On The Move

Bildergalerie
10 Bilder
Biker mit den Velos von Capital Bikeshare entspannen am Gezeitenbecken. Bilder: TN

Per Velo ins Herz der politischen Macht

Jean-Claude Raemy

Washington D.C. eignet sich ideal dafür, gemächlich entdeckt zu werden.

Die grösste amerikanische Incoming-Messe IPW findet dieses Jahr in Washington D.C. statt. Man glaubt es kaum, aber die US-Hauptstadt ist erstmals Austragungsort des IPW, der 2017 doch zum bereits 49. Mal stattfindet. Travelnews.ch ist natürlich vor Ort – und hat sich die «Capital City» per Velo angesehen.

Vorauszuschicken ist, dass sich die US-Hauptstadt vorzüglich dazu eignet, auf zwei Rädern entdeckt zu werden. Extensive Parks, im Zentrum und entlang dem Potomac River, zahlreiche autofreie Zonen und ein wachsendes Netz von Radwegen laden Einheimische wie Besucher ein, das Velo zu nehmen. Wegen der notorisch verstopften Strassen greifen immer mehr Einheimische zu dieser gesunden und umweltfreundlichen Fortbewegungsmethode; 2016 wurde Washington DC zum dritten Mal in Folge vom American College of Sports Medicine zur «fittest American city» gekürt. Doch auch viele Besucher nutzen beispielsweise das «Capital Bikeshare»-Programm – ein simples Velovermietungs-System mit Abhol- und Rückgabeorten in der ganzen Stadt. Für 30 Minuten ist die Benutzung übrigens kostenlos!

Gemächlich zu den weissen Monumenten

Ich habe mich allerdings für ein geführtes Programm entschieden. Die «Monuments Bike Tour» von Anbieter «Bike & Roll DC» dauert drei Stunden und führt an den wichtigsten und bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei, welche hauptsächlich an der National Mall und beim gleich daneben liegenden Gezeitenbassin des Potomac zu finden sind. Gross trainiert muss man nicht sein: Die Stadt ist flach und es werden lediglich etwa zehn Kilometer geradelt, da man immer wieder Foto- und Erklärungsstopps einlegt und Zeit erhält, die Monumente auch auf eigene Faust zu erkunden. Bei den Velos handelt es sich um moderne 10-Gänger, aber nicht um Hybridvelos mit elektrischem Antrieb – man will ja etwas fit werden bei dieser Tour! Die Tour kostet übrigens 40 Dollar für Erwachsene und 30 Dollar für Kinder unter 12.

Wie es in den USA eben ist, wird vor Tourbeginn ein «Waiver» ausgefüllt, also eine Unfallhaft-Entbindung des Anbieters, und der Velohelm ist obligatorisch. Die Tour beginnt an der Ecke 9th & 10th Street, beim L’Enfant Plaza, wo das neue Spy Museum gerade in Entstehung ist. Das ist nur zwei Blocks von der National Mall entfernt. OK, Zeit zu erklären, was die National Mall ist: Es handelt sich um einen Nationalpark, oder einfacher: Eine Parkanlage, welche quasi ein Kreuz darstellt – ganz im Osten das US-Kapitol, dann eine grüne Fläche, die sich westwärts bis zum Washington Monument hinzieht, von dort aus weiter westlich entlang dem «Reflecting Pool» bis zum Lincoln Monument. Nördlich des Washington Monument, am Rande der National Mall, befindet sich das Weisse Haus; in südlicher Richtung  das Gezeitenbassin des Potomac, wo sich unter anderem das Thomas Jefferson Memorial und das relativ neue Martin Luther King Memorial befinden.

Entlang der National Mall findet man darüber hinaus die berühmten, kostenlosen Smithsonian-Museen (National Air & Space Museum, National Gallery of Art, Museum of Natural History und mehr) sowie diverse administrative Gebäude, etwa das Deprtment of Commerce oder das Department of Justice. Ebenfall eindrücklich: Das Vietnam Veterans Memorial, das Korean War Memorial und das World War II Memorial. Die Anzahl Veteranen oder deren Familienmitglieder,die hier zu Besuch sind, ist eindrücklich. Die National Mall ist dermassen bekannt, aus Nachrichten und Hollywood-Filmen, dass sie einem auf Anhieb vertraut vorkommt – und doch gibt es so viel zu entdecken.

Am Wochenende ist die Verkehrslage relativ ruhig, so dass es ganz entspannt durch die Mall geht. Auf den dortigen Wegen haben Fussgänger grundsätzlich Vortritt, man kommt aber problemlos aneinander vorbei. Die Velofahrer halten sich auch an die Verkehrsregeln – nicht nur auf geführten Touren, sondern generell, diesen Eindruck habe ich zumindest.

Die Tour macht Lust auf mehr

Entlang der Tour erfährt man viel Wissenswertes zur Geschichte der US-Hauptstadt, und die weissen Marmorgebäude vom Lincoln Memorial über das 162 Meter hohe Washington Memorial bis hin zu den Eichhörnchen entlang der ganzen Strecke sorgen für tolle Fotosujets. Vor dem Weissen Haus und auf dem Rasen der National Mall treffen wir auf ganze Protestgruppen mit Tafeln, welche Präsident Donald Trump scharf kritisieren. Impressionen gibt es zuhauf: Die Enten am Reflecting Pool. Die wehenden Fahnen am Washington Monument. Die Blumenkränze an den eindrücklichen Kriegs-Memorials. Das Wetter spielt mit, es herrschen Sonnenschein und angenehme 28 Grad.

Nach Abschluss der Tour hat man unweigerlich Lust auf mehr. Die National Mall ist sozusagen das Einsteigerprogramm gewesen. Ich nehme mir vor, am nächsten Tag auf eigene Faust mit einem Bikeshare-Velo etwas weiter vom Zentrum entfernte Viertel wie Georgetown oder das Trendviertel Adams Morgan zu besuchen. Wer weiss, vielleicht reicht es auch noch für einen Abstecher über den Potomac hinüber nach Virginia, wo der Arlington Military Cemetery (mit dem Grab von John Fitzgerald Kennedy) oder das Pentagon locken.