Karriere

Arbeit oder Privatleben? Nur eine Seite zu pflegen, empfiehlt sich nicht. Bild: Fotolia

«Work-Life-Balance» – bitte streichen!

Felix Frei

Leistung braucht eine gute Lebensbalance, erklärt Psychologe Felix Frei – schliesslich verbringen wir die Hälfte der Zeit mit Arbeit.

Bitte streichen Sie als Erstes den Begriff «Work-Life-Balance» aus Ihrem Wortschatz. Wenn nämlich für Sie das Leben neben der Arbeit stattfindet, dann haben Sie schon verloren. Immerhin verbringen Sie ja – wenn wir den Schlaf und das Zähneputzen abziehen – ungefähr die Hälfte Ihrer Zeit mit Arbeit. Es wäre doch also schön, wenn Sie diese Zeit auch als Teil Ihres Lebens sähen.

Mit Lebensbalance ist gemeint, dass Sie die verschiedensten Seiten Ihres Lebens auf eine gute Art ausbalancieren können. Arbeit und Nicht-Arbeit. Berufliches und Privates. Ruhe und Anstrengung. Gemütliches und Beschleunigtes. Lustiges und Ernstes. Körperliches und Geistiges. Von keinem dieser Paare (und natürlich noch weiterer) ist es gut, nur die eine Seite zu pflegen. Es ist wie Ein- und Ausatmen – da können Sie auch nicht nur das Eine tun.

Im Beruf wollen und müssen Sie ja viel leisten. Und gerade im Hinblick darauf ist eine gute Lebensbalance eine wichtige Voraussetzung. Natürlich muss diese Balance nicht jeden Tag gelingen. Aber sie sollte eben auch nicht über längere Zeit fehlen. Denn das würde sich rächen.

Etwas vom Wirksamsten ist, Spass an der Arbeit zu haben

Nun erinnert Sie das vielleicht an alle Gesundheitsempfehlungen. Die sind aber fast immer viel zu moralingetränkt. Deshalb schmecken sie uns ja auch nicht. Zwar halten wir unsere Gesundheit für das Wichtigste überhaupt. Aber erst, wenn wir krank sind. Und kaum sind wir wieder gesund, denken wir wieder nicht mehr an dieses Wichtigste.

Der Massstab dafür, welche Lebensbalance gut sei, ist für jeden von uns anders. Den Massstab setzen einzig und allein Sie. Nur müssen Sie das auch tatsächlich tun. Sie müssen lernen, genügend gut auf sich zu achten, um zu wissen, was Ihnen guttut. Sie müssen herausfinden, welche Lebensbalance für Sie übers Ganze gesehen das grösste Wohlbefinden ermöglicht.

Es ist nicht einfach eine maximale Anstrengung, die – wenn wir uns jetzt mal auf das Berufliche beschränken – Ihnen die beste Leistung ermöglicht. Sondern es ist jene Anstrengung, die auf einem soliden Fundament des Wohlbefindens aufbauen kann.

Natürlich ist mir klar, dass Sie längst nicht alles so beeinflussen können, dass es Ihrem Wohlbefinden zuträglich ist. Umso mehr sollten Sie wenigstens das aktiv und gezielt beeinflussen, was Sie beeinflussen können.

Etwas vom Wirksamsten dazu ist es, Spass an der Arbeit zu haben. Sich für das zu interessieren, was man tut und tun muss. Es gut zu machen. Doch das geht natürlich nur, wenn Sie den richtigen Job gewählt haben. Aber es fällt einem auch dann nicht einfach so in den Schoss, sondern man muss sich stets und selbst darum bemühen. Erstaunlich übrigens, für was für ein breites Spektrum von Tätigkeiten sich Menschen dann auch begeistern können und woran sie Spass finden.

Leistung selbst trägt übrigens auch ganz erheblich zum Wohlbefinden bei. Vor allem erfolgreiche.