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Mit 14 Alpin Chalets wartet das Panoramahotel Oberjoch auf – vor den umliegenden Allgäugipfeln. Bilder: alpin-chalets.de

Hütten-Romantik mit einem Schuss Luxus

Chaletdörfer in den Alpen locken mit nostalgischem Hütten-Feeling, ohne dass die Gäste auf Luxus und Service eines Tophotels verzichten müssen. Wieso diese widersprüchliche Kombination so gut ankommt.

Jeder Kurve bringt uns höher und näher an unser Ziel, den Alpin Chalets des Panoramahotels Oberjoch.  66 Kurven haben wir zu überwinden, bis wir im höchstgelegenen Bergdorf Deutschlands ankommen. Und dazu stürmt und regnet es, was der Himmel hergibt. Genau das richtige Wetter für eine Auszeit in einem kuscheligen Chalet.

14 niedliche Holzhäuschen für zwei bis vier Personen sind in der Landschaft um einen idyllischen Teich drapiert. Jedes hat sein Gärtchen, einen Sitzplatz, Sonnenliegen und sogar einen Warmwasserzuber. Aber bei diesem Regenwetter gibt es ohnehin keinen Grund, das neugewonnene Glück wieder zu verlassen. Die Chalets und der dazu bestellbare Service sind schliesslich für alle Eventualitäten gerüstet.

Die Receptionistin führt uns zum Chalet Arnika und drückt uns den Schlüssel in die Hand. Wir treten gleich einmal in die Küche ein, wo der Kühlschrank mit herrlichen Köstlichkeiten aus der Region gefüllt ist: Bier, Sprudelwasser, Käse, Wurst und Konfitüre. In der Stube knistert das Cheminée, auf dem Day-Bed liegt ein wärmendes Lammfell und im Weinkühlschrank warten ein paar erlesene Tropfen. Die Häuschen sind grosszügig angelegt, setzen auf einen modernen, aber zurückhaltenden alpinen Chic mit Altholz, Naturstein und handgewebtem Bauernleinen in feinen Naturtönen. Gleich neben dem Schlafzimmer, in dessen Schrank sich übrigens auch noch eine Yoga-Matte samt Übungsanregungen versteckt, liegt das helle Badezimmer mit Dusche und freistehender Wohlfühl-Badewanne. Und dazu die eigene Sauna!

So sieht das Glück von Bergromantik aus – jedenfalls für Städter, die mal eine Auszeit brauchen. Die Hektik bleibt im Tal, der Alltagsstress tröpfelt mit jedem Höhenmeter ab. Chaletdörfer wie in Oberjoch sind äusserst gefragt. Kaum eröffnet kann sich Geschäftsführer Thomas Lerch bereits über eine Auslastung von 80 Prozent freuen, Tendenz steigend. Der Unternehmer ist nicht der Erste, der Hüttenromantik mit Luxus verbindet. Bereits 1995 hat Karl Steiner mit dem «Seinerzeit» in Kärnten diesen Trend ins Rollen gebracht.

Kopie der Bergbauernunterkünfte

Anfangs wurde das Konzept des Quereinsteigers, einem Baumarkt-Tycoon, noch belächelt, später bekam er dafür den österreichischen Staatspreis für Tourismus. Steiner hat ein ganzes Buch über sein Konzept geschrieben («Es werde – aus der Kraft des Geistes»). Er liess auf einem Plateau zwei Dutzend Almhütten erbauen, die sozusagen eine Kopie jener Bergbauernunterkünfte sein sollten, die seinerzeit als Wohnhaus für die Sommermonate gedacht waren: kleine, einfache Hütten mit Stube, Küche und Schlafzimmer. Doch von der Anmutung her so gemütlich und romantisch, dass man sie am liebsten nicht mehr verlassen möchte.

