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Hollywood-Feuerwalze inklusive: Im Schweizer Farbfernsehen fliegen auch mal die Fetzen. Bild: SRF/Dominic Steinmann

«Tschugger»: Ist das Wallis wirklich so wild?

Andreas Güntert

Fasziniert verfolgt die Üsserschwiiz die chaotische Polizeitruppe in der TV-Serie Tschugger. Wie realistisch wird das Walliser Leben gezeigt? Der Internaut fragt im Wallis nach.

Ich will es gleich zu Beginn gestehen: Bei meinem persönlichen Walliser Reiseverhalten entspreche ich wohl ziemlich genau dem Üsserschwiizer Stereotyp: Der Internaut hat wenig Kontakt zu diesem Kanton, aus erster Hand weiss er nicht besonders viel über das Wallis.

Klar, ich war schon ein paar Mal in Zermatt. Ich habe eine Nacht im Briger Hotel des ehemaligen Polit-Titans Peter Bodenmann verbracht, zudem planschte ich mal im Aquaparc in Le Bouveret. Plus: Teilnahme an einem Tourismus-Symposium in Crans-Montana und eine Hüttennacht in der Cabanne des Audannes (2506 Meter über Meer). Aber das wars dann schon bezüglich eigener Walliser Kantonserfahrung.

Meine traurige touristische Wallis-Wahrheit ist diese: Ich war schon öfters in Wallisellen ZH als im Wallis CH.

Tschugger: Die Serie, die das Wallis thematisiert

Ein Wallis-Ignorant bin ich aber nicht. Zum Thema Sekundärliteratur darf ich immerhin anmerken, dass ich fasziniert das Wirken und Schaffen einiger wichtiger Köpfe aus diesem Kanton verfolge.

Als da (unter anderen) sind: Die FIFA-Könige Sepp Blatter und Gianni Infantino, die Sängerinnen Stefanie Heinzmann und Sina, Fussball- und Immobilien-Zampano Christian Constantin, Skiheld Pirmin «das Knie der Nation» Zurbriggen, Politiker Oskar Freysinger sowie TV-Sportkommentator/Mode-Geck Rainer Maria «Salzi» Salzgeber.

Bax alias David Constantin: Dieser Kopf kommt neu auf meinen Wallis-Radar. Bild: SRF/Dominic Steinmann

Dieser Tage kommt nun ein weiterer Kopf aus dem Wallis auf meinen Radarschirm: David Constantin alias Polizist Bax aus der neuen TV Serie «Tschugger», die seit dem 28. November 2021 auf dem Sender SRF und bei den Streaminganbietern Sky und Play Suisse läuft.

Mein Eindruck nach zwei Folgen der ersten Staffel: Diesen Mix aus Krimi und Komödie hätte ich der Schweiz so nicht zugetraut. Tschugger, (was im Dialekt des Wallis übrigens «Polizist» bedeudet, ist im Stil der 80er Jahre gehalten, schräg, temporeich, witzig erzählt.

Bax, der Chüäbüäb im Wilden Westen der Schweiz

Die Story dreht sich um den Kantonspolizisten Johannes «Bax» Schmidhalter, gespielt von David Constantin, der auch für Regie und Drehbuch zeichnet. Bax ist ein ziemlich wilder Kärli, eine Art Cowboy (oder Chüäbüäb, wie man im Wallis sagt), der im Wilden Westen der Schweiz herumprescht, immer hungrig auf Action. Womit er ziemlich vielen Leuten in die Quere gerät.

Filmisch wird der Stoff ungeheuer schmissig, rasant und trashig vorgetragen, was beim Zuschauen viel Spass macht. Und es stellt sich beim Betrachten dieser Raclette-Revolverküche ein klein wenig TV-Stolz ein: Oh wow, die Schweiz kann Serie. Feuerwalze inklusive.

Was man sich dabei als Zuschauer natürlich fragt: Wird uns hier ein Wallis der komplett abgedrehten Sorte serviert, volle Klischee-Kanne? Oder ist da mehr? Kurz: Wie viel Wirklichkeit aus dem Wallis steckt hier wirklich drin?

Ähnliches hab ich mich schon bei der immens populären Netflix-Serie Die Schlange gefragt. Damals konnte ich im Gespräch mit einem Experten klären, wie sehr die die Schlange das Feeling des Hippie-Trails eingefangen hat.

