Lifestyle
Fünf Sterne auf Schienen
Zugfahren ist wie 3-D-Kino, vor allem bei strahlend blauem Himmel in atemberaubender Berglandschaft. Überdimensionierte Panoramascheiben bilden dabei die Grossbildleinwand für einen dramatischen Naturdokumentarfilm, bei dem neben Wasserfällen, Bergseen und Gipfel-Skylines womöglich sogar Steinböcke und Gämse einen Gastauftritt haben.
Mehr als siebeneinhalb Stunden dauert die Vorstellung im Glacier-Express, der als «langsamster Schnellzug der Welt» bis zu dreimal täglich von St. Moritz nach Zermatt (und in die andere Richtung) rollt. Zwar sind die Waggons nicht nostalgisch, aber stilvoll geht es trotzdem über die 291 Brücken und durch die 91 Tunnel.
Zu den Höhepunkten zählt das Überwinden des 2033 Meter hohen Oberalppasses und die Durchquerung der tief eingeschnittenen Rheinschlucht. Darüber und andere interessante Streckendetails werden Gäste über Kopfhörer in sechs Sprachen informiert. Und nebenbei bestens bedient. Besonders gut gehen lassen können sie es sich in der Excellence class, in der man sich neben drehbaren Sesseln mit extra viel Beinfreiheit auf einen Apero an der Zug-Bar und ein Fünf-Gänge-Menü freuen darf.
Auch auf anderen Strecken rollen Passagiere nobel durch die Alpenrepublik, etwa in der Prestige-Klasse des GoldenPass Express, der seit vergangenem Winter durchgehend von Montreux nach Interlaken fährt. Möglich macht das eine ausgetüftelte Technik, welche die Spurbreite des Zuges in wenigen Augenblicken von einem Meter auf 1,435 Meter wechselt, ohne dass Passagiere aussteigen müssen.
Mutter aller nostalgischen Zugreisen
In anderen Zügen müssen sie gar tagelang nicht aussteigen. Das gilt zum Beispiel für den Venice Simplon-Orient-Express, der Mutter aller nostalgischen Zugreisen und nach wie vor die Messlatte für klassische Luxuszüge in Europa. Bereits seit 1883 verheisst der Name Orient-Express grössten Luxus auf Schienen. Handelte es sich anfangs nur um die Route via Istanbul in den echten Orient, ist der Name inzwischen Synonym für ein knappes Dutzend Verbindungen in Europa, von London über Paris und Budapest bis Verona und Venedig: Der Orient-Express fährt zahlreiche wichtige Städte an, ein- bis fünftägige Pakete bieten Reiseerlebnisse ganz nach Wahl.
Was alle eint: Die Wagen aus den 20er- und 30er-Jahren sind technisch auf aktuellstem Stand, aber noch immer von Art Déco und Art Nouveau geprägt. Drei Speisewagen erfüllen sämtliche kulinarische Wünsche und nicht nur zum Absacker geht es in den Bar-Wagen. Bei Live-Pianomusik und Cocktails wünscht man sich nur allzu gern, dass die Reise noch länger dauern möge.
Betreiber des Venice Simplon-Orient Express ist das Hotel- und Freizeitunternehmen Belmond. Es unterhält noch weitere touristische Nobelzüge, etwa den Belmond Royal Scotsman. Auf mehreren Themen-Touren erschliesst er ab Edinburgh das schottische Hochland, überquert atemberaubend konstruierte Viadukte, passiert zerklüftete Gebirgslandschaften und rollt durch grüne Hügel, auf denen Schafherden weiden. All das lässt sich vom sogenannten Observationswaggon bestens beobachten und ganz speziell auf dem offenen Deck am Wagenende. Zum gediegenen Stil passt ferner der vornehm-zurückhaltende Service.
Mit einem den Zug begleitenden Bus werden Exkursionen für die maximal 36 Reisenden durchgeführt. Auch Outdoor-Aktivitäten können gebucht werden. Abends stoppt der Zug auf Sondergleisen, was nächtliche Ruhe garantiert, erst recht da jedem Gast ein historisch eingerichtetes Abteil mit Mahagoniwänden, Schreibtisch und eigenem Bad mit Dusche und Toilette zur Verfügung steht. Ebenfalls garantiert sind höchste Gaumenfreuden à la Aberdeen Angus Beef und frischem Hummer, eine bordeigene Bibliothek sowie seit 2023 ein eigenes Dior Spa an Bord.
