Karriere

Lob kann auch kontraproduktiv sein: Wenn es das Gefühl vermittelt, die Lobende sei echt überrascht davon, dass man das geschafft habe. Als hätte sie es einem niemals zugetraut. Bild: Fotolia

Lob ist süss, und süss macht dick

Felix Frei

Gelobt zu werden ist zwar eine schöne Sache, schreibt Psychologe Felix Frei, zu viel davon, ist aber ungesund.

Zweifelsohne lobt Sie Ihr Chef viel zu wenig. Hierzulande gilt ja bei vielen Vorgesetzten eher das Motto: «Nix gesagt ist genug gelobt.» Entsprechend kehren auch viele Führungskräfte aus ihren Führungsseminaren heim mit dem Vorsatz: Ich sollte meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter doch etwas häufiger loben. Und auch dieser Vorsatz geht den traurigen Weg aller Vorsätze – in die Vergessenheit.

Nun ist es sicher eine schöne Sache, gelobt zu werden (das findet Ihr Chef, auf sich bezogen, übrigens auch – er wird selbst ebenso viel zu wenig gelobt). Das Schöne am Gelobtwerden hat aber vieles von Süssigkeiten: sie schmecken, aber sie machen dick. Zu viel ist eben – auch in diesem Fall – ungesund.

Zu viel des Lobes ist nicht primär deshalb ungesund, weil es Ihnen in den Kopf steigen würde (das fürchtet Ihr Chef vielleicht). Es sind andere Dinge, die ein Lob des Lobens fragwürdig machen.

Man tut dann die Dinge immer mehr um des Applauses und immer weniger um der Sache willen.

Erstens verlangt Lob, wie andere Drogen, nach mehr. Man wird nicht einfach satt davon, sondern man braucht eine immer höhere Dosis. Damit kann Ihr Chef aber auf Dauer nicht dienen – und schliesslich fühlen Sie sich doch wieder zu wenig gelobt.

Zweitens verführt Lob dazu, sich immer mehr auf Lob auszurichten. Man tut dann die Dinge immer mehr um des Applauses und immer weniger um der Sache willen. Wie bei den TV-Shows, die auf Quote statt auf Qualität aus sind, sinkt das Niveau dabei galoppierend gegen Null.

Drittens reduziert das Lob das Selbstbewusstsein. Genau! Zwar stärkt es kurzfristig das Selbstwertgefühl – wow, was bin ich gut! Aber
es senkt die Fähigkeit, selbst beurteilen zu können, wann man eine gute Leistung erbracht hat und wann nicht – und dies ist eine wichtige Säule guten Selbstbewusstseins.

Viertens ist Lob zumindest dann kontraproduktiv, wenn es das Gefühl vermittelt, der Lobende sei echt überrascht davon, dass man das geschafft habe. Als hätte er es einem niemals zugetraut.

Fünftens stärkt Lob eine Seite im Thema «Führen und geführt werden», die aus der einen Optik patriarchalisch heisst (wenn sich Ihr Chef wie ein Patron aufführt), die man aus der anderen Optik aber als kindlich bezeichnen muss, wenn nämlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anfangen, ständig auf die lobenden Worte von Papa (oder Mama) Chef zu luchsen.

Auch fürs Loben gilt also das berüchtigte Schweine-Gesetz nicht, wonach, wenn etwas gut ist, mehr vom selben besser ist. Diese Erkenntnis soll nicht Ihren Chef entschuldigen, wenn der unfähig ist, seine Anerkennung Ihrer Leistung auch auszusprechen. Das bleibt durchaus seine Aufgabe.

Es soll Sie aber dazu anregen, gelegentlich darüber nachzudenken, ob Sie auch genügend selbstbewusst (und aber auch selbstkritisch) Ihre eigene Leistung beurteilen können. Ein kleines Stück Schokolade in Form eines gelegentlichen Lobes (durch den Chef, durch Kollegen oder durch Kunden) sollen Sie selbstredend weiterhin geniessen. Mit Mass genossen macht es ja auch nicht dick.