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So lebst du für einen Tag deinen Privatinsel-Traum
Franz NeumeierWas passt besser zu einer Karibik-Kreuzfahrt als eine einsame Insel mit türkisblauer Lagune und Palmenstrand? Gut, einsam ist die Insel nicht mehr, sobald dort morgens ein grosses Kreuzfahrtschiff vor Anker geht. Exklusiv und unbeschwert sind die eintägigen Aufenthalte auf diesen Inseln dennoch und deshalb mit Piratenromantik und Robinson-Crusoe-Feeling bei Kreuzfahrt-Passagieren höchst beliebt.
Die Meinungen zu den Privatinseln der Kreuzfahrt-Reedereien schwanken zwischen «Paradies» und «Kunstwelt». Und es prallen unterschiedliche Vorstellungen von Ferien aufeinander: Wer Kultur und historische Stätten erleben will, der wird diesen Inseln nichts abgewinnen. Für den perfekten Strandtag, sorgenfrei und sicher, sind sie dagegen genau richtig.
Ein Reigen von Highlights
Als der Privatinsel-Trend Ende der 1980er-Jahre begann, gab es dort kaum mehr als Strand, Palmen, türkisblaues Wasser, eine Steeldrum-Band und eine Bar mit Margaritas und Bahama Mamas. Heute sind die meisten der Inseln und Privatstrände durchorganisiert wie Freizeitparks, ohne dabei aber ihren ursprünglichen Charme verloren zu haben.
Nahezu jedes Kreuzfahrtunternehmen hat heute mindestens eine Privatinsel. Mit immer neuen Attraktionen versuchen sie, sich gegenseitig auszustechen und damit das sonnenhungrige Publikum auf ihre Bahamas- und Karibik-Kreuzfahrten zu locken.
Auf Royal Caribbeans Coco Cay steht die höchste Wasserrutsche Nordamerikas, MSC trumpft in Ocean Cay mit den längsten Sandstränden auf, auf Holland America Lines Half Moon Cay kann man mit Pferden am Strand reiten, NCL hat in Harvest Cay in Belize den grössten Süsswasserpool der Karibik. Letzteren Rekord reklamiert inzwischen auch Coco Cay für sich.
Mehr oder weniger einsame Traumstrände, Baden und Schnorcheln, Palmen-Romantik, BBQ-Lunch vom Holzkohlegrill und karibische Cocktails von der Strandbar: Das haben alle Inseln gemeinsam. Darüber hinaus fahren die Reedereien aber recht unterschiedliche Konzepte. Die beiden Gegenpole sind Royal Caribbean mit Coco Cay, das seit 2019 mit einem veritablen Wasserpark und teuren Cabanas direkt über dem Wasser wirbt, und MSCs Ocean Cay, das bewusst auf laute Attraktionen verzichtet und mit Ruhe und endlosen, weissen Stränden punkten will.
Ocean Cay: Stranderlebnis pur
MSC hat die komplett neu aufgebaute Privatinsel Ocean Cay in den Bahamas erst 2019 in Betrieb genommen. Eine ehemals industriell zum Argonith-Sandabbau genutzte Insel hat die schweizerische Reederei dort zu langen, weissen Stränden mit neu angepflanzten Palmen und sehr viel Freiraum für die Passagiere verwandelt.
Für das richtige Insel-Feeling sorgt eine rot-weisse Leuchtturm-Attrappe mit romantischer Sonnenuntergang-Bar und eine Lagune zum Baden und für Wassersport, deren feiner Sand an Bora-Bora in der Südsee erinnert. Party gibt es hier nur nach Sonnenuntergang, wenn der Leuchtturm eine beeindruckende Lasershow in den Nachthimmel zaubert.
Eine kostspielige Besonderheit leistet sich MSC auf Ocean Cay dann aber doch: Die Insel ist von 165 Quadratkilometer Meeresschutzgebiet umgeben, das die MSC Foundation unter ihre Fittiche genommen hat. In Kooperation mit zwei amerikanischen Universitäten wird dort unter anderem an sogenannten Super-Korallen geforscht, die dem Klimawandel besser widerstehen können.
Coco Cay: Wasserrutschen, Zipline und Helium-Ballon
Die Bahamas-Privatinsel Coco Cay von Royal Caribbean ist dagegen zu einem veritablen Freizeitpark ausgebaut worden: Rekordverdächtig lange oder schnelle Wasserrutschen, diverse Spassrutschen, ein Wellen-Freibad, eine riesige Süsswasser-Lagune mit Swim-up-Bar und Party-Stimmung bieten Abwechslung für Passagiere, die mehr wollen als Sonne tanken.
Eine Zipline führt gar über die halbe Insel. Der exklusive Coco Beach Club bietet Cabanas auf Stelzen direkt über dem Wasser einer türkisgrünen Lagune. Mit einem Helium-Ballon können Passagiere bis zu 150 Meter über die Insel aufsteigen und sich alles von oben ansehen, einschliesslich eines Blicks auf die Nachbarinsel Great Stirrup Cay der Konkurrenz NCL.
