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Claudio Zuccolini und Nik Hartmann: Das Duo von «Abenteuerlustig». Bilder: CH-Media

Wie reiselustig macht die neue Schweizer Reise-Serie auf 3+?

Andreas Güntert

Mit «Abenteuerlustig» probt der Schweizer Privatsender 3+ den Spagat zwischen Reisesendung und Travel-Comedy. Wie gut bringen das Nik Hartmann und Claudio Zuccolini hin? Generation X und Generation Z üben Sendekritik.

Die Reise hätte nicht besser beginnen können für Nik und Zucco. Ihre neue TV-Serie «Abenteuerlustig» auf dem Privatsender 3+ wurde von den Schweizer Medien in den letzten Tagen in einer gewaltigen PR-Druckwelle mehrkanalig angekündigt.

Ein paar Worte möchte ich vorausschicken. Ja, ich mag Reisesendungen. Vor allem solche, die nicht auf eine reine Postkarten-Abfilmerei der üblichen Sehenswürdigkeiten hinauslaufen. In der jüngeren Vergangenheit, so behaupte ich, war man bezüglich eigenständiger Reise-Formate auf Netflix besser bedient als im konventionellen Fernsehen. Von daher ist es also zu begrüssen, wenn sich Leute dranmachen, dem Format der Reise-Sendung einen neuen Kick zu geben.

TV-Puristen könnten jetzt noch einwerfen: Ist «Abenteuerlustig» überhaupt eine Reisesendung? In meiner Meinung: ja. Immerhin reisen zwei bekannte Köpfe durch die Welt und zeigen diese von ihren besseren Seiten. In der ersten Folge nach Istanbul, am 15. März Sizilien, danach Azoren und St. Petersburg.

Keine Sponsoren-Parade

Reise-Berichterstattung ist ja stets ein Hochseilakt. Oft stehen die Giganten des Travel-Trade hinter den Stories und TV-Serien.

Das bedeutet meist: Die Sponsoren haben ein reges Interesse daran, dass Ihre Hotels und Strände erwähnt oder – natürlich am allerliebsten – bildstark von ihrer schönsten Seite abgefilmt werden. Was dann für die Zuschauer zum eher öden PR-Trip wird.

Hier muss ich der Serie «Abenteuerlustig» ein Kränzchen widmen: Die Sendung wird nicht von einem Reiseunternehmen gesponsert. Vielleicht auch deshalb nicht, weil die Lage für die Reisebranche aktuell so trostlos ist, dass jeder Franken dreimal umgedreht werden muss. Und also kein Rappen für Sponsoring zur Verfügung steht.

Ausser ein paar Ausrüstungs-Sponsoren ist in «Abenteuerlustig» jedenfalls offenbar niemand daran interessiert, Nik und Zucco in irgendwelchen Hotels zu zeigen oder sie zu Gefälligkeits-Interviews mit dem Sponsor zu verdonnern. Kurz: «Abenteuerlustig» ist keine Dauerwerbesendung. Gut so.

Generation Z und Generation X am Werk

Das Konzept von Abenteuerlustig, kurz erklärt: Die in der Schweiz (spätestens jetzt) bestbekannten Köpfe Nik Hartmann und Claudio Zuccolini reisen voller Tatendrang an fremde Orte. Dort müssen sie sich besonderen Herausforderungen (neudeutsch wohl «Challenges») stellen.

Die Herausforderungen sind meist der lustigeren Art und bieten das Potenzial, die beiden Protagonisten auch mal schwach aussehen zu lassen. Zucco beispielsweise muss in Istanbul die Kunst des Bauchtanzens lernen und vor Publikum auftreten. Hartmann seinerseits wird ins Bogenschiessen eingeweiht und soll dieses Task auch hoch zu Ross (oder weniger hoch zu Esel) performen.

Generation Z (links) und Generation X üben sich in «Abenteuerlustig»-Sendekritik. Auf dem Screen: Zuco übt sich in Bauchtanz, Istanbul-Style. Bild: Internautin

Der Internaut seinerseits war für die Sendekritik ebenfalls im Duo unterwegs: Zusammen mit seiner Tochter Livia, die mit Jahrgang 1997 der Generation Z zugerechnet werden kann. Jene Generation also, die mit Netflix meist mehr anfangen kann als mit dem linearen Fernsehen.

