Here & There

Nicht geschleckt, sondern rau geblieben: Blick von der Brunnenstrasse in einen Innenhof hinein. Bilder: DerInternaut.ch

Starke Strecke in Berlin: die Brunnenstrasse

Andreas Güntert

Kein Starbucks, kein Zara, kein H&M, kein McDonald’s: Es gibt sie noch, die nicht globalisierten Strassen – solche mit lokalen und regionalen Anbietern aus Gastronomie, Hotellerie, Shopping und Kultur. Eine Entdeckung in Berlin-Mitte.

Berlin-Mitte ist ein Anziehungspunkt erster Güte. Top-Sehenswürdigkeiten wie Brandenburger Tor, Reichstag, Hackescher Markt oder Siegessäule stehen wohl auf fast jeder To-See-Liste von Berlin-Novizen.

Seit dem Fall der Mauer im Jahr 1989 hat sich der Bezirk als Hochburg der Kreativen und Technologie-Unternehmer einen Namen gemacht. Mitte pulsiert. Mitte heisst: Berlin mittendrin.

Ab durch Berlin-Mitte an der Brunnenstrasse.

Während in Mitte ringsherum extravagente Shops und schicke Bars Einzug gehalten haben, bewahrt sich die Brunnenstrasse noch etwas vom herben Charme der Gegend. Hip und angesagt – ja, das isse. Aber doch rauer und nicht so geleckt wie etwa der biodynamisch korrekt getaktete Prenzlauer Berg.

Also nichts wie rein in die Brunnenstrasse, die über mehr als drei Kilometer vom Rosenthaler Platz bis zum Volkspark Humboldthain hoch führt. Und eine bewegte Geschichte aufweist: Die Mauer verlief einst mitten durch diese Starke Strecke.

Ein Kaffeehalt. Nein: zwei Kaffehalte

Wer hats erfunden? Im Falle der Kaffeemaschine soll das ein Mensch namens Hermann Eicke gewesen sein, der 1878 mit Patentschrift Nummer 3044 ein Ding namens «Kippkannen-Dampfdruck-Kaffeemaschine» angemeldet haben soll. In der Zeit, die es braucht, das auszusprechen, hat der Internaut bereits einen Espresso gekippt. Und den nächsten bestellt: Im liebenswürdigen Café an der Brunnenstrasse namens – Du hast es geahnt – «Hermann Eicke».

Eine hübsche Alternative zum Hermann Eicke ist das Du Bonheur. Es mag etwas technisch klingen, wenn dort «handgemachte französische Stückdesserts» ausgelobt werden. Aber jede und jeder, der gern etwas Süsses mag, wird hier wohl etwas länger verweilen wollen. Pain au chocolat, Tartelettes, Macarons – selten sind uns Französisch-Vokabeln so leicht gefallen. Voilà!

Eine Suppe

In der Regel interessieren uns in dieser Serie Flüssigkeiten vor allem dann, wenn sie in einem Glas liegen. Das müssen wir an der Brunnenstrasse aber um den Faktor Teller ergänzen. Im minimalistisch gestalteten The Tree sind hausgemachte Nudeln aus der Szechuan-Küche die Stars. Manchmal braucht der Mensch zwischendurch etwas Warmes – mit einer Suppe ist er hier bestens bedient.

Ein Drink

Nein, da ist kein See an der Brunnenstrasse. Aber dafür gibt es «Mein Haus am See». Dieser Betrieb am Rosenthaler Platz ist 24 Stunden lang geöffnet, Tag für Tag und Nacht für Nacht. Er funktioniert je nach Tageszeit als Club oder Bar oder Hang-Out für eine junge Kundschaft und all jene, die sich ein bisschen Restjugend aufbewahrt haben. Ein urbanes Wohnzimmer im Shabby Chic für jede Gemütslage. Passend zur Location macht der Drink «Mitte Royal» viel her. Ein tiefgründiger See mit folgenden Zuflüssen: Wodka, Grenadine, Honig und Prosecco.

Eine Mahlzeit

Wenn ein Schweizer Reiseblogger auf ein Schweizer Restaurant in Berlin hinweist, dann klingt das ein wenig banal. Tschuldigung, aber hier muss es sein. Nola’s am Weinberg liegt einfach zu toll und ist zu lecker, als dass es der Internaut nicht erwähnen könnte. Ob Röschti (auch vegan), Fondue oder Zürcher Geschnetzeltes – kaum ein Evergreen der helvetischen Küche wird hier ausgelassen. Aber auch seltenere Erscheinung wie «Basler Laubfrösche» werden hier aufgetragen. Letztere darf man sich als mit Kalbhackfleisch gefüllte Mangoldblätter vorstellen, pochiert in Brühe und serviert auf Rieslingschaum. Mundet sehr.

Im Nola’s am Weinberg gibts Röschti, Fondue oder Zürcher Geschnetzeltes.

