Karriere

Seit Jahren ist Stress zu einem Statussymbol für jedermann geworden. Kaum jemand, der nicht meint, seinen Stress ganz stolz vor sich hertragen zu müssen. Bild: Fotolia

Es gibt schöne Statussymbole – Stress ist keines

Felix Frei

Warum Stress als Statussymbol nichts taugt, erklärt Psychologe Felix Frei.

Vorgesetzte müssen manchmal viel tun für ihre Karriere. Manche lieben es denn auch, wenn ihre Anstrengungen mit sichtbaren Zeichen der Anerkennung belohnt werden. Ein grösseres Büro, überhaupt ein Einzelbüro, ein toller Geschäftswagen, ein schmucker Titel. Oder sie leisten sich tolle Sachen. Das ist jedem zu gönnen.

Von mir aus darf man die Statushierarchie auch durch unterschiedliche Mausschwanzlängen an den PCs symbolisieren, solange das jemanden glücklich macht. Auch wenn ich nicht sehr statusbewusst bin, ich nehme es anderen nicht übel. Im Gegenteil: Statusbewusste vollführen ja nicht selten amüsante Kapriolen, und dieser Unterhaltungswert ist für Zuschauer wohl zu schätzen.

Ein Thema für unseren Kontext ist dies deshalb, weil Vorgesetzte Vorbilder sind. Immer. Entweder gute oder schlechte. Wenn Ihre Chefin Wert legt auf eines der oben genannten Statussymbole, so laufen Sie natürlich nicht Gefahr, diesem Vorbild zu folgen, denn Sie werden ja gar nicht selbst darüber entscheiden können.

Doch bei einem, heute sehr beliebten, Statussymbol besteht eben durchaus die Gefahr, dass Sie das Vorbild Ihrer Chefin oder das von deren Chefin nachahmen: beim Stress. Und das wäre falsch.

Auf Dauer wird der Preis viel zu hoch

Seit Jahren ist Stress zu einem Statussymbol für jedermann geworden. Kaum jemand, der nicht meint, seinen Stress ganz stolz vor sich hertragen zu müssen. Er braucht keine Bewilligung von oben. Und er kostet ja auch nichts – im Unterschied zu einem grösseren Haus, einem schnelleren Auto oder einem teureren Ehemann, was Sie sich nur mit dem nötigen Kleingeld leisten können.

Aber Stress sieht nur aus, als wäre er günstig zu haben. Er gleicht eher dem Kauf eines überteuerten Wagens mithilfe eines hochverzinsten Barkredits. Auf Dauer wird der Preis dann doch viel zu hoch.

Selbstredend gibt es (auch ausserhalb der Landwirtschaft) Menschen, die gelernt haben zu klagen, ohne zu leiden. Das sind natürlich die Könner in diesem Spiel. Schlimmer steht es für die, welche den Stress, den sie vor sich hertragen wollen, zuallererst produzieren – weil er ja nur so echt genug wirkt.

Wenn Sie auf Dauer zu viel Stress haben, sollten Sie nicht darauf stolz sein, sondern etwas dagegen tun. Achtung: Viel Arbeit oder Hektik muss noch nicht Stress bedeuten! Stress ist etwas, das Sie nach und nach krank macht. Und das ist die Sache nicht wert – egal, wie viele Leute rund um Sie herum oder wie viele von Ihren Chefinnen Stress als Statussymbol tragen. Machen Sie es nicht ebenso, sondern besser.

Sie müssen dazu lernen, über Ihren Schatten zu springen und Ihr Stressproblem bei Ihren Kollegen und Ihrer Chefin auf den Tisch legen, bevor Sie krank sind und ohne dass Sie deshalb Schuld- und Versagensgefühle haben. Das nimmt Ihnen meistens niemand ab.

Wenn die, welche Ihnen helfen könnten, nicht verstehen, warum Stress als Statussymbol nichts taugt, dann sollten Sie denen etwas von Ihrer Arbeit abgeben. Das erhöht dann zwar deren Stress. Doch vielleicht checken diese auch irgendwann, dass Stress das dümmste aller möglichen Statussymbole ist: Es wäre schön, wenn sich dies langsam herumspräche.