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Mail aus... Otranto, wo man sich nicht sattsehen kann

Cornelia Stauffer

Nach ihrem Studium der Kunstgeschichte und einer Zeichenlehrerausbildung entdeckte die Bernerin ihre Liebe zu Italien. Heute lebt und arbeitet Cornelia Stauffer in Rom. Seit 30 Jahren ist sie auch für Baumeler Reisen tätig und leitet die Malferien in Apulien.

Alle lieben Licht und Wärme. Ich ganz sicher! Es waren angenehme 12 Grad im Dezember, als ich nach dem Studium in Luzern zum ersten Mal in Rom ankam. Während vieler Reisen im Stiefelland begeisterte mich der Reichtum seiner Geschichte: Grossgriechenland, Etrurien, römisches Reich, sagenhaftes Mittelalter, wegweisende Renaissance, kraftvoller Barock… und was mich jetzt besonders interessiert, zeitgenössische Kunst, italienisches Design und moderne Architektur.

Auch heute staune ich noch, wenn ich durch die Gassen von Rom spaziere. Da existiert eine ganze Stadt unter meinen Füssen! Die Ruinen sind wie Spitzen der Eisberge, die uns ahnen lassen, welche Schätze uns da unten verborgen bleiben. Und das nicht nur in Rom, sondern in den meisten italienischen Städten. Ich habe noch längst nicht alles entdeckt, die Archäologen ebenso wenig! So nahe, auf europäischem Boden, und immer noch so geheimnisvoll.

Besuch der Ruinen von Lecce. Bilder: Cornelia Stauffer

Ma guarda! In den Augen der Italienerinnen und Italiener sehe ich diese grossartige Vergangenheit… ich sah sie auch in den dunklen Augen meines Mannes. So bin ich also aus verschiedenen Gründen in Rom geblieben... und habe es nie bereut! Herzlichkeit und Gastfreundschaft sind sehr wichtig. Das gilt im Norden und im Süden und ganz besonders in Apulien, wo ich im malerischen Kleinstädtchen Otranto die Baumeler-Malferien leite.

Wir sind nicht Touristen, sondern Gäste. Hier in Apulien finde ich ein Interesse am Andern, das nie aufdringlich ist, sondern heiter und leicht. Dies hat bestimmt mit den vielen Hochkulturen zu tun, die in dieser Gegend ansässig waren. Nicht sattsehen kann man sich an den so unterschiedlichen Pflanzenfamilien, ihren Formen und Farben, den unzähligen Grüntönen selbst im Winter. Grosse Olivenbäume zahlreicher Sorten bereichern mit ihren Früchten unsere Picknicks. Dazu geniessen wir Käse und Salamis, würziges Brot — auch dies nicht selten mit Oliven drin, mitsamt den Kernen, attenzione! — und natürlich einheimischen Wein. Alles passt wunderbar, selbst die ortsübliche Siesta danach.

Trotz der Ruhepause am Mittag empfinde ich die Tage als länger. Vielleicht sind ja deshalb die meisten Italienerinnen und Italiener so gelassen, nehmen sich Zeit. Dies hat auf mich abgefärbt. Viel gibt mir das Gefühl, nie weit weg vom Meer entfernt zu sein, das mit seinen stillen Gesichtern immer wieder anders ist. Absitzen, verweilen und dem Wellenschlag zuhören.

Eine andere Dimension spüren wir auch, wenn wir dem Olivenbauer Gaetano lauschen, wenn er den Prozess der Ölproduktion erklärt. Che passione! Fein fruchtig riechts, und ich esse viel zu viel Brot! Dann Arrivederci! Das Sich-verabschieden ist ein Ritual. In mehreren Anläufen trennt man sich, man weiss ja nicht, wann man sich wieder treffen wird. Auch mir fällt es jedes Mal schwer, mich von unseren Reisegästen zu trennen. Aber viele kehren zurück, um neue Geschichten zu entdecken und neue Bilder entstehen zu lassen. Ecco, ich hoffe, Sie bald in Italien kennenlernen zu dürfen!