Karriere
Einwurf Das Potenzial der Working Moms
Sabine DenzelWaren in den letzten drei Jahren die Jobangebote innerhalb der Reisebranche genauso wie auch in anderen Branchen eher rar gesät, so quellen jetzt die einzelnen Jobportale und Stellenbörsen vor Angeboten fast über. Spezialisten sind gefragt, sind doch viele während der Pandemie aus dem Tourismus in andere Branchen abgewandert und leider auch nicht mehr zurückgekommen.
Doch genauso auffällig wie die Tatsache, dass es aktuell sehr viele offene Jobangebote gibt, ist die Tatsache, dass ein Grossteil der Jobangebote nur mit einem Vollzeitpensum angeboten wird, bestenfalls vielleicht noch die Möglichkeit mit einem 80%-Pensum.
Würde ich also aktuell einen neuen Job suchen (nein, lieber Chef, ich suche nicht!), würden von den vielen offenen Angeboten ein Grossteil der Stellenangebote für mich nicht in Frage kommen.
Und bevor nun ein lauter Aufschrei kommt, warum ich denn jetzt nur die Seite der arbeitenden Frauen und Mütter beleuchte – liebe Väter, bitte schreibt uns doch auch, warum es einfach nicht immer fair ist, dass immer die Mütter daheimbleiben, um sich um die Kinder zu kümmern und in der Regel nur Teilzeit arbeiten können. Schreibt doch, warum es für Euch noch schwieriger ist. Denn ein Vater mit Teilzeitjob, damit er sich um die Kinder kümmern kann, hat noch mit weniger Akzeptanz zu rechnen als eine Mutter.
Zeitmanagement ist ein anderes geworden
Jahrelang hat man in einer Vollzeitstelle gearbeitet, hat sich jahrelange Erfahrung in verschiedensten Bereichen erarbeitet und ja, irgendwann kamen die Kinder. Die Schweiz ist hier noch etwas rückständiger als manche Nachbarstaaten – 14 Wochen Mutterschutz und das war’s, zurück an den Arbeitsplatz. Mit einem kulanten Arbeitgeber kann man eventuell eine Arbeitszeitreduzierung aushandeln, ansonsten sollte es bitte im bisher gewohnten Pensum weitergehen. Zum Vergleich – in Deutschland hat man den Anspruch auf drei Jahre Mutterschutz (unkündbar!), wovon ein Jahr mit dem sogenannten «Elterngeld» sogar noch finanziert wird.
Das ist die Ausgangslage: Eine top-qualifizierte Mitarbeiterin hat nun ein Kind und möchte dieses auch nicht nur abgeben bzw. nur für die Krippengebühren arbeiten und sucht daher eine Stelle. Aber bitte Teilzeit!
Und hier fangen die Probleme an. «Was ist denn, wenn das Kind krank ist?», «Bekommst Du die Arbeit denn hin?», «Du bist ja immer gleich weg und nicht für Überstunden bereit». Ein Grossteil der arbeitenden Mütter mussten wohl bereits gegen solche Vorurteile kämpfen.
Liebe Arbeitgeber: ja, unter Umständen ist man nicht mehr 100% flexibel, wenn da halt ein Kind in der Krippe darauf wartet, dass Mama es abholt. Ja, ein Kind ist auch mal krank – genauso wie jeder Mitarbeiter krank werden kann.
Aber: was ich als Mutter gemerkt habe ist, dass mein Zeitmanagement ein ganz anderes geworden ist. Ich habe beispielsweise morgens vier Stunden Zeit. Und ich würde jetzt behaupten, dass ich in den vier Arbeitsstunden konzentriert genauso viel schaffe, wie manch anderer in deutlich mehr Zeit. Man ist speditiver und zielgerichteter. Arbeitsqualität misst sich nicht in der Anwesenheitszeit.
Homeoffice und flexible Arbeitszeiten sind gefragt
Einige Firmen haben dies erkannt und ihre Stellenausschreibungen entsprechend angepasst. Und hier ist nicht die Rede von Workation, eine ganz tolle Sache für viele Mitarbeiter, aber nicht das, was Teilzeit-Mamas brauchen. Hier sind Homeoffice Möglichkeiten und flexible Arbeitszeiten gefragt.
Erkannt hat das bereits DER Touristik Suisse und bewirbt dies entsprechend, auch TUI und Hotelplan haben flexible Modelle im Angebot. Ein Vorzeigebüro, das beweist, dass es geht, eine Firma hauptsächlich mit Teilzeitkräften und Müttern gut zum Laufen zu bringen, ist das Cruise & Ferry Center – Rebecca Giger, selbst Mami und Firmenchefin, hat hier mehr als positive Erfahrungen gemacht. «Ich arbeite Teilzeit und bin gleichzeitig Mutter, gemeinsam mit einem Team aus Teilzeitbeschäftigten, von denen die meisten ebenfalls junge Mütter sind. Die Wertschätzung für erfüllende Teilzeitarbeit ausserhalb des Hauses ist in unserer Gruppe deutlich zu spüren. Es gibt ein hohes Mass an gegenseitigem Verständnis für die Balance zwischen Beruf, mentaler Belastung und häuslicher Arbeit. Aufgrund dieser Faktoren betrachte ich ihr Engagement als überdurchschnittlich und bin äusserst dankbar, diesen Weg gemeinsam mit meinem Team beschreiten zu dürfen», sagt Rebecca Giger.
Auch in den Sozialen Netzwerken wie LinkedIn finden sich immer mehr Zusammenschlüsse von Müttern, die auf das Potential der Working Moms aufmerksam machen wollen, beispielsweise von Anika Schmidt von FreeMOM, einer Freelancing Plattform für Mütter. Sie ist der Meinung, dass «solange in Führungsetagen nicht erkannt wird, dass die Kombination aus Berufs- und Familienleben auch für die Arbeitswelt gewinnbringend ist, solange wird es nicht mehr Frauen in Führungspositionen geben oder mehr Mütter für den Arbeitsmarkt.»
Die Gespräche bei abendlichen Events und Messen in der Tourismusbranche zeigen mir: Noch immer ist das Homeoffice-Teilzeit-Modell nicht bei allen angekommen und vor allem wird es nicht überall akzeptiert. Klar: es ist sicher nicht die absolute Patentlösung, um dem Fachkräftemangel in der Reisebranche entgegenzuwirken. Aber dennoch sollte jede Firma, die händeringend Personal sucht, prüfen, ob und wie sich ein solches Modell bei ihnen umsetzen lässt.