Trips & Travellers

Wie lebt es sich wohl in dieser so unwirtlich wirkenden Bergwelt? Eindrücke aus der Umgebung von Cusco. Alle Bilder: PERUline

Die Reise ins Heilige Tal bei Cusco

Ulrike Falk-Neubert

Ulrike Falk-Neubert vom Südamerika-Spezialisten PERUline bereiste im Mai 2022 Peru. Das sind ihre Eindrücke und Impressionen.

Die Landung in Cusco ist bereits atemberaubend. Etwa 20 Minuten vorher bestaune ich die zackige Bergwelt unter mir, schneebedeckte Gipfel überall, tiefe Täler, teilweise minikleine Ansammlungen - wie kommt man dorthin, frage ich mich? - einige Bergseen sind zu sehen. Wie lebt es sich wohl in dieser so unwirtlich wirkenden Bergwelt? Das Flugzeug verliert an Höhe und schon scheint es fast die Bergausläufer mit der Tragfläche zu streifen, dann ein Häusermeer, die Landung in Cusco ist geschafft.

Kein Wunder, dass ein neuer Flughafen ausserhalb der Stadt gebaut wird. Das wird wohl aber noch so einige Jahre dauern. Für das übliche Touristenaufkommen hier muss der jetzige provinziell wirkende Flughafen doch eigentlich längst aus allen Nähten platzen. Aber heute ist nicht viel los. Ich fliege nur mit Handgepäck, da es nur ein Kurztrip ist, so bin ich schnell draussen und werde herzlich in Empfang genommen.

Strahlend blauer Himmel, die Luft ist trocken und dünn, aber das merke ich im ersten Moment noch nicht. Heute stehen als erstes einige Hotelbesuche in Cusco an. Wie haben diese die fast 2-jährige Pause aufgrund der Corona Pandemie überstanden, sind alle schon wieder 100% funktionell?

Kuppeln, Kirchtürme und rote Ziegeldächer prägen die «Skyline Cuscos».

Ich schaue mir zunächst einige kleinere Hotels an, landestypisch, mittlere Kategorie, gut gelegen. Ich bin positiv überrascht. Alle Hotels auf meiner Liste sind bereits schon wieder ganz gut gebucht. Sicherlich noch lange nicht wie «Vor-Corona», aber es herrscht schon wieder reges Treiben, wie eigentlich überall in der Stadt. Das tut gut!

Einige überzeugen mit einer schönen Dachterrasse mit Blick über die «Skyline Cuscos», die da wäre: Kuppeln, Kirchtürme und rote Ziegeldächer. Andere haben gemütliche Patios, mit Cafeteria, kleinen Gärten oder auch Feuerstellen für ein abendliches offenes Kaminfeuer, denn es wird kalt am Abend in Cusco, auf knapp 3400 Metern Höhe.

Fahrt ins Heilige Tal

Nach gut einem halben Tag verlasse ich die Stadt in Richtung Heiliges Tal, denn mein eigentliches Reiseziel dieses Mal ist das Heilige Tal. Meiner Meinung nach ist es viel zu schade, diese faszinierende Landschaft, sowohl kulturell als auch topografisch, nur als «niedrigere» (niedrig im Sinne von weniger hoch gelegen) Übernachtungsmöglichkeit auf dem Weg nach Machu Picchu zu nutzen. Das Heilige Tal bietet mehr, das weiss ich und ich möchte es in den nächsten Tagen ein wenig erkunden.

Oberhalb Cuscos an der gewaltigen Anlage von Sacsayhuaman vorbei, machen wir einen ersten Halt. Das Projekt, «Manos de la Comunidad», welches für die Gleichstellung der Frau eintritt und sich gegen jegliche Art der Gewalt gegen Frauen stark macht sowie alleinerziehende Frauen unterstützt, bietet sehr hochwertige Textilien an. Wer also etwas feinere Web- oder Strickwaren als Andenken mit nach Hause nehmen möchte, sollte hier einen Halt einlegen. Besonders interessant ist aber, dass Sie hier mit den vier Lama Arten, die es in Südamerika gibt und deren Unterarten, auf Tuchfühlung gehen können. Mit einem Büschel Paramogras in der Hand gehe ich also von Gehege zu Gehege und füttere Lamas, Alpacas, Guanacos und sogar die Vicuñas, die hier leben. Toll, ein richtiger Kuschelzoo.

