Karriere

Top-Reiseverkäuferinnen und -verkäufer wechselten zuletzt den Arbeitgeber, schliesslich lagen seit Pandemie-Ende unzählige verfügbare Jobs auf dem Markt. Bild: Adobe Stock

Kommentar Schmerzhafter Personalabgang

Gregor Waser

In Zeiten volatilen Buchungsverhaltens ist für ein Reiseunternehmen ein hoher Stammkundenanteil sehr wichtig. Stammkunden wiederum schätzen den Draht zu einem einzelnen, erfahrenen Reiseprofi. Wenn die oder der geht, tut's einem Unternehmen doppelt weh.

Schweizer Reisebüros oder direkt vertreibende Reiseveranstalter zählen in der Regel auf sehr viele Stammkunden, wie sich diese Woche bei einer Recherche von Travelnews gezeigt hat. Sprechen einige Anbieter wie Tourasia von einem Drittel der Kunden, die wiederholt und mehrmals buchen, sind es bei Dive and Travel 60 Prozent, bei Vögele und Imbach Reisen sogar 70 bis 75 Prozent Repeaters. Entsprechend scheuen die Reiseunternehmen keine Kosten und Mühe, die Stammkunden bei Laune zu halten, sei es mit einem besonderen Event, Essen, Geschenk, Rabatt oder dem Weglassen der Auftragspauschale.

Die Krux für Reisebüros: oft basiert die langjährige Beziehung des Stammkunden auf dem guten Draht zu einem bestimmten Reiseprofi, der oder die den Kunden und seine besonderen Reisebedürfnisse bestens kennt und so ohne viele Rückfragen eine Reise massgeschneidert zusammenstellen kann.

Nun kam es zuletzt zu vielen Personalwechseln. Top-Reiseverkäuferinnen und -verkäufer, aber auch etliche Filialleiterinnen und -leiter wechselten den Arbeitgeber, schliesslich lagen seit Pandemie-Ende unzählige verfügbare Jobs auf dem Markt. Ein Abgang eines langjährigen Mitarbeiters tut einer Firma oft aber sehr weh. Der Know-Verlust im Team ist meist gross. Und noch schlimmer: es kommt immer wieder vor, dass mit dem austretenden Mitarbeitenden auch noch der eine oder andere Stammkunde mit ihm oder ihr weiterzieht.

Kaum Beweiskraft in möglichem Streitfall

Klar, es gibt Firmen, die setzen eine Klausel in den Arbeitsvertrag, die es verbietet, nach einem allfälligen Wechsel bisherige Kunden zu kontaktieren. Doch in der Realität guckt die Firma gleichwohl in die Röhre. Denn wirklich viel machen kann man gegen die Kundenabwanderung nicht, solange der in Kündigung stehende Mitarbeiter nicht gleich in flagranti beim Download oder Kopieren der Kundendaten ertappt wird.

Denn in einem möglichen Streitfall kann sich der Verkäufer hinter die Begründung stellen, sorry, der Kunde hat mich gesucht und gefunden. Und herauszufinden, wo ein Reiseprofi neu arbeitet ist in Zeiten von LinkedIn & Co. etwa so schwierig wie eine Google-Recherche über das anstehende Wetter.

Gleichzeitig ist es für einen Bewerber eine Option, beim Bewerbungsgespräch durch die Blume von der Vielzahl an Kundenkontakten oder zumindest von einem grossen Bekanntenkreis zu sprechen und davon, dass diese Buchungen auch künftig möglicherweise abgewickelt werden können, um sich so im Anstellungsgespräch noch attraktiver zu schmücken.

In Zeiten volatiler Reisekunden, die heute mal hier, morgen da und übermorgen online buchen, ist ein hoher Stammkundenanteil Gold wert. Und gleiches gilt eben auch für jene Angestellten mit dem guten Draht zum Stammkunden. Insofern gilt es eben nicht nur die Stammkunden zu pflegen, umgarnen und hätscheln, sondern die erfolgreichen Mitarbeitenden ebenso.