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Gute 40 Meter hoch erheben sie sich die Kalksteinfelsen in der Bucht von Phang Nga senkrecht aus dem Wasser. Bilder: Fotolia

In der Bucht der geheimnisvollen Lagunen

Dirk Sommer

In Phang Nga, nahe der Insel Phuket, führen Kanutouren in spektakuläre Lagunen und versprechen einen abenteuerlichen Familientrip – auch nachts.

Lukas ist nicht ganz sicher, ob er das will. «Ein bisschen Angst habe ich schon», flüstert der Achtjährige mit ernstem Blick und schaut nach oben: auf die grauen Kalksteinfelsen einer Insel in der Bucht von Phang Nga. Gute 40 Meter hoch erheben sie sich senkrecht aus dem Wasser. Die kleine schwarze Öffnung direkt über der Wasseroberfläche ist dagegen erst zu erkennen, als die Gruppe im Kanu nur noch wenige Meter entfernt ist.

Lock Poramin, der Führer, dreht sich zu dem Achtjährigen und seiner Familie um: «Wir paddeln jetzt durch das Loch in die Lagune im Inneren der Insel. Ihr müsst euch flach auf den Boden des Kanus legen. Lasst die Köpfe unten bis ich euch sage, dass ihr euch wieder aufrichten dürft.» 

Dann schaltet der 25-jährige seine Stirnlampe an und fügt grinsend hinzu: «Lasst auch den Mund zu. Es gibt Hohlräume in der Grotte, in der Fledermäuse wohnen. Wenn ihr redet, landet vielleicht Fledermauskot in eurem Mund. Ich kann euch sagen, das schmeckt scheusslich. Ist mir schon passiert.» Dann bugsiert der 25-Jährige das Kanu nur unter Einsatz seiner Hände und Fingern in den mit Meerwasser gefluteten Gang, der immer enger wird. Es riecht nach Salz und Tang. Keuchend zerrt Lock das Boot Zentimeter um Zentimeter unter den scharfkantigen Kalkfelsen hindurch. Dann, endlich, flutet Sonnenlicht durch die Öffnung auf der anderen Seite. Das Wasser unter dem Kiel schillert smaragdfarben.

Für Familien mit kleineren Kindern gut geeignet

Ein Besuch in der Phang-Nga-Bucht, die im Jahre 1981 zum Marine-Nationalpark erklärt wurde, gehört zu den faszinierendsten Tagesausflügen von der thailändischen Insel Phuket. Wie auch diese Tour sind Ferien in Thailand grundsätzlich für Familien mit kleineren Kindern gut geeignet. Der Tourismus ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Thailand. Das Land verfügt über eine gute Infrastruktur mit exzellenten Busverbindungen, die Qualität des Essens ist ausgezeichnet, die Unterkünfte sind günstig. In Phuket gibt es traumhafte Strände, die meist flach ins Meer abfallen und die Insel ist von per Direktflug ab Zürich zu erreichen.

Es gibt ausserdem unzählige Möglichkeiten, mit den Kindern unvergessliche Ausflüge zu machen – eine Bootstour zum Schnorcheln auf die Insel Koh Phi Phi beispielsweise, eine Fahrt zum legendären «James-Bond-Felsen» oder zu einem der vielen Thai-Klöster mit seinen golden glänzenden Tempelanlagen – oder eben die Tour zu den geheimnisvollen Lagunen.

Frühmorgens beginnt ein reges Treiben in der Bucht – für Touristen stehen viele Boote und Kanus bereit.

Jeden Tag brechen frühmorgens etliche Boote auf, um Touristen in die Hongs zu bringen – so heissen die kleinen Lagunen im Inneren der Kalksteininseln. Hunderte dieser teils bizarr geformten Inseln, deren Steilwände meist mit Sträuchern und Bäumen bewachsen sind, liegen in der Bucht, in der in den 1970er-Jahren Teile des Bond-Filmes «Der Mann mit dem goldenen Colt» gedreht wurden. Aber nur ein kleiner Teil davon birgt im Inneren die schwer zugänglichen Lagunen. Einige davon sind gar nicht, andere aber wenigstens bei Ebbe mit flachen Kanus zu erreichen.

