Here & There

Bildergalerie
5 Bilder
Ruby (42), etwa rundlich, die Gänge schon steif – aber bereit für den Wild Atlantic Way. Bilder: Christian Bauer

Schwärmende Blicke und blökende Schafe

Christian Bauer, Tasari Atelier

Mit einem VW Bulli auf der längsten Küstenstrasse der Welt, dem Wild Atlantic Way im Westen Irlands. Eine Besuch bei Feen, Exzentrikern und dramatischen Landschaften.

Nichts lässt Frauenherzen schneller erweichen, als die treuen Augen eines Hundes – dachte ich immer. Doch nun habe ich die ultimative Flirt-Hilfe gefunden: Die herzerweichende Scheinwerferaugen von Ruby, dem Retro-VW Camper.

Ruby ist 42, etwas rundlich, die Gänge etwas steif, – aber an Charme ist sie nicht zu überbieten. Auf unserer Tour entlang des Wild Atlantic Way an der Westküste Irlands hat Ruby mir Türen und Herzen geöffnet, Bewunderer haben sie gestreichelt, sie fotografiert und mich in Gespräche verwickelt. Schon an der ersten Mautstation auf der M6 von Dublin nach Westen ging es los: »Der ist ja cool!« Lynn ist etwa halb so alt wie Ruby und himmelt uns an. «Ach, ich würde so gerne mitkommen!» Wow!

Ruby ist ein Bulli der Generation T2, die von 1967 bis 1979 gebaut wurden. Der Männer- und Frauenschwarm hat das Nötigste, was es für das ultimative Freiheitsfeeling braucht: eine Kochecke, eine Spüle, einen Stromanschluss und ein Doppelbett. In meinem iPod suche ich den passendsten Hit aus Rubys Geburtsjahr 1975: Joe Cockers «You are so beautiful». Oh ja, Ruby ist eine Schönheit.

Der Wild Atlantic Way ist die längste Küstenstrasse der Welt (so jedenfalls lautet der Slogan des irischen Tourismusverbands): 2500 Kilometer von Kinsale im Süden bis Malin Head im Norden. Am Weg liegt die gesamte Schönheit Irlands, die Panoramastrasse «Ring of Kerry», die mystische Klosterinsel Skelling Michael, die lebendige Studentenstadt Galway, die Moorlandschaft von Connemara und die Weltklasse Surfspots von Donegal. Und natürlich gefühlte 1000 Pubs und eine Million Schafe, die urplötzlich hinter der Kurve auf der Strasse stehen. Die Landschaft ist zu schön und die Begegnungen zu herzlich, als dass man den gesamten Wild Atlantic Way in einer Ferienreise abfahren sollte. Ruby und ich tuckern gemächlich in einer Woche durch die Provinzen Clare und Galway.

Unsere erste Nacht verbringen wir an den Cliffs of Moher. Bei Sonnenuntergang haben sich an Irlands Top-Touristenattraktion nur ein paar enthusiastische Fotografen versammelt – ansonsten blöken ein paar Schafe und kreischen Möwen um die 200 Meter hohen Klippen. Der Anblick der roten Klippen im Licht des Sonnenuntergangs ist herrlich. Ebenso, wie der Blick aus der Frontscheibe beim Aufwachen: grüne Wiese, Steinmäuerchen, Kühe, blaues Meer.

Ein Land vollen Feen – und herzensguter Menschen

Unweit von den Klippen liegt das kleine Dörfchen Lisdoonvarna. Die Roadside Tavern ist das berühmteste Pub der Gegend. Besitzer Peter Curtin braut nicht nur sein eigenes Bier und betreibt mit seiner Frau Brigitta eine Lachsräucherei, er ist auch Vorsitzender der Burren Tolkien Society. Der sympathische Exzentriker behauptet, in der unwirklichen Karstlandschaft «The Burren» habe J.R.R. Tolkien die Inspirationen für seine Trilogie «Herr der Ringe» gefunden.

Als Beweis zeigt er mir eine Höhle mit dem bezeichnenden Namen «Poll na Gollum». Könnte stimmen: wenn man über die mondähnliche Landschaft wandert scheinen Hobbits, Elfen und Zaubrer hinter jedem Stein zu lauern. Das Land hat eine mystische Kraft. Kein Wunder, ist der Glaube an Feen und sonstigen Fabelwesen hier noch lebendig. Wanderführer Tony Killby, mit dem ich durch die Burren streife, zeigt auf einen Weissdornbaum.

