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Dank eines einzigartigen Mikroklimas sammelt sich in der Provinz Québec, rund um den Saguenay-Fjord, viel Feuchtigkeit, sodass es im Winter sehr viel schneit – meterhoch und pudrig-leicht. Bilder: SRT

Ein Wintertraum für Schneeabenteurer

Sanfter Wintertourismus statt Aprèsski-Rummel in der tiefverschneiten Provinz Québec: Unterwegs beim Schneeschuhwandern zu Geisterbäumen, Eisangeln auf zugefrorenen Fjorden und Hundeschlittentouren im hüfthohen Schnee.

Glitzernder Schnee rieselt sachte von den Ästen. Die Natur versinkt in meterhohem Schnee. Es ist kalt. Richtig kalt. Minus 23 Grad. Die kleine Gruppe Schneeschuhwanderer zippt rasch die dicken Winterjacken zu, zieht die Mützen tief ins Gesicht und streift flink die Schneeschuhe über. Jeder freut sich jetzt auf Bewegung. Drei Kilometer sollen es zum Gipfel des Pic Dubuc in 984 Meter Höhe sein, im Nationalpark Monts-Valin.

Doch Ziel ist nicht nur der Gipfel, sondern das Valley of the Phantoms – das Tal der Phantome. Dank eines einzigartigen Mikroklimas sammelt sich in der Provinz Québec, rund um den Saguenay-Fjord, viel Feuchtigkeit, sodass es im Winter sehr viel schneit – meterhoch und pudrig-leicht. Der Schnee neigt ausserdem dazu, sich an die Bäume zu klammern, sie in dichtes Weiss zu hüllen und so aus ihnen «Geisterbäume» zu machen.

Auf Riesenschritten zu den Geisterbäumen

Die Tour zu den «Phantoms», den «Geisterbäumen», beginnt mit einer Fahrt in einem Schneeshuttle ab dem Besucherzentrum des Nationalparks Monts-Valin, der etwa 200 Kilometer nördlich von der Stadt Québec liegt. Durch den tief verschneiten Wald ruckelt das Shuttle knapp eine Dreiviertelstunde bergauf und setzt die Fahrgäste dann im weissen Nirgendwo ab. Schritt für Schritt geht es bergauf weiter. Mit etwas Kondition keine grosse Herausforderung.

Nach etwa zwei Kilometern erwartet eine kuschelige Berghütte die Schneewanderer. Dort knistert schon das Kaminfeuer. An grob gezimmerten Tischen geniessen alle eine mitgebrachten Znüni und trocknen ihre nasse Kleidung. Für manche ist dort der Aufstieg zu Ende – sie wärmen sich lieber am warmen Feuer. Wer die noch etwa 800 Meter weiter bergauf stapft, der wird mit einem grandiosen Weitblick belohnt und einer sprachlos machenden Natur. Über den Gipfel bläst ein eisig kalter Wind. Kiefern beugen sich unter der Schneelast und der dicken Eiskruste. Nach ein paar Fotos drängt es alle zum Rückweg, hinein in den windgeschützten Wald.

«Ich war schon ein paar Mal im Sommer hier oben», sagt Marianne Paré vom Tourismusbüro in Saguenay-Lac-Saint-Jean, «aber im Winter ist es viel schöner und richtig spektakulär», und springt übermütig durch die Schneeberge abseits des Pfads. Unerschrockene können es der jungen Kanadierin gleich tun, und mit ihrer Hilfe und der eines Guides querfeldein und weglos durch den mehr als hüfthohen Schnee mit den Schneeschuhen bergab laufen – oder besser springen. Ein Schneevergnügen, das man nicht so schnell vergisst.

Eisfischen auf dem Saguenay-Fjord

Unvergesslich ist auch eine Angeltour auf dem meterdick zugefrorenen Saguenay-Fjord in Bagotville. Das Provinznest ist jeden Winter ein Hotspot für ganz besondere Outdoorfans. Noch bevor Marc-André Galbrand, der «Eismeister» von Bagotville, den See im Januar zum Begehen und Befahren frei gibt, übernachten Hartgesottene bei frostigen Temperaturen im Freien am Ufer. Sie wollen die Ersten sein, die aufs Eis stürmen und die besten Plätze belegen. Dann wird nach einem genauen Plan aus hunderten bunten Holzhäuschen mitten auf dem zugefrorenen Fjord ein Eisdorf errichtet. In den Hütten pflegen sie ihr Winterhobby, das Eisfischen.

Nur bis zu fünf Fische pro Tag darf jeder Eisfischer aus dem Fjord angeln.

«Im Winter verbringen manche jede freie Minute auf dem Eis», erzählt Galbrand. Der 29-Jährige arbeitet für die Non-Profit-Organisation Contact Nature. Sie bietet Aktivitäten wie das Eisfischen, Hundeschlittentouren sowie Ski- und Schneeschuhausflüge an, und investiert ihre Einnahmen in den Schutz des Fjords und seine Umgebung. Dazu gehört auch eine Fangquote für die Eisfischer. «Nur bis zu fünf Fische pro Tag darf jeder Eisfischer aus dem Fjord angeln», sagt Galbrand. Für Besucher bietet Galbrand sein eigenes kleines Häuschen zum Angeln an. Behaglich warm ist es dort drinnen. Ein Eisloch ragt in die Tiefe, Angelruten werden darin ausgelegt und dann heißt es warten. Bei einem kühlen Bier und reichlich Anglerlatein verfliegt die Zeit jedoch im Nu.

Über zugefrorene Seen mit Geheul

Ein ebenfalls temporeiches Abenteuer erwartet Feriengäste bei einer Hundeschlittentour. Ein kurzes «Go!» und die Husky-Meute stiebt mit lautem Gebell davon, der Hundeschlitten fliegt fast hinterher. Wer kein Musher ist, sondern nur Mitfahrer, mümmelt sich gemütlich in weiche Felle und erlebt die Winterlandschaft aus einer ganz neuen Perspektive. Für den Musher, den Schlittenlenker, ist die wilde Fahrt weniger gemütlich. Doch Christian Duchesne, ein Mann kräftig wie ein Bär, gibt seinen Hunden die Kommandos «Ha» für links, «Gee» für rechts und «Hov» für Stopp, und passt auf, dass kein Passagier vom Schlitten fällt.

Bei einer Pause auf einem meterdick gefrorenem See überwältigt die unglaubliche Stille. In der weiten Schneelandschaft ist kein Mensch zu sehen und zu hören. Auch die Hunde schweigen friedlich. Schneekristalle tanzen am strahlend blauen Himmel Ballett. Für Naturfreunde und Abenteuerlustige ist das Hinterland von La Baie am Saguenay-Fjord ein unvergessliches Erlebnis und es verspricht einen Winter, wie er früher einmal war.

Weitere Informationen:

(SBO/SRT)