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In Havanna ist doch noch ein Zimmer frei

Maggie Riepl

Die Hotels in Kubas Hauptstadt sind sehr teuer geworden, die Zimmer sind knapp. Eine Alternative sind Privatunterkünfte.

Ein 17-stöckiges Hochhaus an der Avenida 23 im angesagten Vedado-Viertel von Havanna: Im 12. Stock liegt die Wohnung von Magali Padron Gonzales. «Bienvenido» begrüsst mich die Besitzerin und drückt mir einen dicken Schlüsselbund in die Hand. Einen für die Haustür unten, zwei für die Haustüren oben und einen für mein Zimmer, zwei weitere für den Hintereingang.

Das Wohnzimmer ist gut 50 Quadratmeter gross, modern eingerichtet mit grossen abstrakten Bildern an den Wänden. «Venga» lotst mich die gepflegte Signora mit den Goldkettchen weiter. Am Ende des Flurs liegt mein Zimmer, ausgestattet mit einem grossen Doppelbett, Einbauschrank, Kofferablage, Klimaanlage und einem fantastischen Ausblick auf das bunte, aber bröckelnde Häusermeer von Havanna. Ein eigenes Bad in Meerblau gibt es auch.

Die 72-Jährige vermietet noch ein weiteres Zimmer, sie selbst wohnt im kleinsten der Fünfzimmerwohnung. Diese hatte sie nach der Scheidung erworben, als das gemeinsame Haus verkauft wurde. Doch die Kinder sind längst aus dem Haus. Für sie allein ist die Wohnung zu gross, und ausserdem: Ein angenehmes Leben auf Kuba ist teuer, und wer sich etwas leisten will, der verdient sich durch ausländische Gäste gern etwas dazu.

Mit etwa 55 Euro pro Tag inklusive Frühstück ist das Casa Magali für kubanische Verhältnisse nicht billig, aber verglichen mit Hotelpreisen von bis zu 300 Euro doch günstig. Ausserdem ist es gut ausgestattet. Die Dame des Hauses kann sich sogar eine Angestellte leisten, die putzt und das Frühstück zubereitet. Mecy strahlt wie der Sonnenschein draussen und fragt, was man morgens essen möchte. Wer kein Spanisch spricht, der muss sich mit Händen und Füssen verständigen. Die junge Kubanerin bringt schliesslich einen Teller kleingeschnittener Papayas und Bananen, einen leckeren Guavenshake, Spiegelei, Toast und Kaffee.

Mit Familienanschluss, ob man will oder nicht

Nicht bei allen Casas geht es so fürstlich zu. Manche Anbieter servieren gar kein Frühstück, andere Wohnungen haben nur Kaltwasser oder Gemeinschaftsduschen. Manche bieten auch Familienanschluss, ob man will oder nicht. Die 27-jährige Laura Kopp aus Köln ist für 35 Euro die Nacht bei dem älteren Ehepaar Silvia und Delfin untergekommen – in einer vollgestellten Wohnung mit Schaukelstühlen, Spitzendeckchen und viel Herzlichkeit.

Sie wird umsorgt wie eine Enkeltochter. Das alte Paar fragt stets, wo die junge Frau hingeht, wann sie nachhause kommt. Und sie soll doch bitte nachts mit dem Taxi kommen und nicht zu Fuss laufen – obwohl die gutbürgerliche Gegend als sehr sicher gilt. Die ehemalige Telefonistin und der Ex-Lkw-Fahrer sprechen kein Englisch. Doch man versteht sich irgendwie. Silvia und Delfin vermieten seit drei Jahren, um etwas zur Rente dazu zu verdienen. Ihre Gäste kommen aus aller Welt. Die Ruhigen sind ihnen die liebsten. Randale und Partypeople wollen die wenigsten Privatvermieter. Magali nimmt am liebsten Paare, alleinstehende Männer weniger und schon gar keine Mexikaner, die seien ihr zu «Macho».

