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Leitet seit eineinhalb Jahren das SRV-Fachgremium «Umwelt & Soziales»: Roland Schmid. Bild: HO

«Für nachhaltiges Reisen zu sensibilisieren, erfordert Mut und Sachverstand»

Roland Schmid, der Umweltbeauftragte des Schweizer Reise-Verbands (SRV), äussert sich zu den aktuellen Nachhaltigkeitsthemen und darüber, wie Reisende und die Reisebranche noch mehr tun können für eine intakte Umwelt.

Herr Schmid, mit welchen Themen beschäftigt sich das SRV-Fachgremium «Umwelt & Soziales» in diesem Jahr ?

Roland Schmid: Dem SRV ist die nachhaltige Entwicklung des Tourismus ein wichtiges Anliegen. Wir wollen unseren Mitgliedern nützliche Informationen und alltagstaugliches Wissen vermitteln. In nächster Zeit organisieren wir folgende Anlässe:

  • 21. September: Workshop zum Thema «Protection de l’enfance» in Zusammenarbeit mit ECPAT Schweiz/Child Safe/Friends International; TTW Romandie, Lausanne.
  • 12. Oktober: Conférence-débat «Un tourisme durable pour tous, est-ce possible?» mit Alliance Sud, Lausanne.
  • 26. Oktober: Workshop «Menschenrechte & Kinderschutz» für Lernende; TTW Zürich.
  • Termin offen: Workshop «Human Rights in tourism» in Zusammenarbeit mit akte (arbeitskreis für tourismus & entwicklung) für Product-, Sales- & Kommunikationsverantwortliche, Zürich.

Wie schätzen Sie die Schweizer Reisenden ein, wenn es zum Thema Nachhaltigkeit kommt. Wird bewusster gereist als früher?

Diese Frage hat sich der SRV vor rund 2 Jahren gestellt. In Kooperation mit dem DRV (Deutscher ReiseVerband) und dem ÖRV (Österreichischer ReiseVerband) führten wir bei unseren Mitgliedern die Online-Umfrage «Nachhaltigkeit im Reisevertrieb» durch. Das Ergebnis: Für 60 Prozent der Kunden hat die Nachhaltigkeit eine grosse oder sehr grosse Bedeutung. Nachhaltig reisen, die Umwelt schützen und auf wirtschaftliche und soziale Fairness achten interessiert die Reisenden. Das Interesse sagt jedoch nicht aus – und das kennen wir aus anderen Lebensbereichen – ob das aktive Engagement für die Umwelt hoch oder niedrig ist. Mittlerweile wissen wir, dass Kunden während der Reise für soziale oder ökologische Werte offener sind als vor der Abreise. Wer anschaulich und hautnah touristische Leistungen erlebt, beginnt das zukünftige (Reise-)verhalten eher zu hinterfragen und anzupassen. Schlüsselerlebnisse können ein Aufenthalt in einer nachhaltig-geführten, zertifizierten Unterkunft, ein naturverträglicher Ausflug, ein verschmutztes Meer, der Anblick von Kinderarbeit in Hinterhöfen oder das Gespräch mit Menschen sein, welche ihren CO2-Verbrauch für Flüge, Kreuzfahrten oder Autoreisen bereits kompensieren.

«Unterwegs werden Reisende für soziale oder ökologische Werte offener»

Welche Rolle können die Reisebüros beim Thema Nachhaltigkeit spielen? In welchen Bereichen wünschten Sie sich ein verstärktes Engagement?

Gemäss der Umfrage fehlt es im Vertrieb an konkreten, praxisnahen Tipps und Informationen. Der SRV handelte rasch. In der Umweltarena Spreitenbach fand deshalb vor einem Jahr der «1. SRV-Nachhaltigkeitstag» unter dem Motto «Nachhaltig reisen – wie und warum» statt. Der Anlass wurde als gut bis sehr gut beurteilt. Doch es gab auch Selbstkritik. Die Teilnehmenden fühlen sich stark selbst in der Verantwortung, die Kunden wieder für nachhaltiges Reisen zu sensibilisieren. Das erfordert Mut, Einfühlungsvermögen und Sachverstand. Warum? Im Verkauf kämpfen wir immer noch gegen Vorurteile wie «Man darf nicht mehr fliegen» oder «Nachhaltige Produkte sind zu teuer». Wir respektieren den Lebenstil und die Wünsche der Kunden. Für uns als Verband ist die nachhaltige Entwicklung ein zentrales Anliegen. Wir wollen unsere Kunden auf diese Reise mitnehmen. Doch den ersten Schritt müssen wir alle tun! Eine wichtige Rolle spielen dabei unsere Reiseexpertinnen und –experten. Für sie planen wir im Sommer/Herbst 2018 den 2. SRV-Nachhaltigkeitstag.

