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Drei Tage Yoga und Meditation am Bodensee – eine Reise zu mehr Achtsamkeit und innerer Ruhe. Bild: zVg

Klang-Yoga und Nacktschwimmen – meine persönliche Weihnachts-Challenge

Karin Kofler

Ein Adventswochenende ohne Hektik – das war der Plan. Zwei Herausforderungen brachte er mit: Beim Yoga zu meditieren und ganz ohne Bikini in den Pool zu steigen.

Die Adventszeit sollte geruhsam sein, aber meistens ist sie das Gegenteil: Schlussspurt im Geschäft, Apéros, Schulveranstaltungen – es läuft viel. Warum dem Trubel nicht mal entfliehen und das Kontrastprogramm suchen? Ruhe, gesundes Essen, wenig Alkohol, Entspannung – das schwebte mir vor. Aber einfach ein bisschen Wellness war mir zu banal. Ich wollte Grenzen ausloten.

Also buchte ich ein dreitägiges Yoga Retreat. Für einen nach aussen orientierten Menschen wie mich, der viel kommuniziert, ist das durchaus eine Challenge. Denn Yoga ist ja nicht bloss eine Übung für Beweglichkeit, sondern eben auch Achtsamkeit und Meditation.

Als ich mir die Location anschaute, in der das Retreat stattfinden würde, entdeckte ich Herausforderung Nummer zwei: Das Bora Hotspa Resort in Radolfzell am Bodensee, ein angenehmes Vier-Sternehotel, hat nämlich eine Besonderheit zu bieten: eine komplett textilfreie Wellnesszone.

Das Bora Hot Spa Resort in Radolfzell bietet nicht nur Entspannung, sondern auch eine einmalige Lage direkt am Bodensee. Bild: Facebook / Bora Hot Spa Resort

Die Aussicht, dass ich nicht nur nackt in die Sauna gehen würde, sondern auch in den Pool, brachte mich bereits vor der Abreise zum Schwitzen. «Pack die Badehose ein», galt also für einmal nicht. Auch das kleine Schwarze musste daheim bleiben. Stattdessen kamen die Trainingshosen ins Gepäck und die dicken Business Class-Socken aus der Swiss, die ich sonst nie anziehe.

Zwischen Klischees und echter Entspannung

Wie ich vermutet hatte, stiess ich am ersten Abend auf eine reine Frauenrunde, die sich bereits an einem Tässchen Ingwertee labte. Männer zeigen sich seltener in solchen Retreats. Schade eigentlich. Der Einstieg – gewöhnungsbedürftig: Vor der Yoga-Lehrerin waren Kraftsteine platziert und Yoga-Karten mit spirituellen Weisheiten.

Auch die Göttin der Fruchtbarkeit – umringt von Kerzchen in Lotusblüten-Schälchen – guckte in die Runde. Ich dachte: Klischee erfüllt. Aber offen sein für neue Erfahrungen heisst eben auch Akzeptanz für Dinge, die einem fremd sind.

Spirituelle Details wie Kraftsteine und Yoga-Karten mit Weisheiten schufen eine besondere Atmosphäre. Bild: Karin Kofler

Die erste Programmteil hiess «Yoga und Pranayama vor – sanftes Ankommen und Landen». Gelandet bin ich – auf der nicht ganz so weichen Yoga-Matte. Ich hatte zwar schon Yoga gemacht im Gym. Doch das hier war eine andere Dimension. Es sei drum gleich gesagt: Yoga ist anstrengender als es aussieht. Ich bin nicht untrainiert, mache regelmässig Sport, doch ich kam in so manchen Positionen, die wir über die drei Tage übten, ans Limit.

Vom diagonalen Boot ins ganze Boot, vom Happy Baby (alle vier in die Luft strecken und sich an den Beinen fassen) in den Fisch, vom Krieger eins in Krieger zwei – es ging rasant mit den Wechseln. Für eine Anfängerin wie mich etwas zu rasant. Mal tat das Knie weh, mal der Rücken, mal liess es sich einfach nicht bequem meditieren in den Posen und ich rutschte unruhig hin und her, während andere so wohlig aussahen, als könnten sie gleich einschlafen.