Im Haus gegenüber vermieten Guillerma und ihr Mann Roberto bereits seit 23 Jahren. Stolz zeigt die energische 80-Jährige die grosse, etwas altmodisch eingerichtete Wohnung und ihren ganzen Stolz, eine riesige Terrasse, vor. Dass sich in Kuba bald einiges ändert, daran glauben sie nicht. Die Panik haben nur die Europäer, meint auch Jorge, der seit Jahren als Guide arbeitet. Auch wenn die Kubaner arm sind, es wenig Abwechslung bei Lebensmittel gibt, man überall Schlange stehen muss, die Leichtigkeit und das unbeschwerte Lebensgefühl lassen sie sich nicht nehmen.

Viva la vida – man feiert das Leben, geniesst die Sonne, das Meer, die Musik. «Wir sind arm, aber glücklich und der Spirit der Kubaner ist einmalig», sagt auch Sängerin Daymé Arecona, aufgehender Star am kubanischen Jazzhimmel. Sie befürchtet nur eins: dass die Amerikaner kommen, «denn die denken nur ans Geld». Dann würde viel vom bisherigen Lebensgefühl verloren gehen.

Panoramablick über Havanna

Die 2,2 Millionen-Einwohner-Metropole Havanna am Golf von Mexiko ist faszinierend. Als einstige Perle der Karibik ist sie heute eher eine Grande Dame von verblassender Schönheit. Der Charme der kolonialen Pracht trifft auf heruntergekommene Villen und kaputte Strassen, auf denen knallbunte aufpolierte Strassenkreuzer aus den 1950er-Jahren rollen. Man findet grossartige Plätze, monumentale Denkmäler neben sozialistischen Parolen. Und immer wieder erblickt man überlebensgrosse Bilder von Che Guevara und Fidel Castro.

Vor allem aber staunt man über die kreative Kunstszene. Es gibt zahlreiche Galerien, auch der Schauspielstar Jorge Perugorria führt eine mit seinem Sohn im Isidro-Viertel. In hippen Clubs wie dem Sara's spielen angesagte Bands wie QVA libre, die Pop mit kubanischen Rhythmen mischen. Gute Stimmung ist im Corner Café, vor allem wenn Daymé Arocena auftritt. Wie viele Künstler wird die winzige 24-Jährige mit der Riesenstimme von Havanna Club gefördert. Die bekannte Rumfirma mit eigenem Museum hat seit etlichen Jahren ein umfangreiches Kulturprogramm zur Unterstützung kubanischer Kreativer aufgelegt.

Die interessanteste Entdeckung ist die kürzlich eröffnete Fabrica de Arte Cubano. Eine verrückte Mischung aus Bar, Disco, Galerie, Club und Kino auf etlichen Etagen in einer ehemaligen Fabrik. Man steht zwar am Eingang Schlange, aber das ist man auf Kuba gewöhnt. Die Cocktails sind mit gut zwei Euro jedenfalls günstig. Dafür kann man sich den Daiquiri im Café Floredita sparen. Die einstige Stammkneipe Hemingways, wo er als bronzene Statue am Tresen verewigt ist, ist heute nur noch ein übervoller Touristenschuppen.

Viel angenehmer sitzt man nach einem Altstadtbesuch oder einem abendlichen Spaziergang auf der Strandpromenade Malecon in der Rooftopbar eines heruntergekommenen Palazzos aus dem frühen 20. Jahrhundert. Das dortige Restaurant La Guarida ist ein Paladares, ein privat geführtes Restaurant und bietet hervorragendes Essen und Service. 1993 wurde dort der oscarprämierte Film «Erdbeer und Schokolade» gedreht. Heute kann man auf der Dachterrasse preisgekrönte Havanna Club Cocktails wie Rosa bianca geniessen – und vor allem das grossartige Panorama des nächtlichen Havannas.