Wie beurteilen Sie die Anstrengungen der Reisebranche im Hinblick auf die Klimaerwärmung?

Beim Klimaschutz ist myclimate der Partner von uns sowie vielen Schweizer Veranstaltern und Reisebüros. Es ist die Aufgabe eines Reiseunternehmens, dort Einfluss zu nehmen, wo es direkt auch Leistungen nachhaltiger gestalten und verbessern kann. Wir müssen auf die Kompensation hinweisen und die Reisenden vom Nutzen überzeugen. Den entscheidenden Schritt können die Kunden – vor oder nach der Reise - freiwillig und eigenverantwortlich selbst tun, entweder im Reisebüro oder direkt im Internet. Dort dauert die Zahlung nur wenige Minuten. Dabei bestimmen die Reisenden die Höhe der Kompensation. Sie sind nicht gezwungen, den Vorschlag des CO2-Rechners zu akzeptieren. Bereits mit 40 Rappen pro Person und Reise können die Emissionen des Transports und der Unterkunft mindestens anteilmässig kompensiert werden. Uns ist auch wichtig, dass man das umweltbewusste Verhalten nicht nur an der CO2-Kompensation der Flüge festmacht. Zum Beispiel nehmen viele Unterkünfte ihre soziale und ökologische Verantwortung war. Sie sind unabhängig nach verschiedenen Kriterien zertifiziert. Qualitativ hochwertige Nachhaltigkeitszertifikate sind zudem vom GSTC, dem Global Sustainable Tourism Council, anerkannt.

«Wir suchen Mittel und Wege, um die Inhalte und Ziele der Agenda 2030 über die Aus- und Weiterbildung in den Alltag umzusetzen.»

Wie kann sich der SRV beim Thema der Ausbeutung und dem Schutz lokaler Arbeitskräfte einbringen?

Die im Tourismus tätigen Menschen entscheiden vielfach, ob die Reisenden zufrieden sind oder nicht, ob hier oder an unseren Reisezielen. Ohne Menschen – kein Tourismus. Wir sind deshalb ein aktiver Teilnehmer am internationalen Roundtable für Menschenrechte im Tourismus. Dort geht es nicht nur um den Schutz der Arbeitskräfte, sondern grundsätzlich um die menschenrechtliche Verantwortung. Alleine können wir diese in der globalen Welt nicht wahrnehmen. Wirkungsvolle Massnahmen können nur im internationalen Dialog mit anderen Verbänden, Reiseunternehmen Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) oder den Behörden umgesetzt werden. Die Handlungsempfehlung zu Arbeits- und Sozialstandards für Fahrpersonal im Tourismus ist beispielsweise das Resultat eines gemeinsamen Prozesses des Roundtable. Damit werden Sozial- und Arbeitsstandards im Transportsektor gesetzt. Zu den Menschenrechten im Tourismus planen wir in Zusammenarbeit mit Fair unterwegs einen Workshop. Die Ausschreibung erfolgt über den SRV-Newsletter.

Welche weiteren Themen stehen oder werden künftig auf der Agenda des SRV-Umweltbeauftragten erscheinen?

Wir konzentrieren uns bewusst auf wenige Themen. Dabei vertiefen wir die Zusammenarbeit mit bestehenden Partnern. Zurzeit diskutieren wir jedoch ein weltweit aktuelles Thema. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) hat das Jahr 2017 zum «Internationalen Jahr des Nachhaltigen Tourismus» deklariert. Die Basis der Massnahmen bildet die Agenda 2030 für eine Nachhaltige Entwicklung. Um zur globalen Fortschritt beizutragen, menschliches Wohlergehen zu fördern und die Umwelt zu schützen sind 17 Ziele definiert worden, die Sustainable Development Goals (SDGs). Wir suchen Mittel und Wege, um die Inhalte und Ziele der Agenda 2030 über die Aus- und/oder Weiterbildung in den Alltag umzusetzen. Spruchreif ist heute noch nichts. Doch es lohnt sich mit dem kurzen Video des EDA (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten) in die nachhaltige Entwicklung einzustimmen.

(TN)