Vicuñas haben die zweit-teuerste und somit die qualitativ zweitbeste Wolle der Welt!! Die Tiere leben für gewöhnlich in den hohen Anden in Gruppen und sind sehr scheu, im Gegensatz zu ihren Artgenossen, den Lamas und Alpacas, die domestiziert sind und als Nutztiere gehalten werden. Später im Laden einen Schal aus Vicuña Wolle in der Hand zu halten, ist schon etwas Besonderes. Preis USD 800 – 1000. Wollerzeugung, natürliches Färben der Wolle und das Verweben derselben werden hier anschaulich erklärt.

Der Urubamba fliesst durch das Heilige Tal.

Dann fällt die Strasse ab und nach kurzer Zeit schon bieten sich gewaltige Ausblicke auf das Heilige Tal. Der Fluss Urubamba schlängelt sich kilometerweit hindurch. Bergriesen links und rechts.

Pisaq eine kleine Gemeinde, ursprünglich bekannt für sein buntes Marktleben auf dem Dorfplatz vor der schönen weiss getünchten Kirche, hält noch eine Überraschung bereit. Der Dorfplatz wird gerade restauriert, aber wir halten im kleinen Restaurant Pumacha Yok.

Hier kann man sehen, wie die typischen Empanadas (Teigtaschen) hergestellt werden im riesigen Ofen. Es gibt die verschiedensten Füllungen und wohl auch immer wieder neue Sorten, wie die Dame des Hauses uns stolz berichtet. Köstlich ihre Teigtaschen, einfach nur lecker und fast noch besser: dazu die Chicha Morada ein sehr erfrischendes Getränk aus violettem Mais hergestellt.

Dann fahren wir noch gut 45 Minuten weiter durch viele Strassendörfer zu meiner heutigen Unterkunft. Es heisst also erst einmal nur entspannt zurücklegen und das Leben aussen an sich vorbeiziehen lassen, viele Eindrücke bleiben haften: unzählige 3-Rad-Taxen, irgendwo muss ein «Nest» davon sein. Strassenverkäufer, Cuy-Grills (Meerschweinchen werden hier gegessen und sind eine Delikatesse). Es dämmert langsam als wir im Hotel ankommen.

Eigentlich bin ich schon zu müde, um überhaupt noch etwas essen zu gehen, aber die so gelobte peruanische Küche lockt mich dann doch noch einmal ins Restaurant. Es lohnt sich, alles sehr lecker und frisch. Die Höhe, die Sonne, die trockene Luft, das Autofahren, der Flug am Morgen von Lima ist alles nicht spurlos an mir vorübergegangen. Morgen ist ein neuer Tag.

Wanderung Huchuycosco

… und was für einer. Ich fühle mich erstaunlich fit, die Nacht tat gut. Eine Wanderung steht auf dem Programm. Ich werde früh morgens von meiner heutigen Begleitung abgeholt, eine sehr nette junge Reiseleiterin, genauso Natur- und Wanderbegeistert wie ich. Uns geht der Gesprächsstoff über die gemeinsamen Stunden heute nicht aus. Der Anfangspunkt unserer Wanderung nach Huchuycosco (Kleines Cusco) liegt «hinter» den Bergen und zu meinem Erstaunen beginnt die Tour auf 3.800m Höhe und geht zunächst strikt bergauf. Die erste halbe Stunde der Wanderung sage ich mir so einige Male, dass ich mich hier wohl doch verschätzt habe, ein Tag mehr warten, wäre durchaus besser gewesen und mein Körper hätte sich der Höhe besser anpassen können. Das Herz pocht im Hals und eigentlich überall, das Atmen fällt schwer. Pausen nach wenigen Schritten tun sehr gut und so bringt mich meine erfahrene Wanderführerin auch langsam, aber stetig und sicher nach oben.

Und das hat sich gelohnt, ein schier unfassbar schöner Ausblick bei erneut strahlend blauem Himmel. Mir wird versprochen, dass es ab jetzt nur noch eben und bergab geht und so war es dann auch. Aber alles andere als eintönig. Die gesamten etwa 3 Stunden Fussweg bis zu den Ruinen werden von tollen Ausblicken begleitet, nach jedem weiteren Bergkamm, ändert sich die Szenerie. Andere Wanderer oder Touristen sehen wir nicht.

Eine Indigena, die Ihre Schafe hier oben hütet, begegnet uns. Sie tauscht sich mit meiner Begleitung auf Quechua aus. Das klingt interessant, ich verstehe kein Wort, lache aber immer höflich mit, wenn gelacht wird. Wir verabschieden uns und ziehen weiter.

