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200 Tage Sonnenschein, traumhafte Küstenwanderungen, feine Küche und relaxte Leute: auf Jersey lässt es sich gut gehen. Bilder: DWB

Jersey, die Insel der Entspannten

Dominik Buholzer

Die Kanalinsel ist bekannt für sein mildes Steuerklima. Dies ist längst nicht der einzige Grund, weshalb man Jersey einen Besuch abstatten sollte.

Man kann Sean Faulkner (64) schlecht widersprechen. «Ich weiss, es ist eigentlich verrückt, hier ein Fischgeschäft zu eröffnen», sagt er. Ausgesucht hat er sich nicht irgendein altehrwürdiges Haus, sondern einen ehemaligen Bunker der Nazis. Solche sieht man auf der Insel zwar immer wieder. Sie sind die letzten Zeugen der fünfjährigen Besatzungszeit (1940-1945) der Deutschen. Doch in keinem anderen werden Schalentiere zubereitet.

Der Nazi-Bunker als Fischgeschäft – auf eine solche Idee muss man also erst einmal kommen. Bei Sean Faulkner lag sie irgendwie auf der Hand. Er ist einen Steinwurf entfernt in L’Etacq in St Ouen aufgewachsen; in der Kindheit trieb er sich oft an diesem Küstenzipfel herum. Als er Jahre später genug hatte vom Leben als Purser auf Kreuzfahrtschiffen, entschied er sich, der Militäranlage neues Leben einzuhauchen.

Auf Jersey schmeckt der Hummer im Plastikgeschirr köstlich

Das Wagnis hat sich gelohnt. Heute werden in engen Gängen und kleinen Räumen wöchentlich über eine Tonne Hummer, Krabben und weiterer Meerestiere für den Handel zubereitet. Faulkners Fisherie bedient die einheimischen Verkaufsgeschäfte und Restaurants genauso wie jene ennet dem Ärmelkanal in Frankreich. Im Sommer wird zusätzlich draussen vor dem Bunker aufgetischt. Jeweils Dienstags bis Samstags ist von 12 bis 15 Uhr Barbecue angesagt, dann werden einem die Schalentiere in Plastikschalen serviert. Das Geschirr ist Geschmacksache, die Krabben und Muscheln schmecken aber ausgesprochen köstlich.

Findige Geschäftsleute waren sie auf Jersey schon immer. International einen Namen machte sich die kleine Insel insbesondere mit seiner Steuerpolitik. Schon 1959 wurde die Einkommenssteuer auf einheitlich 20 Prozent gesenkt. Dem Kleinstaat flossen Milliarden zu und die Einwohnerzahl schnellte in die Höhe. Heute leben knapp 100’000 auf der Insel, die Hälfte davon sind Zugezogene. Der EU ist vor allem die Tiefsteuerpolitik ein Dorn im Auge. Ausrichten kann sie nicht wirklich viel, Jersey ist unabhängig und aus gutem Grund nicht Mitglied der EU. Immerhin führte der Druck aus Brüssel dazu, dass es seit 1998 auf der Insel eine unabhängige Finanzaufsicht gibt und der Ursprung der Gelder genauer überprüft wird.

Dem Zuspruch der Reichen tat dies keinen Abbruch. Zuletzt wollte auch Oligarch Roman Abramowitsch seinen Wohnort in den Ärmelkanal verlegen. Weil ihm die Briten Probleme mit der Verlängerung seines Visas bereitete, wurde er statt Jersianer Israeli. Da hatte es der britische Krimiautor Peter James (Roy-Grace-Serie) einfacher. Er zügelte in diesem Frühling von Sussex nach Jersey – weil er sich nach mehr Ruhe zum Schreiben sehnt.

200 Tage Sonnenschein

Das mag vielleicht sogar stimmen. Auf Jersey haben in der Tat nicht nur die Schwerreichen ihren Frieden. Während 200 Tagen im Jahr hat man Sonnenschein. Da spielt es auch keine Rolle, wenn mal am Morgen das Leben noch vom Nebel eingehüllt ist. Die Landschaft ist sehr reizvoll und pittoresk. Das lädt zum gemütlichen Wandern entlang der Küsten oder zur Fahrradtour ein. Wer es sportlicher mag, kann sich in die Wellen werfen: Surfer kennen auf Jersey keine Winterpause. Und dann sind da noch die Jersianer. Sie gehen alles ein wenig entspannter an als ihre Nachbarn in England und Frankreich. Sie sind freundlich, hilfsbereit und zelebrieren die heimische Küche.

Kulinarisch hat die Insel einiges zu bieten: Jersey Royals, die legendären Frühkartoffeln, das Fleisch der Jersey Rinder, Hummer, Krabben und frische Austern. Weil die Jersianer ihre Gäste gerne ausführen, gibt es unzählige tolle Restaurants, die auch qualitativ zu überzeugen vermögen, wie beispielsweise das international ausgezeichnete Ocean Restaurant im Hotel Atlantic in St Brelade oder Mark Jordan At The Beach in St Helier. Das spürt man weniger im Portemonnaie als vielmehr auf den Hüften.

Nachdem die Finanzwirtschaft den Tourismus in den 70er-Jahren als Wirtschaftsfaktor Nummer eins abgelöst hat, erlebt letzterer in den vergangenen Jahren einen zweiten Frühling. 2017 stieg die Zahl der Feriengäste mit einem Plus von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr so stark an wie seit 2001 nicht mehr. Dies ist auch auf die verstärkten Marketingmassnahmen zurückzuführen. Auf Jersey reift die Einsicht, dass eine zu grosse Abhängigkeit vom Geldadel der Insel nicht förderlich ist.

Der Grossteil der Gäste stammt aus Grossbritannien. Doch auch bei den Schweizern wurde Jersey in den vergangenen Jahren zusehends beliebter, unter anderem wegen den ausgebauten Flugverbindungen: täglich gibt es Linienflüge über London. Rolf Meier Reisen fliegt zudem exklusiv jeden Samstag vom 5. Mai bis 8. September mit einer 48 plätzigen ATR-42-500 von Blue Islands Zürich-Jersey und Jersey-Guernsey-Zürich. Noch bis 13. Oktober gibt es jeden Samstag einen Flug mit SkyWork von Bern aus nach Jersey.

Der Flug dauert gute zwei Stunden und schon kann man sich draussen bei St Ouen von Sean Faulkner verköstigen lassen.

(Die Reise wurde unterstützt durch Rolf Meier Reisen)