Stilvoll durch den Dschungel
Dritter im Belmond-Luxuszugtrio ist der Eastern & Oriental Express, der seit 1993 zwischen Singapur, Kuala Lumpur und Bangkok verkehrt – und seit einigen Jahren auch bis nach Vientiane in Laos weiterfährt. Sein Interieur, eine Kombination europäischer Jugendstilelemente mit reichlich fernöstlichem Chic, ist mit viel Feingefühl gestaltet worden.
Kurz: Im Zug soll das alte Südostasien zu neuem Leben erweckt werden und nichts an Gegenwart und Moderne erinnern. Was gut gelingt! Und so geht es nicht rasend schnell, aber ungemein stilvoll mitten durch dichtesten Urwald.
Durch verschiedenste Landschaften rollen auch Nobelwaggons des südafrikanischen Unternehmens Rovos Rail. Zu den aufregendsten Strecken gehört dabei die Fahrt des Pride of Africa von Dar Es Salaam in Tansania bis nach Kapstadt. 6100 Kilometer geht es durch fünf Länder und zu Highlights wie dem geologisch interessanten Rift Valley, den donnernden Victoriafällen und den wüstenhaften Ebenen der Kalahari.
Zu sehen gibt es am Zugfenster also jede Menge und im Lauf der Reise sind auch etliche (Safari-)Ausflüge vorgesehen. Doch das allein würde wohl kaum den Ruf als «luxuriösesten Zug der Welt» rechtfertigen. Wohl aber die Gourmet-Küche, superedle Salonwagen, mit Mahagoni vertäfelte Suiten Abteile und ein grandioser Butler-Service. Kurz: Fünf Sterne deluxe.
Ein rollendes Fünf-Sterne-Hotel ist auch in Japan unterwegs, der Shiki-Shima. Das bedeutet «Vier Jahreszeiten», sind doch die Reiseangebote mit Stop-overs und Exkursionen auf die jeweilige Jahreszeit abgestimmt. Allen Fahrten gemein ist, dass sie von Tokio Richtung Norden auf die Insel Hokkaido führen, in geräumigen, stilvoll gestalteten Abteilen.
Dabei können die maximal 34 Passagiere in zehn Wagen die vorbeiziehende Landschaft aus zwei Panoramawagen erleben, Sterneköche kreieren exklusive Menüs, und die exklusivsten der Suiten bieten auf zwei Ebenen sogar echtes Kaminfeuer, eine Badewanne, komfortable Betten und umfassende elektronische Unterhaltungsmöglichkeiten.
Indien trumpft sogar mit zwei Luxuszügen auf. Während der Golden Chariot im Süden des Landes unterwegs ist, fährt der Palace on Wheels in acht Tagen durch Rajasthan. 14 neue Waggons im Stil des 19. Jahrhunderts, aber ausgestattet mit Klimaanlage und modernen sanitären Einrichtungen, fahren von Delhi über Jaipur, die Blaue Stadt, und Udaipur mit seinen Kaufmannshäusern und den reich verzierten Fassaden nach Agra, um den Taj Mahal zu besuchen. Auch eine Tiger-Safari gehrt zum Standardprogramm, exzellenter Service samt Gourmetküche sowieso.
Der Gast sagt, wohin
Alles schön und gut, aber wer nicht so weit wegfahren will (womit auch der kanadische Nobelzug Rocky Mountaineer und der Australien von Nord nach Süd durchquerende The Ghan ausfallen) und stattdessen lieber auf Privatsphäre setzt, bucht den Luxon, der seit 2019 auf europäischen Schienen unterwegs ist. Wo genau? Das bestimmt der Gast (und dessen Geldbeutel). Dabei ist der für Business-Events wie Privatanlässe nutzbare 26-Meter-Waggon das Edel-Update eines alten Domecar-Wagens aus den 1960er-Jahren.
Genau genommen besteht dies aus einer Bar, einer Lounge samt Sofabereich, Toiletten und einem erhabenen, vollverglasten Panoramadeck. Das lässt sich rasch von Konferenz- auf Restaurantbestuhlung (inklusive Gastroangebot des Sternekochs Tohru Nakamura) umfunktionieren. Bis zu 30 persönlich geladene Gäste können in diesem modernen Zug reisen, mit bis zu 200 km/h oder auf Wunsch viel langsamer – und durch ganz Europa, sofern die Spurweiten der Gleise passen.
So klapperte jüngst eine Junggesellenrunde tagelang die wichtigsten Lebensstationen des Bräutigams ab, ein Paar juckelte am Alpenrand entlang, um dann zum Finale in Venedig einzufahren. Dank eigener Lok und grosser Bahnexpertise ist theoretisch alles machbar. Unter 11'000 Euro ist der Luxus des Luxon allerdings nicht zu haben.