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Belangloses Plaudern ist nicht einfach vertane Zeit, auch nicht während der Arbeit. Bild: Fotolia

Palaver ist das Schmiermittel jeder Gemeinschaft

Felix Frei

Von wegen, schwatzen, tratschen und blöd rumreden während der Arbeit sei vertane Zeit: Psychologe Felix Frei sieht im Geplauder auf der Firmenterrasse auch sein Gutes.

Palaver hat einen schlechten Ruf. Das Wort ist ein Schimpfwort. Zu Unrecht. So problematisch mitunter sich Tratsch und Klatsch zwar auswirken können, das belanglose Plaudern über Gott und die Welt ist nicht einfach vertane Zeit. Auch nicht während der Arbeit – es sei denn, es koste wirklich zu viel Zeit.

Messen darf man den Nutzen aber nicht am kommunikativen Niveau, sondern am Mass, wie sich die Beteiligten ihrer selbst vergewissern können. Palaver ist nicht dasselbe wie eine Diskussion, ein Dialog oder gar eine Rede (mit anschliessender Fragemöglichkeit). Palaver ist dem Menschen das, was den Affen das wechselseitige Lausen ist: das Schmiermittel ihrer sozialen Gemeinschaft. Die einzige Botschaft, die im Palaver transportiert wird, und zwar stets wieder von Neuem, ist die, welche vor vielen Jahren einem Psychologie-Bestseller den Titel gab: Ich bin okay – du bist okay. Nichts beruhigt die Menschen mehr, als wenn sie ihre Sicht der Welt mit anderen teilen können.

Natürlich wird in diesem Palaver – sei es auf dem Flur, in der Kaffeepause oder unter der Rauchabzugshaube – nicht nur über das Wetter, Fussball oder die bevorstehende Hochzeit einer Kollegin geredet. Es wird immer auch mal wieder gelästert. Am liebsten über den Chef oder die Chefs, über «die da oben» oder über (abwesende) Kollegen. Wer das noch nie getan hat, der werfe den ersten Stein...

Es wird immer auch mal wieder gelästert

Doch muss man das, solange es nicht in eine Brunnenvergifter-Atmosphäre ausartet, gelassen sehen. Die oben erwähnte Selbst-Vergewisserung besteht eben genau darin, dass man im Palaver irgendetwas in die Runde werfen kann und an den Reaktionen der anderen merkt, ob man mit der eigenen Meinung völlig daneben liegt oder ob man Zustimmung/Bestätigung/Verständnis findet. Aufgrund des inoffiziellen Charakters eines Palavers hat das Gespräch aber gar nie stattgefunden (zumindest machen sich das die Beteiligten gerne vor). Also hat man durchaus eine Chance, seine Meinung unauffällig auch wieder zu revidieren oder zu differenzieren.

Zugegeben, es gibt Leute, die reden beim Palavern ganz einfach dumm. Denn wie Albert Einstein sagte, sind nur zwei Dinge unendlich: Das Weltall und die menschliche Dummheit – aber beim Weltall sei man sich noch nicht sicher. Dass Menschen manchmal dumm daherschwätzen, ist unvermeidlich. Doch darf (und sollte) man es ihnen ganz unverblümt sagen, wenn man ihr Gerede für dumm hält. Auch dafür bietet das Palaver gute Chancen.

Wenn solche Leute, mangels Möglichkeiten zum Palaver, statt dumm zu reden einfach schweigen – aber natürlich weiterhin dumm denken (und wohl auch handeln) – würden, dann wäre das viel schlimmer. Dann könnte man ihnen nämlich kein Paroli bieten – oder erst viel zu spät.

Eine Arbeitsorganisation, die alle Möglichkeiten zum Palaver eliminieren würde (ausmalen kann man sich das ja), wäre keineswegs besonders effizient. Sie würde in kurzer Zeit zerbrechen, denn sie wäre wie ein Motor, der Öl verloren hat. Auch wenn ich Ihnen nicht zum Rauchen rate: Es ist bekannt, dass die Raucher zu den Bestinformierten in Firmen gehören. Palaver beim Rauchabzug sei dank.