Wie gut, dass es da einen grossen Wellness-Trakt gab, in welchem man nach dem harten Training und gemeinsamen Abendessen etwas Entspannung finden konnte. Aber wie sollte das gehen, wenn die ganze Übungsanlage auf Nudismus ausgelegt und ich noch nie FKK-Erfahrung gesammelt hatte? Vielleicht, dachte ich mir, ist es klug, erst um halb neun abends in die Sauna-Landschaft zu gehen. Da ist es im Aussenbereich dunkel und hat es weniger Leute.

Die textilfreie Sauna-Landschaft des Resorts, inklusive Aussenpool und Rauchsauna, zieht zahlreiche Wellnessliebhaber an. Bild: Facebook / Bora Hot Spa Resort

Punkt zwei stellte sich als falsch heraus. Die Bora-Sauna brummte um diese Zeit. Die gute Lage am Bodensee und die grosse Auswahl an angenehmen Saunen (mit elektronischer Aufguss-Plan-Anzeige) zieht auch viele externe Besucherinnen und Besucher an am Wochenende. Dunkel wars zwar und schweinekalt. Dennoch herrschte sozusagen gesitteter Stossverkehr.

Der Bademantel ist das einzige Textilteil, das erlaubt ist in der Zone. Keine Taschen, keine Handys. Spanner musste also niemand fürchten, alles sehr professionell. Nach einem kurzen Abstecher in die zweistöckige Rauchsauna (mit Salbeisud oder Kamillensud) war es soweit: Ich überwand mich, in den Aussenpool zu steigen, wo es sich bereits etwa 15 andere Badefreaks splitternackt gemütlich gemacht hatten.

Klare Regeln: In der Wellnesszone des Bora Resorts sind Handys und Kleidung tabu. Bild: Karin Kofler

Als ich relativ hastig in den Pool hineinplumpste, bildete ich mir ein, dass alle Blicke auf mich gerichtet waren, was natürlich Quatsch war. Die Dampfschwaden, die aufgrund der Kälte aus dem Wasser aufstiegen, boten ein wenig Sichtschutz. Aber da der Pool logischerweise beleuchtet war, hatte man doch den einen oder anderen Blick auf Details, die frau lieber nicht sehen würde.

Ich muss zugeben: Das Spüren des entblössten Unterleibs im Wasser war nicht schlecht und ging in Richtung Freiheitsgefühl. Doch die vielen Leute um einen herum können schwerlich ignoriert werden. Vermutlich kommen routinierte Nudisten an den Punkt, wo ihnen die eigene Nacktheit einfach egal ist und die der anderen nicht mehr wahrgenommen wird.

Das japanische Onsenbad, das sehr schön angelegt war und wunderbar warm, besuchte ich tagsüber zu einer Zeit, als es eine Spur ruhiger war. In den 15 Minuten, während denen nur vier Personen im Bad waren, stellte sich dann so etwas wie ein Genussgefühl ein.

Dennoch war mir der Anblick von so vielen Geschlechtsteilen um mich herum zu viel. Meine 27jährige Nichte würde sagen: «too much information». Interessant war auch zu beobachten, dass Männer deutlich ungenierter in den Bädern herumschwaderten als Frauen und sich auch mal kurz in den Schritt griffen beim Schwimmen.

Vom Businessmodus zur Tiefenentspannung

Was aber hat das Yoga-Retreat mit mir gemacht? Nach der dritten Session und ein paar frühmorgendlichen Übungen am Bodensee («wir nehmen die Weite des Sees in uns auf») spürte ich langsam das meditative Element. Das Klang Yin Yoga oder die Mantra-Gesänge der Lehrerin kamen mir weniger fremd vor.

Das mit der Ujjayi-Atmung – eine bestimmte Atemtechnik – hatte ich zwar noch nicht so im Griff. Aber ich merkte, wie ich ruhiger wurde und Distanz zu negativen Ereignissen gewann. Auch realisierte ich, dass ich aufgrund des kompetitiven und leistungsorientierten Umfelds, in welchem ich mich beruflich bewege, nicht darauf konditioniert bin, inne zu halten und in meinen Körper und Geist hineinzuhorchen.

So manchem Manager würde so ein Retreat durchaus mal guttun statt sich aufs Rennrad zu schwingen. Beim Shavasana am Sonntagmorgen, der Tiefenentspannung am Ende der letzten Runde, fühlte ich mich zu meiner Überraschung angenehm gelassen. Und das rituelle Omm, das wir zum Abschluss im Kreis sprachen, ging mir sogar hörbar über die Lippen. Challenge gewonnen!