Mittlerweile gibt es besonders in Österreich eine Vielzahl solcher meist über 1000 Meter gelegenen Übernachtungsmöglichkeiten. Allein im Bundesland Salzburg locken rund zwei Dutzend dieser Dörfer Rückzugswillige. Und auch Deutschland zieht immer mehr nach. Selbst die Schlagersängerin Andrea Berg hat sich mit dem «sDörfle» in Aspach in der Nähe von Stuttgart ihren Traum vom kleinen eigenen Dorf erfüllt.

Was steckt hinter dem Bedürfnis, seine Ferien in Alphüttchen zu verbringen? Klar, sie bieten Entschleunigung, Besinnlichkeit, Ruhe, Privatsphäre. «Aber solche Dörfer suggerieren auch die Einfachheit und erfüllen die Sehnsucht nach einer Zeit, als noch alles in Ordnung war», weiss Heinz-Dieter Quack, Leiter der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Salzgitter (D). Dazu hat man das Gute dieser Zeit übernommen: urchige Hütten, gemütliche Stuben und natürlich die Feuerstelle. «Allerdings funktioniert das nur, wenn ein neuzeitlicher Komfort geboten wird», so Tourismus-Experte Quack. Schliesslich will heute trotz aller Einfachheit niemand mehr auf eine Heizung, Warmwasser, Designbäder und eine funktionierende Kaffeemaschine verzichten, erst recht nicht aufs Wifi.

«Eigentlich sind es Luxushotels, nur mit einer anderen Ausrichtung», bilanziert der Tourismus-Fachmann. Denn obwohl man nostalgischen Hüttenflair geniesst, muss man keineswegs auf modernen Luxus und den Service eines Top-Hotels verzichten. So kann man sich auch in Oberjoch das Abendessen oder den Masseur ins Chalet bringen lassen. Auf Wunsch kommt jemand vorbei und wirft die Sauna oder das Cheminée an. Und morgens, wenn man noch selig döst, huscht bereits ein Heinzelmännchen ins Chalet und richtet das tags zuvor bestellte Frühstück mit frischen Brötchen und Croissants, Müesli und Früchten her. Man muss nur noch den Knopf der Kaffeemaschine drücken.

Nun kann man einwerfen, dass diese Verbindung von Einfachheit und Luxus an sich ein Widerspruch ist. Es gehe auch gar nicht darum, bewusst auf Komfort zu verzichten, betont Tourismusfachmann Quack, sondern dass man sich bestimmte Dinge verdient habe. Kein Wunder sind die Gäste meist Menschen, deren Alltag voll durchgetaktet ist, und die eine neue Wertigkeit suchen. «Im Prinzip verkaufen mir solche Dörfer meine eigene Zeit. Und dieser Luxus darf dann auch etwas kosten.»

Meist sind es Paare, die sich für einige hundert Euro pro Nacht ein solches Chalet mieten. Und obwohl vor der Haustür Skipisten oder Wanderwege locken, bleiben sie mehrheitlich drinnen. Denn Privatsphäre ist das A und O dieser Ferienart, auch wenn die Häuschen nur ein paar Meter voneinander entfernt steht. «Man will zwar unter Seinesgleichen sein, aber trotzdem keinen intensiven Kontakt pflegen.» Als Luxus nach Innen versteht Heinz-Dieter Quack diese Art von Urlaubserlebnis.

Erstaunlich nur, dass die Schweiz bisher diesen Trend noch nicht aufgenommen hat. Das Guarda Val in Lenzerheide-Sporz kommt diesem Alphütten-Feeling noch am nächsten. Das Maiensäss-Hotel ist allerdings kein Chaletdorf, das auf dem Reissbrett entstand, sondern besteht aus elf bis zu 300 Jahre alte Hütten und Ställen. Bauten in diese Richtung seien laut Andreas Züllig, Präsident von Hotellerie Suisse, derzeit nicht bekannt. Dabei wäre durchaus eine Zielgruppe vorhanden.

Links zu den Chaletdörfern:

(SC)