TGV M länger sind als bisher, zeigen die bereits in fast 70 Bahnhöfen durchgeführten Expertisen die Notwendigkeit, Haltestellenschilder zu versetzen, um die Sicht der Zugführer auf die Signale zu verbessern.

Die WLAN-Architektur an Bord des Zuges wird dem neuesten 5G-Standard entsprechen, um eine hohe Servicequalität zu gewährleisten. Alle Sitze, die für einen optimalen Komfort konzipiert sind, verfügen über Konnektivitätsfunktionen und bieten jedem einen leistungsstarken WIFI. In den Fahrgasträumen wurde das Innendesign so gestaltet, dass es die Erholung und eine gedämpfte Atmosphäre fördert. Anderswo wurden «Orte der Geselligkeit» für diejenigen erdacht, die sich mit Freunden oder der Familie unterhalten möchten. Die Fenster wurden vergrössert, um einen Panoramablick auf die Landschaft zu ermöglichen. Die Beleuchtung wird sich an die Intensität des natürlichen Lichts in der Bahn anpassen.

Die Bar in diesem neuen TGV wurde ebenfalls komplett neu gestaltet. TGV M ist der erste TGV, der von Beginn weg in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden von Personen mit eingeschränkter Mobilität (insbesondere Rollstuhlfahrer und Sehbehinderte) konzipiert wurde. Er wird der erste TGV sein, der einen völlig unabhängigen Zugang zum Zug bietet: Eine drehbare Hebeplattform ermöglicht Rollstuhlfahrern den selbstständigen Zugang zum Zug und zu dem für sie reservierten Raum, und ein akustisches System zur Kennzeichnung der Türen leitet Sehbehinderte beim Einstieg in den Zug.

Vor der Markteinführung stehen aber noch ein paar Tests an. Die nächste grosse Etappe wird die dynamische Testphase bei 200 km/h in Velim (Tschechische Republik) bis Ende 2022 sein. Das ist nur der Beginn einer langen Testphase für diesen TGV. Auch der Sitzkomfort wird von einer repräsentativen Auswahl von Personen getestet. Die Arbeiten an der Ausstattung werden in Zusammenarbeit mit den Verbänden fortgesetzt, um die letzten technischen Anpassungen und die Wahl der Beschilderung abzustimmen. Die Zugbegleiter und Wartungsteams sind ebenfalls an diesem Austausch beteiligt. Man darf auf den neusten TGV-Wurf gespannt sein.

(JCR)