Vom anfänglichen Paramogras wird es etwas grüner und die Vegetation abwechslungsreicher. Zu dieser Jahreszeit gibt es viele Blumen hier oben. Dann kommen wir zunächst an ein verlassenes Dorf, der Weg wird schmaler und schon gehen wir eine enge Schlucht entlang, Wasser strömt neben uns den Berg hinunter. Es ist traumhaft. Noch ein paar Biegungen weiter und wir haben den Blick auf die Ruinenanlage Huchuycosco. Auch hier kein Mensch.

Wer kommt auch schon hierhin? Entweder man geht einen steilen Schlangenlinien Weg vom Tal hinauf und später wieder hinab oder man läuft wie wir, ca. 3 Stunden durch die Bergwelt, eine Fahrstrasse gibt es hier nicht. Wir machen Mittagspause und wie bei jeder guten Wanderung, ist das Essen, das leckerste, was man sich denken kann. Aus dem relativ kleinen Rucksack zaubert meine Begleitung eine schmackhafte Kürbissuppe, Coca-Tee, leckere Sandwiches mit geräucherter Forelle, Obst und einiges Leckeres mehr.

Anschliessend schlendern wir durch die Ruinenanlage, mir wird noch so einiges dazu erklärt und nun treten wir den Abstieg an, ca. 30 Minuten in Serpentinen hinab, wo uns das Fahrzeug erwartet und zurückbringt. Ein phantastischer Tag.

Im heutigen Hotel findet abends eine Hochzeitsfeiert statt. Sehr interessant, die Mischung aus geladenen Gästen, entsprechende Kleidung, Musikauswahl, aber allesamt haben ganz offensichtlich richtig viel Spass am Feiern.

Gemeinde Projekte

Und schon starten wir in den nächsten ereignisreichen Tag: Den Vormittag verbringen wir am See Piuray. Hier in der Nähe werden wir eingeführt in die harte Feldarbeit des Pflügens mit einem Ochsengespann. Was so «romantisch» aussieht und ohne Frage ein tolles Fotomotiv ist, ist knallharte Arbeit für Mensch und Tier.

Wir holen die Ochsen und spannen an, nicht ohne vorab ein Ritual für «Pachamama», Mutter Erde, mit Hilfe einiger Coca-Blätter durchzuführen. Uns werden Coca-Blätter zum Kauen angeboten. Also, für meinen Geschmack ist der hier überall angebotene Coca-Tee deutlich schmackhafter. Unsere Pfluglinien im Feld gleichen Schlangenlinien, nicht so leicht, dass die beiden starken Tiere da vorne geradeauslaufen und dahin, wo ich es möchte. Dabei noch den Pflug in die Erde pressen. Auf jeden Fall ein Erlebnis.

Es gibt hier im Heiligen Tal viele gute Projekte, wo Sie richtig in das tägliche Leben der Einheimischen eingebunden werden. So einen Tag sollte man auf jeden Fall einplanen. Sei es Feldarbeit, Ernte, Kochen, Wolle Spinnen, Weben, o.ä. allein der Austausch mit der lokalen Bevölkerung und der Einblick in das hiesige Leben sind es absolut wert. Einige Einheimische stellen auch ihr Zuhause als «homestay» zur Verfügung. Mehr Einblick geht dann fast schon nicht.

Maras und Moray & Ollantaytambo

Es warten heute aber noch weitere Höhepunkte auf mich. Eine fast schon Standardtour für das Heilige Tal, ist der Besuch von Maras und Moray. Ich muss gestehen, ich kenne beides noch nicht persönlich und erwarte nicht allzu viel. Auch hier bin ich sehr positiv überrascht, sowohl die Ruinenanlage von Moray: riesige kreisförmige Anlage, die den Inka als eine Art Freilicht-«Labor» diente, u.a. um in unterschiedlichen Höhenstufen Pflanzen anzubauen, als auch die skurrile Salzterrassen Anlage von Maras beindrucken und sind absolut einen Besuch wert. Nicht zu vergessen, die immer wieder faszinierende Berglandschaft um einen herum.

Oberhalb von Moray liegt übrigens das Restaurant «Mil» von DEM Sternekoch Perus, Virgilio Martínez. Hier kann feinste Peruanische Küche probiert werden. Die Preise liegen allerdings jenseits von «realistisch», also lasse ich diesen Punkt lieber aus.