Sie sehen ein bisschen aus wie steile Vulkankegel mit einem See am Kraterboden. Einst waren auch sie ganz normale Inseln. Doch bei einigen war der sehr wasserdurchlässige Kreidekalkstein so porös, dass kleinste Steinsegmente bei den heftigen Monsunregenfällen durch kleine Kanälchen im Gestein aus dem Inselinneren hinaus ins Meer getragen wurden. Ein Prozess über Jahrtausende, bis am Ende ein weitgehend runder Rand der Insel übrig blieb und in der Mitte eine Lagune mit kleinen Kanälen entstand, die ins offene Meer führen.

Der Amerikaner John Gray gilt als der Vater der Hong-Touren und ist auch derjenige, der sich ganz bewusst von der Masse der Veranstalter abhebt. Mit mehrtägigen Touren durch die spektakuläre Phang-Nga-Bucht beispielsweise oder mit nächtlichen Fahrten in die Hongs. Da Gray mit seinem grossen Schiff erst dann losfährt, wenn die anderen Boote längst auf dem Heimweg sind, sind die Erlebnisse unvergleichlich intensiver.

Die bizarren Felsen bringen die Kanufahrer ins Staunen.

«Bleibt noch unten», raunt Lock, als das flache Kanu langsam aus dem finsteren Gang ins Licht hinaus gleitet. Doch wir hätten uns ohnehin nicht sofort aufgerichtet. Denn das Innere eines Hongs zu befahren, ist sogar im Liegen ein unglaubliches Naturerlebnis. Es gibt keinen sichtbaren Ausgang, steil ragen die sattgrün bewachsenen Felswände um uns herum nach oben und geben den Blick auf den Himmel frei. Affen klettern verwegen in den Ästen, Vögel zwitschern, umgestürzte Baumriesen unterteilen den von Mangroven durchwachsenen türkisblauen See in verschiedene Bereiche.

«Wenn ihr euch unterhaltet, dann nur flüsternd», rät der Guide: «Versucht, die Geräusche der Natur und manchmal auch nur die Stille auf euch wirken zu lassen.» Und so zeigt Lukas' kleiner Bruder Felix, in der ungewohnt stummen Aufregung eines Sechsjährigen mit zusammengekniffenen Lippen zuerst auf einen schillernden Eisvogel, dann auf einen imposanten Nashornvogel, der auf dem abgestorbenen Ast eines Baumes sitzt. Eine knappe Stunde dauert der Aufenthalt in der Lagune. Dann geht es wieder zurück aufs Schiff.
Dort basteln Kinder und Erwachsene gemeinsam aus einer in Scheiben geschnittenen Bananenpflanze sowie aus Orchideenblüten und Kerzenstumpen schwimmende Lämpchen. Denn der Höhepunkt des Ausflugs steht noch bevor.

Nie gesehener Sternenhimmel

Da nachts die Sinne schärfer sind, paddelt Lock Poramin mit seinen Schützlingen nach Einbruch der Dunkelheit erneut in die Lagune. Im Lichtkegel der Taschenlampe erscheint das schwarze Loch in der Felswand und die knallgelben Boote «schlüpfen» hindurch. Nach erneut knapp zehnminütiger Durchfahrt taucht über der Dunkelheit des Hongs ein spektakulärer, in dieser Intensität nie gesehener Sternenhimmel auf. Die Felswände schimmern ein wenig im schwachen Licht des Mondes, Affen schreien, und man hört einen Vogel davonflattern. Es ist Dschungelatmosphäre pur.

Behutsam setzten die Kinder ihre Lämpchen ins Wasser der Lagune, wo sie langsam davon treiben. Felix lächelt selig und Lukas flüstert: «Das ist das tollste, was wir jemals gemacht haben.» Und als wäre all das noch nicht schon zauberhaft genug, schimmert auch noch das Wasser bläulich bis grünlich, wenn Lock Poramin die Paddel eintaucht. Meeresleuchten nennt man dieses seltene Phänomen. Jetzt muss der junge Thai niemanden mehr zur Ruhe mahnen. Alle schweigen, geniessen, und saugen die Atmosphäre einer ganz aussergewöhnlichen Nacht in der Bucht von Pang Nga auf.