Karriere
Reiseunternehmen müssen umdenken
Im Vergleich zu anderen Branchen hat die Tourismusbranche in den letzten fünf Jahren an Beliebtheit eingebüsst, wie das diesjährige Ranking des Jobportals mycareergate.ch zeigt. Die Pandemie hat der Reisebranche zugesetzt. Das Business lag am Boden, viel undankbare Zusatzarbeit fiel zu Beginn der Pandemie an, beim Salär haben andere Branchen die Nase vorn.
In der sich normalisierenden Reise- und Tourismuswelt kommt die Jobattraktivität zwar zurück. Doch der aktuelle Fachkräftemangel wird sich leider nicht über Nacht auflösen. Denn es kommt ein neues Problem auf den Arbeitsmarkt hinzu, das alle Branchen betrifft.
Aus demografischen Gründen wird nämlich die Zahl der arbeitenden Schweizer Bevölkerung von aktuell 5,23 Millionen in den nächsten 10 Jahren auf noch rund 4,5 bis 4,7 Millionen schrumpfen. 50'000 bis 70'000 Leute pro Jahr gehen in in den nächsten zehn Jahren mehr in Pension, als neue Arbeitnehmende an den Start gehen. Somit wird der Konkurrenzdruck im Kampf um Arbeitnehmende zwischen den einzelnen Berufsbranchen noch härter.
So sieht jedenfalls die Ausgangslage heute aus. Die möglichen Hebel, um gegen diese Entwicklung anzukämpfen, sind bekannt: Rentenalter rauf, mehr ausländische Arbeitnehmende ... doch da hagelt es von linker politischer Seite beim einen, von rechts beim anderen Thema heftige Gegenwehr.
«Junge Menschen wollen den Purpose, den Zweck ihrer potenziellen Tätigkeit kennen, sie interessieren sich für die Unternehmenskultur, legen Wert auf das Team.»
Doch was könnten Lösungsansatze sein? Jean-Philippe Spinas, der Co-Founder von mycareergate.ch, mit einem Background in der Reisebranche als Swissair-, Kuoni- und STA-Manager, sagt dazu: «Man kann auf Automatisierung und Digitalisierung setzen. Damit lässt sich trotz weniger Personal die Produktivität halten oder gar verbessern. Das heisst aber auch, dass immer mehr <einfache Jobs> wegfallen und die Ansprüche an die Personen, welche die verbleibenden Stellen besetzen sollen, weiter ansteigen werden.»
Zum Thema Saläre in der Reisebranche macht sich Spinas diese Überlegungen: «Klar, wenn man statt dem stressigen Reisebüro-Job 1000 Franken mehr bei der Sicherheitskontrolle am Fluhafen verdienen kann, werden sich dies einige überlegen. Wir haben aber festgestellt, dass das Salär nicht zwingend das wichtigste Kriterium ist, wenn eine Stelle gesucht wird.» Gerade junge Menschen suchten primär nach Entwicklungsmöglichkeiten. «Sie wollen den <Purpose> ihrer potenziellen Tätigkeit kennen, sie interessieren sich für die Unternehmenskultur, legen Wert auf das Team.» Das primäre Kriterium sei, ob man in einem bestimmten Unternehmen überhaupt arbeiten will, und erst in zweiter Instanz dann, ob man den angebotenen Job per se will.
Entsprechend empfiehlt Jean-Philippe Spinas Reiseunternehmen, die Denkweise und CRM-Tools, wie sie in der Salesabteilung zur Anwendung kommen, auch bei der Mitarbeitersuche in der Personalabteilung einzusetzen: «Potenzielle Arbeitnehmer sollte man wie Kunden behandeln. Man muss das Interesse wecken, die Person begleiten, ihre Wünsche und Bedürfnisse kennenlernen und zuletzt ein passendes Angebot machen. Man sollte auch transparent sein.» Das herkömmliche Modell, nach welchem man einfach einen Job ausgeschrieben habe, mit einer trockenen Beschreibung und der Aufforderung sich zu melden, locke nicht mehr.
Die Firma müsse darlegen können, wieso man bei ihr arbeiten sollte. «Es sollte klar aufgezeigt werden, welche Benefits ein Arbeitnehmer haben kann. Es gibt Firmen mit Antrittsprämien, welche beispielsweise in Weiterbildung investiert werden können. Viele setzen jetzt auf die Möglichkeit einer Workation.» Es müsse aber nicht immer mit der grossen Kelle angerührt werden, findet Spinas: «Kleinere Unternehmen können mit Authentizität und Flexibilität punkten. Und es sollte eine Art Karriereweg möglich sein, oder die Firma sollte sich als wichtige Stufe auf einer Karriereleiter präsentieren können.»