Der Internaut will nun aber all jene, die deftiger Helvetica wenig abgewinnen können, nicht leerlaufen lassen. Wie wärs mit einer Prise Polska? Gleich zwei Locations an der Brunnenstrasse – das Schnellrestaurant Tak Tak und die Schmeckerei Pierogi – tischen Piroggen, Piros und Barszcz (die polnische Variante des russischen Bortschsch) auf.

Ein Shop

Noch kein Geschenk für das Göttimeitli oder den Göttibueb? Dann ist Goldfish gerade richtig. Also vor allem für den kleinen Menschen. Denn für diesen findet man hier Kindermöbel, Kinderkleidung und Spielzeug. Letzteres voll analog, ohne Stecker, Screen und Batterienschacht. Gut so.

Noch ein Shop

Mode, Papeterie, Taschen – gar nicht so einfach zu sagen, was bei S.WERT eigentlich der Sortimentsmittelpunkt ist. Ist auch nicht so wichtig. Hauptsache Spass. Und Hauptsache Berlin. Ungeahnte Sortimentstiefe entwickelt man hier beim Thema Geschirrtuch mit Berlin-Sujets. Hat Dein Lieblingsmensch wirklich noch kein Geschirrtuch mit Plattenbau-Print? Hier kann man Dir helfen. Und Deinem Lieblingsmenschen auch.

Ein Mitbringsel

Berlin kann einem durch seine schiere Grösse manchmal fast überfordern. Eingeborene raten, die Stadt Kiez für Kiez zu entdecken. In eine ähnliche Richtung, wenn auch deutlich morbider, geht das Buch «Berlin Noir».  Hier lebt jeder Kiez mit einem Mord auf –  eine Art Google Maps des Grauens. Immer spannend, aber nichts für Zartbesaitete. Gesehen in der Buchhandlung Ocelot zu 15 Euro. Übrigens: Natürlich kommt auch die Brunnenstrasse zu ihrem Auftritt in «Berlin Noir».

12 Kieze, 13 blutige Spuren: Unser Mitbringsel von der Brunnenstrasse.

Ein Hotel-Tipp. Nein, zwei

Perfekt am Einstieg der Brunnenstrasse, quasi gleich am Rosenthaler Platz, liegt das Ibis Styles. Gewohnt günstig beginnen die Zimmerpreise bei dieser Accor-Kette so um die 59 Euro pro Nacht. Weil es aber nicht astrein zur Philosophie der Starken Strecke passt, internationale Ketten zu promoten, empfiehlt es sich, ein paar Euro mehr in die Hand zu nehmen: Sehr stilvoll und gar nicht teuer (Zimmer ab 70 Euro) logiert man im Amano an der Auguststrasse, nur ein Steinwurf entfernt von der Brunnenstrasse. Dachterrasse nicht verpassen!

Die Anreise: Hier gehts nach Berlin Brunnenstrasse

Am einfachsten mit der U-Bahn-Linie U8 zum Rosenthaler Platz. Dort legt sie los, die Brunnenstrasse. Reizvolle Alternative: Mit der U8 zur Station Bernauer Strasse. Dann runterstechen an der Brunnenstrasse zum Rosenthaler Platz, immer hübsch in Richtung Fernsehturm, der aus der Ferne vom Alexanderplatz grüsst.

Und wenn wir schon mal hier sind: Starke Orte in Gehdistanz

Bernauer Strasse: Entlang dieser Querstrasse zu unserer Starken Strecke verlief einst die Mauer. Sie trennte die Brunnenstrasse in einen südlichen Teil (Ost-Berlin zugehörig) und einen nördlichen Abschnitt, der bis zum Mauerfall 1989 zu West-Berlin gehörte. Zur Medienikone wurde das Bild des DDR-Volkspolizisten Conrad Schumann, der 1961 just an dieser Stelle von Ost nach West sprang, als die Mauer erst provisorisch per Stacheldraht markiert war.

Mauerpark: Wenige Gehminuten entfernt von der Bernauer Strasse liegt der Mauerpark. Der ehemalige Mauerstreifen zwischen Prenzlauer Berg und Wedding ist heute bei schönem Wetter eine Hochburg des Berliner Open-Air-Lebens. Sonntags mit Flohmarkt und – wenn es die Gesetzeshüter erlauben – grossem Open-Air-Karaoke-Spektakel.

Zionskirche: Wer mal für einen Moment genug hat vom allgemeinen Trubel der Marke Berlin Brunnenstrasse, der findet hier hier die eigenen Mitte wieder. In einem ruhigen Moment in oder vor der Zionskirche. 1873 erbaut, im Krieg schwer beschädigt – und nach der Wiedervereinigung wieder vollständig aufgebaut und saniert. Sonntags kann der Turm bestiegen werden. Oben wartet etwas auf Dich: tolle Aussicht.

Trödlermarkt Arkonaplatz: Ebenfalls immer wieder sonntags: Herrliches Flanieren und Stöbern in allerlei Trouvaillen an diesem hübschen und gut überschaubaren Trödlermarkt gleich neben der Brunnenstrasse.

So geht Sonntag in Berlin-Mitte: Ein Bummel über den Trödelmarkt am Arkonaplatz.