«Man sagt, dort wohnt eine Gruppe Feen.»

«Glaubst du daran?», will ich wissen.

«Nun, ich würde jedenfalls keinen Weisdorn fällen!», grinst er.

Ein Hang zum Aberglaube ist in der irischen Seele tief verwurzelt. Allenthalben findet man wundersame Quellen und Bäume mit heilenden Kräften. So funktionierts: Ein Streifen seines Hemdes anbinden, warten bis der Stoff verrottet, Krankheit geheilt. Ich sollte auch ein Stück Ruby an einen Wunderbaum binden. Ihre Krankheit ist das Kuppeln. Die Gänge liegen nur Millimeter nebeneinander. Vom dritten rutsche ich immer in den Rückwärtsgang, was mir der Verkehr im Rücken recht übelnimmt.

Was solls, wir tuckern glücklich unseren Wege bis nach Clifden, der Hauptstadt der Provinz Connemara. Auf dem Aussichtspunkt der Rundstrasse Sky Road geniessen wir den Blick auf das Meer und die Inseln. Hier bekommen wir dann nochmals eine Lektion in Meteorologie. Das berüchtigte Wetter Irlands scheint bei Modelcoach Bruce Darnell in die Lehre gegangen zu sein: «Drama Baby, Drama!». Weisse, grau-blaue und schwarze Wolken flitzen gleichzeitig über den blauen Himmel. Mal bricht die Sonne durch, dann regnet es ohne Vorwarnung in Strömen. «If you dont like the waether in Ireland, just wait a few minutes.» Wenn Du Irlands Wetter nicht magst, warte einfach ein paar Minuten. Wie wahr!

Zu schnell ist es Zeit für die Rückreise. Beim Abschied sehe ich Tränen in Rubys Scheinwerferaugen – oder haben mir da die Feen einen Streich gespielt?

Das sollten Sie nicht verpassen

Die Gourmet-Hauptstadt

Am südlichsten Punkt des Wild Atlantic Way liegt das kleine Städtchen Kinsale, das wegen seiner vielen kreativen Restaurants zur Gourmet-Hauptstadt der Insel wurde. Beim Schlendern durch die engen Gassen und entlang des schönen Hafens fällt die Wahl des Restaurants nicht leicht. Lecker irisch isst man in Finn’s Table. http://finnstable.com

Reiten am Strand

An verschiedenen Orten kann man einen Ausflug hoch zu Ross am Strand machen. Bei Glenbeigh am Ring of Kerry liegt die 7 Kilometer lange Rossbeigh Beach – ein Traum für Pferd und Reiter! Spektakulär sind auch die Ausritte in Grange im County Sligo, wo es bei Ebbe zum Inselhopping geht. www.beachtrek.iewww.islandviewridingstables.com

Traditionelle Musik

Zu einem Pubbesuch gehört in Irland traditionelle Musik. Meistens besteht die kleine Band aus Violine, Akkordeon, einer Tin Whistle einer Holzquerflöte und der typischen Trommel Bodhrán. Besonders schön ist eine Session, wenn Gäste ihre Instrumente mitbringen und gemeinsam spielen. Wo? Auf der gesamten Strecke, einfach in den Orten nachfragen.

Lachs, der auf der Zunge zergeht

Das Burren Smokehouse in Lisdoonvarna wurde 2013 in den Himmel Englischer Gourmetprodukte aufgenommen: der geräucherte Lachs im Seegras-Mantel wurde zu den besten 50 Produkten Grossbritanniens gewählt. Sogar die Queen schwört auf den irischen Lachs. Bei einem Besuch im Visitor Centre kann man die Köstlichkeiten degustieren.

Falkner für einen Tag

Bei den Ailwee Caves in Ballyvaughan im County Clare kann man einen Falkner-Crashkurs machen. Bei einer Tour lernt man die grundlegenden Handgriffe im Umgang mit einem Wüstenbussard. Zudem gibt es Vorführungen mit Habichten, Geiern und Falken. Toll für Kinder. www.aillweecave.ie

Golfen gegen den Wind

Der Golfplatz am Rosses Point bei Sligo gilt als einer der schönsten Plätze Irlands. Mit Blick auf den Berg Benbullen, den Atlantischen Ozean und dem böigen Westwind wird es gar nicht so leicht, sein Handicap zu verbessern. www.countysligogolfclub.ie