Wer all diese – ziemlich teuer zu bezahlenden – Attraktionen nicht braucht, der findet aber auch auf Coco Cay nach wie vor Traumstrände, kostenfrei. Ein paar Schritte weiter gibt es sogar einsame Strandabschnitte mit viel Ruhe und ursprünglicher Inselromantik. Und das, obwohl Coco Cay inzwischen gleichzeitig zwei der grössten Kreuzfahrtschiffe mit zusammen über 12'000 Passagieren empfangen kann.
Nicht immer muss es übrigens gleich eine ganze Insel sein. Royal Caribbean unterhält seit 1986 einen exklusiven Strand in Labadee auf Haiti, Princess Cruises hat sich 1992 die Südspitze der Bahamas-Insel Eleuthera als «Princess Cays» gesichert, und NCL besitzt seit 2016 «Harvest Cay» in Belize als private Destination.
Die wilden Anfänge auf Little Stirrup Cay
Die Popularität der Privatinseln ist ungebrochen, seit Norwegian Caribbean Line, heute NCL, 1977 auf Great Stirrup Cay diesen Trend startete. Die Vorstellung, ein «Out-Island» auf den Bahamas ganz für sich allein zu haben, beflügelte schon damals die Robinson-Crusoe- und Piraten-Fantasien der Kreuzfahrt-Fans.
Dennoch fand sich ein Nachahmer erstaunlicherweise erst zehn Jahre später. Eastern Cruise Line, heute Royal Caribbean, kauft 1988 ausgerechnet NCLs Nachbarinsel Little Stirrup Cay, später in Coco Cay umbenannt. Als «Super Cruises» beworbene Kurzreisen sollten auf dem damals wie heute hart umkämpften Kreuzfahrtmarkt ab Miami neue Impulse setzen.
In den 1980er-Jahren gab es auf Coco Cay nicht viel mehr als ein paar Liegestühle und Hängematten zwischen den Palmen. Das Animationsprogramm bestand aus Beach-Volleyball und einer organisierte Schatzsuche durch den lichten Urwald der Insel mit einer Flasche Rum als Hauptpreis.
Anlegen konnten die Schiffe mangels Pier nicht, vielmehr fuhren die Passagiere mit Beibooten zum Strand. «Alle fanden das sehr charmant. Die Leute wollten gar nicht mehr weg», erinnert sich Ken Rush, der damals als stellvertretender Kreuzfahrtdirektor auf dem 1000-Passagiere-Schiff Emerald Seas arbeitete und heute Entertainment-Direktor bei Royal Caribbean ist.
Rückzugsort für Kriminelle
Was die Kreuzfahrt-Passagiere nicht mitbekamen: «Cocaine Cowboys» trieben damals auf den Bahamas ihr Unwesen – von der korrupten bahamischen Regierung geduldete Drogenschmuggler unter anderem des Medellin-Kartells.
Cathy Reed, Mitte der 1980er-Jahre als Tauchlehrerin auf Little Stirrup Cay, erinnert sich: «Die Insel war ein ziemlich wilder Ort, wenn das Schiff nicht da war. Einmal stiessen wir versehentlich auf Hunderte von Cannabis-Ballen, die im Dschungel auf ihre Abholung warteten. Wir wurden von Männern mit Maschinengewehren bedroht.»
Seitdem hat sich die Situation auf den Bahamas auch dank einer engen Kooperation mit den amerikanischen Behörden grundlegend geändert. Das Drogenproblem haben vor allem die Bahamas längst im Griff. Denn der Kreuzfahrt-Tourismus ist nicht nur für die Bahamas, sondern auch für viele andere Karibik-Staaten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Spass für Passagiere, Jobs für Einheimische
Die Bahamas verdienen einerseits direkt aus den Liegegebühren für die Schiffe und teils durch die Pacht für die Inseln. Sie verpflichten die Reedereien aber auch weitgehend, auf einer Kreuzfahrt neben deren eigenen Insel zusätzlich Nassau oder Freeport anzulaufen und dort für weitere Umsätze zu sorgen.
Auch viele Arbeitsplätze entstehen auf den Inseln für Einheimische. Royal Caribbean beispielsweise gibt an, dass derzeit 60 Prozent der rund 540 permanenten Mitarbeiter auf Coco Cay von den Bahamas stammen. Ziel sei eine Quote von 80 Prozent. Auch die Souvenir- und Kunsthandwerk-Shops auf der Insel in Form von stilisierten Strohhütten werden von Einheimischen betrieben, die fast täglich per Fähre von der Nachbarinsel Great Harbor Cay pendeln.
Die Reedereien profitieren von diesen Deals vor allem, weil sie sich mit den Inseln und Stränden langfristig verlässliche Häfen sichern in einem weiter wachsenden Markt, wo Liegeplätze zunehmend rar sind.
Und die privaten Destinationen sind bei den Passagieren höchst beliebt – nicht zuletzt, weil sie anders als reguläre Karibik-Häfen eine sorgenfreie Umgebung bieten, die sicher ist vor Kriminalität, betrügerischen Taxifahrern, aufdringlichen Strassenhändlern und Taschendieben oder gelegentlicher Gewalt.