Der Internaut mit Jahrgang 1965 entstammt noch jener Alterskohorte, die das Fernsehen als elektronisches Lagerfeuer kannte und mit TV-Krachern wie «Teleboy», Ilija Richters «Disco» sowie dem Rothaut-Melodram «Winnetou» aufwuchs und mit Rudi Carells «Am laufenden Band» sozialisiert wurde.

Folge 1 Istanbul: Zu wenig Tempo

Speziell an Abenteuerlustig ist, dass sich Nik und Zucco in einem Restaurant in der Zürcher Landgemeinde Seuzach treffen. Dort sehen sie die Sendung zusammen, erinnern sich an den Trip und kommentieren die Vorkommnisse.

Einhelliges Urteil von Generation Z und Generation X: Grundsätzlich ist diese Rahmenhandlung eine gute Sache. Aber im Laufe der Sendung sind wir viel zu oft in Seuzach. Dieser Teil hätte kürzer sein müssen; er nimmt der Sendung Tempo.

Fazit: Bitte weniger Seuzach. Und bitte mehr Istanbul-Szenerie. Zu letzterem Aspekt kommen wir noch.

Istanbul und die Floskelfalle

Istanbul ist eine ganz besondere Stadt. Auch deshalb, weil sich hier Europa und Asien treffen. Und Istanbul ist eine besondere Stadt, weil beim Besingen der Bosporus-Metropole meist zwei Floskeln auftauchen, die brutal abgegriffen sind: «Stadt der Gegensätze». Und: «Zwischen Orient und Okzident».

In die erste Falle tritt die Sendung nicht. Aber ohne Orient und Okzident ging es offenbar nicht. Die elend ausgelutschte Formulierung fällt schon nach wenigen Minuten. Geäussert von der Off-Stimme, die uns endlos ärgert.

Im besten Stil der Privatsender werden die Geschehnisse dauernd von einer Stimme aus dem Off kommentiert. Das ist meistens ärgerlich – und manchmal auch hochnotpeinlich.

Etwa, als Nik Hartmann im Basar von Istanbul im Gespräch mit einem Händler Bekanntschaft macht mit einem sogenannten «Viagra-Tee».

Nik Hartmann auf Streifzug im Basar von Istanbul.

Die Stimme aus dem Off macht daraus das Wortpaar «Streifzug» und «Steifzug». Sorry, aber das ist nicht mal mehr auf einem Pausenplatz lustig. Und es passt vor allem nicht zum Markenkern des Nik Hartmann und zu seiner Corporate Identity, die er sich zu seiner Zeit beim Staatsfernsehen SRF erwandert und erarbeitet hat: Unvoreingenommenes Interesse, Respekt vor Mensch und Tier.

Für die Generation Z jedenfalls wird während der Streiftzug-Steifzug-Passage nun etwas klar: «Spätestens an dieser Stelle würde ich unter normalen Bedingungen abschalten», sagt Livia. Für die Sendekritik muss sie aber natürlich dranbleiben. Und sich noch einige Male ärgern über die Stimme aus dem Off.

Sendekritik Abenteuerlustig: Geilometer

Natürlich hat das Wort «geil» seine ganz enge sexuelle Konnotation über die Jahre verloren. Der Kraftausdruck steht bei jüngeren Leuten mittlerweile für all das, was ältere Semester wahlweise als «super», «cool», «lässig» oder als «endkrass verschärft» einstufen.

Wenn Leute bis circa 35 das Wort «geil» benutzen – meinetwegen. Wenn aber zwei gestandene Männer wie Claudio Zuccolini (50) und Nik Hartmann (48) in der Sonne Seuzach das nämliche Wort verwenden , findet das der Internaut (56) ebenso unpassend wie anbiedernd. Während unserer Visionierung liessen wie den «Geilometer» mitlaufen.

Zuccolini und Hartmann in Seuzach: Eher ungeil.