Experte: in Tschugger steckt echtes Wallis drin

In der aktuellen Causa konnte ich mit Jonas Jossen sprechen. Jonas ist Praktikant auf der Kulturredaktion des «Walliser Boten», er kennt den Wilden Westen der Schweiz durch und durch.

Und, ebenso wichtig: Jonas kennt auch das Format Tschugger gut. Fast hätte er sogar mitgespielt darin.

Züri-Auftritt: Cedric Schild als Undercover-Praktikant Smetterling. Bild: SRF/Dominic Steinmann

Fragen wir also den Experten, wie viel Wallis nun wirklich in der Serie steckt, in der übrigens fast ausschliesslich Laien auftreten. Ein paar bekannte Namen wie Anna Rossinelli und Cedric «Supercedi» Schild sind zwar dabei, aber als Schauspielerin und Schauspieler waren die Musikerin und der freche Medienkopf vorher nicht aktiv.

Aber zurück zu unserem Gesprächspartner Auch mit Jugendkultur kennt sich Jonas Jossen, 26, bestens aus. Der Oberwalliser ist Sänger der Punkband The Rudifutschers.

Herr Jossen, wird das Wallis mit dieser Sendung veräppelt?
Ich sehe es nicht als Veräppelung, sondern als Hommage an die Walliser Jugendkultur. Tschugger ist lebensnah und frisch geraten.

Sie schreiben im «Walliser Boten», dass der tragische Held Bax Sehnsucht nach Freiheit und eigensinnigem Heldentum verkörpere. Ein kantonstypisches Drängen?
Das ist nicht nur Walliserisch, sondern stimmt so wohl für die Jugend generell. Junge Rebellen gibt es überall.

Wie nahe ist Tschugger dran an der Lebensrealität des Kantons?
So, wie die Serie die Charaktere zeichnet, ist sie nahe dran. Selbstironie und eine gewisse Lockerheit, das Verhalten in der Gruppe, der Witz, das Bedürfnis zu unterhalten: Das ist drin in den Wallisern. Und drin im Film.

Jonas Jossen: «Ein Meilenstein der Walliser Kulturlandschaft.» Bild: zVg

Und was ist komplett übertrieben?
Natürlich geht es auf einem Walliser Polizeiposten nicht so zu und her. Aber das kann man wohl auch über andere Krimi-Serien sagen. Die Fälle aber, die gezeigt werden, könnten in der Realität sogar manchmal noch krasser und schräger sein.

Das typische Üsserschwiizer Vorteil zum Wallis ist ja dieses: Es ist der Kanton Klüngel, jeder steckt mit jedem unter einer Decke. Korrekt?
Autor Kurt Marti hat Themen wie Parteifilz, Kirche, Medien und Justiz in seinem Buch «Tal des Schweigens» gut aufgearbeitet. Dass im Wallis jeder jeden kennt, merke ich persönlich beim Zuschauen der Serie: Immer wieder sehe ich Darsteller und Statisten, die ich im wirklichen Leben kenne.

Wie gefällt Ihnen die erste Staffel persönlich?
Es mag Leute geben, die finden, das Wallis werde zu provokativ und überspitzt gezeigt. Mir geht es anders: Die Klischees werden schön und gekonnt bedient, dabei aber mit authentischen Figuren und guten Geschichten angereichert. Für mich ist Tschugger in vielerlei Hinsicht ein Meilenstein der Walliser Kulturlandschaft.

Bonus-Track: Do you speak Wallis?

Etwas, das den Internauten (und viele andere) so fasziniert am Wallis: Die Sprache. Der Dialekt, das «Wallisertiitsch» hat viele Eigenheiten und ist selbst für Deutschschweizer oft kaum verständlich.

Hier sechs Worte, die Du immer bringen kannst im Kanton Wallis.

Sag um Gottes Willen nie «Grüezi». Sag, wenn Du einen guten Tag wünschen willst: Tagwohl.

Wenn die Sonne sich senkt übers Wallis, bist Du mit Güoten Abund oder Nabund gut bedient.

Rauf: Ambrüff.

Runter: Ambri.

Ich habe grossen Durst: Ich hä en mords Durscht.

Trinken Sie bitte nicht zu hastig denn der Wein ist zu sehr alkoholhaltig: Tüo de nid gad zgidannt triichu, dasch de starche Wii.

Quellen: Walliserdeutsch für Besucher des Festivals Gampel und das Walliser Wörterbuch.