Letztendlich erreichen wir Ollantaytambo. Ein sehr touristisches Fleckchen, aber durchaus sympathisch mit den vielen gelb getünchten Häusern, der gewaltigen Ruinenanlage praktisch direkt am Ort, seinem schönen Hauptplatz, engen Gassen, unzähligen Cafés und Restaurants und von hohen Bergwänden umgeben. Hier fährt auch der Zug nach Machu Picchu ab und das spürt man förmlich.

Ich befolge einen Restaurant Tipp, den ich gestern bekommen habe und dieser stellt sich als grandios heraus. Das neue Restaurant «Chuncho» direkt am Platz wird seinem Motto «producto local – sabor ancestral», lokales Produkt – altertümlicher Geschmack, mehr als gerecht. Das 4-gängige Probemenu, zu einem sehr fairen Preis, war toll. Das mit Abstand beste Essen in diesen Tagen in Peru, wenn auch andere sehr gut waren.

Später besuche ich noch Doña Rosita in Ihrem Haus, die hier wirklich lebt; mitten in einer kleinen Gasse voller Souvenirstände und -verkäufern, öffnet sich eine Holztür und ich trete in ihre kleine Oase ein. Ruhe, das angenehme sehr freundliche und herzliche Lächeln von Doña Rosita, pikobello in lokaler Tracht gekleidet, begrüßt mich. Sie erklärt ihren großen, recht dunklen Wohn-Schlafraum.  Neben Bett, Tisch, Stuhl, gibt es einen Altar, einen Platz für (lebende) Meerschweinchen, viel alltägliche Utensilien, Kochstelle. Auch wenn es hier natürlich alles sehr hübsch für Besucher hergerichtet ist, gibt es doch einen guten Eindruck von einem lokalen „Zuhause“. Interessiert schaue ich mir alles an und nach einem kurzen netten und wie hier üblich - auch immer lustigen - Austausch mit der Gastgeberin, verabschiede ich mich.

Bei der Rückfahrt zum Hotel fahren wir an der Skylodge vorbei. An 2 Stellen unweit von Ollantaytambo hängen die «Zimmer-Kapseln» an der Bergwand. Sieht imposant aus, sicherlich ein einmaliges Erlebnis. Im Hotel angekommen, siehe da, schon wieder eine Hochzeit…

Sozialprojekt Wiñay

Heute geht es zurück nach Cusco, auf dem Weg möchte ich aber noch ein Sozialprojekt besuchen, das wir seit Längerem unterstützen. Es liegt im Ort Lamay und hier kümmern sich eine Schweizerin und ihr peruanischer Mann um acht körperlich behinderte Kinder. Kümmern ist nicht das richtige Wort, sie leben hier als Familie zusammen, fördern die Kinder auf allen Ebenen (körperlich, schulisch, künstlerisch, musikalisch, sportlich), finanzieren nötige Operationen und so vieles mehr. Sie sollen ein normales Leben führen können.

Behinderte Kinder sind hier in diesem Teil Perus schlicht und ergreifend nichts wert. Sie können nicht bei der Arbeit auf dem Feld mithelfen und werden mit ernährt, aber in keinster Weise gefördert. Hier setzen die beiden an und übernehmen diese Aufgabe mit viel Herzblut. Hut ab. Ich war deutlich länger hier als geplant, ein äusserst interessanter Stopp.

Cusco & Spooky Cusco

Zurück in Cusco bleibt noch ausreichend Zeit ein bisschen durch die Stadt zu schlendern, in erster Linie lasse ich mich durch das Viertel San Blas treiben. Hier gibt es immer wieder etwas Interessantes zu entdecken. Eine neue, kleine Galerie, Interessante Cafés, unzählige Kunsthandwerksläden und - Werkstätten.

Abends wartet noch eine neue Erfahrung auf mich, eine «Spooky Tour» durchs nächtliche, dunkle Cusco.

Und es wird dunkel… in einem hervorragenden Deutsch erzählt mir der Reiseleiter auf unserem Spaziergang ein bisschen abseits von den üblichen Gassen, Geschichten, Legenden, teils gruselig, teils grausam, vielleicht ein bisschen zu grausam, was in diesem so friedlich wirkendem Cusco über die Jahrhunderte alles passiert ist. Eine andere Art, die Stadtgeschichte zu betrachten, ein kalter Schauer, der mir über den Rücken läuft, fehlt dabei nicht.

Dann also lieber noch einmal in eines der vielen so guten Restaurants und noch einmal die gute peruanische Küche geniessen, bevor ich am kommenden Morgen wieder früh abhebe.

Hasta pronto Cusco!