Resultat: das Wort fiel sechs Mal. Der Internaut findet: Sechs Mal zu viel. Urteil der Generation Z: Eher ungeil. Empfehlung an Zuccolini/Hartmann: Let it be. Wahrscheinlich ein unrealistischer Wunsch, weil die ersten vier Folgen bereits abgedreht sind.

Wir lassen den Geilometer auch bei den nächsten Sendeterminen laufen – und werden in einer Schlussbetrachtung darauf zurück kommen.

Abenteuerlustig: Die Challenges

Das Pièce de resistance sind in dieser Sendung natürlich die Herausforderungen, die Zuccolini und Hartmann sur place bewältigen müssen. Hier finden Generation Z und Generation X grundsätzlich lobende Worte.

Es ist eine witzige Art, mit solchen Herausforderungen in die Welt eines anderen Orts einzutauchen. Und eine spannende Sache dazu.

Claudio Zuccolini (rechts aussen) als Bauchtänzer. Well done, Zucoo!

Wie Zucco etwa (von einem Mann!) den Bauchtanz erlernt und dieses Task vor sachkundigem Publikum erstaunlich gut performt, hat hohen Unterhaltungs- und Erinnerungswert. Auch deshalb, weil man hier en passant in geraffter Form noch etwas über den Bauchtanz erfährt. Ebenso vergnüglich, wie Hartmann sich beim Bogenschiessen schlägt.

Sehr munter auch, wie die beiden beim Baklava-Backen von einem gestrengen Bäcker-General herumkommandiert werden. Da kommt Freude beim Zuschauen auf. Und vor allem auch Vorfreude auf weitere Herausforderungen an anderen Orten.

Sendekritik Abenteuerlustig: Was uns fehlt

Was beiden Generationen bei dieser Reisesendung fehlt: Istanbul-Einblicke. Unserer Meinung nach verbringen wir beim Zuschauen zu viel Zeit in Seuzach und zu wenig reiselustig stimmende Zeit in Istanbul.

Unter der Knute des Baklava-Generals (links aussen): Nik und Zucco (rechts aussen).

Ausserhalb der Challenges taucht das Publikum zu wenig in die Welt von Istanbul ein. Hübsch wäre es beispielsweise gewesen, wenn eine Einheimische mehr (oder meinetwegen ein ausgewanderter Schweizer) Einblicke in die Lebenswelt abseits von Basar und Galata Brücke gegeben hätte.

Hier kann «Abenteuerlustig» bestimmt noch nachbessern. Wohl nicht in der ersten Staffel, da diese – unter schwierigen und gut gemeisterten Pandemie-Bedingungen – bereits abgedreht ist. Aber vielleicht in einer allfälligen zweiten Staffel.

Oder kurz: Auf dem Reise-Menu von «Abenteuerlustig» sollte unserer Meinung nach etwas mehr «Merhaba» und etwa weniger «Grüezi» stehen.

Fazit Generation Z

Hier fällt das Urteil ungünstig aus. «Abenteuerlustig» sei eher eine Nik-Zucco-Talkshow als eine Reisesendung. Die Idee der Challenges sei zwar gut, man müsse aber zu lange warten, bis es wirklich losgehe. «Und der Sprecher aus dem Off wirkt total billig.» Das ganze sei wohl eher auf Familien als auf junge Menschen ausgerichtet.

Livia würde die Sendung nicht mehr schauen. Ihre Note: 3.

Fazit Generation X

Der Internaut ist etwas gnädiger im Urteil. Zwar nerven ihn fehlendes Tempo und Off-Stimme ebenfalls, doch für ihn fällt positiv auf, dass hier Reise-Sendung ohne starken PR-Touch daherkommt. Würde «Abenteuerlustig» mehr unbekannte Seiten des besuchten Ziels zeigen, könnte die Sendung sogar richtig gut sein. Schafft die Serie den Spagat zwischen Comedy- und Reiseformat? Ja. Könnte sie diesen Spagat besser schaffen? Ja.

Der Internaut wird sich auch die nächsten Folgen anschauen. Nicht weil er muss, sondern weil er will. Seine Note: 4.75.