Karriere

Wenn Sie Ihre Chefin und ihren Tonfall gut kennen, dann wissen Sie, was sie will. Bild: HO

Erwartungen zu klären, ist Sache jedes Einzelnen

Felix Frei

Bei der Chefin nachzufragen, wie etwas genau gemeint war, ist eine verzwickte Sache. Man will ja nicht als schwer von Begriff gelten.

Natürlich dürfen Sie von Ihrer Chefin verlangen, dass die Ihnen ganz genau sagt, was sie von Ihnen erwartet. Aber ich versichere Ihnen: Ihre Chefin ist überzeugt davon, dass sie genau das getan habe. Umso erstaunlicher, wenn Sie dann später erfahren, Sie hätten den Erwartungen Ihrer Chefin nicht oder nicht hinreichend genügt. Wo Sie selbst doch überzeugt waren, genau das getan gehabt zu haben, was die Chefin von Ihnen wollte...

Jeder von uns tut gut daran, es als die eigene Aufgabe zu betrachten, die Erwartungen zu klären, die an ihn gerichtet werden.

Im Alltag ist das aber eine oftmals verzwickte Sache. Man will ja nicht als schwer von Begriff gelten, indem man tausendmal nachfragt. Vielleicht ist man auch völlig überzeugt davon, haargenau verstanden zu haben, was die Chefin meint – nur dass sich hinterher herausstellt, dass dies ein Irrtum war. Oder man merkt erst bei der Ausführung eines Auftrags, dass die Sache doch nicht so klar ist, wie man zunächst dachte.

Glasklare Aufträge bieten keinen Spielraum

Erschwerend kommt hinzu, dass Ihre Chefin in Tat und Wahrheit auch nicht immer so klipp und klar weiss, was sie wirklich will. Wenn Sie ihr dann etwas gemäss Ihrer Vorstellung liefern, kann es sein, dass sie ganz begeistert ist und sagt, genau so habe sie sich das vorgestellt. Aber es kann – zu Ihrem Pech – eben auch sein, dass sie erst dann zumindest merkt, was sie nicht will. Im besten Fall hilft dieser Frust (für Sie beide), anschliessend wenigstens herauszufinden, was sie tatsächlich gewollt hätte.

Glasklare Aufträge hingegen haben den Nachteil, dass sie uns keinen Spielraum mehr lassen. Vor allem dann, wenn sie nicht nur das Was, sondern auch das Wie exaktestens beschreiben. So etwas macht in der Regel keine Laune. Umgekehrt haben unklare, nur schwammig umrissene Aufträge mitunter den Vorteil, dass man kreativ werden und im Grunde genommen machen kann, was man will. Mit dem oben beschriebenen Risiko freilich, dass die Chefin hinterher enttäuscht ist.

Wenn Sie und Ihre Chefin sich aber gut kennen, dann ist die Sache wiederum etwas einfacher. Mit der Zeit wissen Sie ja, wie sie tickt. Sie lernen, bereits am Tonfall zu erkennen, ob etwas dringlich ist oder nicht. Sie wissen genau, ob Sie Ihrer Chefin besser einen sauber formulierten Prosatext oder eine leuchtende PowerPoint-Grafik liefern müssen, damit sie zufrieden ist. All dies natürlich nur, wenn Ihnen daran liegt, möglichst gut zu erkennen, was Ihre Chefin von Ihnen will.

Auch wenn Sie so darauf verzichten müssen, sich immer wieder über unklare Aufträge Ihrer Chefin beklagen zu dürfen: Ich empfehle Ihnen sehr, den sportlichen Ehrgeiz zu haben, die Erwartungen zu klären, die man an Sie stellt: Immer dann, wenn Sie einen Auftrag erhalten, während Ihrer Arbeit, falls Unklarheiten auftreten, beim Erreichen von Zwischenzielen und beim «Debriefing» nach Ablieferung Ihrer Arbeit. Auf die Dauer haben Sie selbst am meisten davon. Nicht zuletzt deshalb, weil Sie ganz nebenbei auf diese Weise lernen, sich Ihrer eigenen Erwartungen an andere bewusster zu werden.