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Der Business Trip erfolgt schon fast wieder wie zu Vor-Corona-Zeiten, wie aktuelle Air-Plus-Zahlen zeigen. Bild: Fotolia

Starke Erholung bei den Geschäftsreisen

Die boomenden Teams- und Zoom-Meetings der letzten zwei Jahre liessen die Prognosen für den künftigen Geschäftsreise-Verkehr bröckeln. Doch jüngste Air-Plus-Zahlen zeigen jetzt einen deutlichen Aufwärtstrend.

Eingespielt haben sie sich die Zoom- und Teams-Besprechungen am Bildschirm. Easy lassen sich heutzutage gleiche mehrere Meetings am Tag absolvieren. Was will man da noch verreisen? Entsprechend düster fielen während der Pandemie die Prognosen für den künftigen Geschäftsreiseverkehr aus.

Um 20 bis 30 Prozent dürfte sich die Anzahl der geschäftlichen Flugreisen nach der Pandemie im Vergleich zu 2019 reduzieren, lauteten die Expertenmeinungen - umso mehr sich Unternehmen ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele auf die Fahne geschrieben haben und gepaart mit Kostenüberlegungen den Hahn der Reiseausgaben allmählich zudrehen.

Pustekuchen. Der Business Trip erfolgt schon fast wieder wie zu Vor-Corona-Zeiten, wie aktuelle Air-Plus-Zahlen verdeutlichen. In der Schweiz nehmen die Zahlen der über den Corporate-Payment-Spezialisten AirPlus abgewickelten Transaktionen für Flugtickets seit Jahresbeginn kontinuierlich zu. Nach einer kurzen Stagnation im April wurden im Mai 2022 knapp drei Mal so viele Flüge über AirPlus verbucht als im Januar. Mit dem anziehenden Reisegeschäft schmilzt auch der Abstand zum Vorkrisenjahr 2019 von Monat zu Monat. Im Monat Mai 2022 lag das Abrechnungsvolumen in der Schweiz lediglich noch um 15,1 Prozent unter dem Niveau von Mai 2019, zeigt der aktuelle AirPlus Business Travel Index.

Persönliche Treffen und berufliches Networking kamen zu Beginn der Corona-Pandemie quasi zum Stillstand. Doch gemäss einer Umfrage von AirPlus International unter 111 Topmanagern in Deutschland sind 84 Prozent der Befragten der Meinung, dass insbesondere diese persönlichen Treffen unerlässlich sind, um Geschäftsbeziehungen und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.

Andy Stehrenberger

«Diese Haltung sehen wir ganz deutlich in der Schweiz», bestätigt Andy Stehrenberger, Geschäftsführer von AirPlus International in der Schweiz. Auch bei Verhandlungen (von 76 Prozent genannt), Anlässen mit emotionalen Kommunikationsinhalten (73 Prozent), Besprechungen vertraulicher und sensibler Inhalte (71 Prozent), Kundenakquise und -bindung, Messebesuchen und Branchentreffen (jeweils 70 Prozent) sowie strategischen internen Meetings (56 Prozent) bevorzugt die Mehrheit der Befragten eine persönliche Begegnung. Anlässe wie der Austausch von Wissen oder die Zusammenarbeit in Projektteams können aus Sicht der Befragten dagegen künftig weiter virtuell stattfinden.

Teurere Reisen, längerer Aufenthalt

Auffallend ist, dass sich die Schweizer Unternehmen das Reisen im laufenden Jahr etwas kosten lassen und ihre Mitarbeitenden vermehrt in der Business Class reisen lassen. Auf Interkontinentalflügen erhöhte sich der Anteil der Business-Class-Flüge von Januar bis Mai 2022 gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 um 2,3 Prozentpunkte auf 50,5 Prozent und auf Europa-Strecken um 1,9 Prozentpunkte auf 5,2 Prozent. Am auffälligsten ist diese Entwicklung auf den Schweizer Inlandstrecken, die allerdings nur einen sehr kleinen Teil des Schweizer Flugvolumens ausmachen dürften: Hier erhöhte sich der Business-Class-Anteil in den fünf ersten Monaten 2022 um 18,8 Prozentpunkte auf 26,4 Prozent (Jan-Mai 2019: 7,6 Prozent).

Während der durchschnittliche Vorausbuchungszeitraum im Frühjahr 2022 lediglich bei den Interkontinentalflügen abnahm – von 34,2 Tagen in 2019 auf 31 Tage in 2022 –, zeigen sich zum Teil klare Verschiebungen bei der Dauer der Reisen. Von Januar bis Mai 2022 dauerten Interkontinentalreisen im Schnitt 12,5 Tage (2019: 10,3 Tage), Europareisen 4,6 Tage (2019: 3,7 Tage) und geschäftliche Reisen in der Schweiz erhöhten sich markant auf durchschnittlich 18,5 Tage (2019: 3,4 Tage). «Hier zeigen sich die heutigen Möglichkeiten und die Akzeptanz gegenüber ‹remote work› deutlich», sagt Andy Stehrenberger. «Anstelle mehrmals innerhalb der Schweiz von A nach B zu reisen, werden Reisen zusammengelegt oder der Arbeitsplatz gleich für einen längeren Zeitraum verlegt. Diese Tatsache zeugt auch von einem ökologischen Umdenken», sagt Stehrenberger.

Fragen bleiben

Statt dem oft geäusserten Minus von 30 Prozent, mit dem der Geschäftsreisesektor nun nach der Pandemie leben muss, fehlen nun also zumindest bei AirPlus nur noch 15 Prozent zur früheren Welt. Jetzt muss sich aber erst zeigen, ob sich dieses Niveau in den Folgemonaten hält und ob die AirPlus-Zahlen auch für den gesamten Geschäftsreise-Sektor sprechen. Wie aus der Schweizer Stadthotellerie zu erfahren ist, beläuft sich das aktuelle Minus bei den Geschäftsreisenden noch immer auf rund 40 Prozent.

Zudem erschwerend: viele Kurzstreckenflüge werden in den nächsten Monaten innerhalb Europas annulliert. Von Swiss über Lufthansa, British bis Easyjet: reduzierte Flugpläne prägen diesen Sommer und dürften damit viele Business Trips verhindern.

Ein zusätzliches Fragzeichen ist bei den guten Mai-Zahlen zu setzen: Waren darunter nicht auch viele «aufgestaute» Geschäftsreisen, die in den letzten zweieinhalb Jahren nicht stattfinden konnten? Und die nun in den folgenden Monaten wieder entfallen?

Die für Geschäftsreisen wichtigen Herbstmonate September, Oktober und November werden es zeigen, wie gross der Gap zu 2019 wirklich ist. Airlines und Stadthotels sehnen sich jedenfalls die früheren Zeiten zurück, als Business-Gäste mit deutlich höheren Raten für gute Gesamteinnahmen und höhere durchschnittliche Flugsitz- respektive Zimmererträge sorgten.

(GWA)