Karriere
Einwurf Wird Führung eigentlich jemals besser?
Felix FreiHeute ist der 99. und damit letzte Führungsbrief auf diesem Portal erschienen. Jeden Montag haben Sie, geschätzte Führungskräfte, hier eine Anregung zum Start in die neue Woche, zur Reflexion Ihrer Führungsprinzipien bekommen. Es sei mir als Verfasser dieser Briefe erlaubt, Ihnen hier noch eine letzte Frage auf den Tisch zu legen.
In einer separaten Box haben wir jederzeit transparent gemacht, dass diese Briefe bereits vor 16 (die ältesten) bis vor 8 Jahren (die jüngsten) geschrieben worden sind. Wann immer ich ins Gespräch mit Leserinnen und Leser unserer Plattform kam, machte ich die Beobachtung, dass ihnen das meist entgangen war. Offenbar wirkten die Themen nicht verstaubt. Dabei sind acht bis sechzehn Jahre heutzutage ja unendlich viel Zeit. Zu Beginn der ganzen «Übung» gab’s noch nicht einmal das iPhone …
Natürlich haben aufmerksame Leserinnen und Leser schon gemerkt, dass in diesen Briefen nicht ununterbrochen von ätschail oder Tschällensch und dergleichen die Rede war. Ansonsten aber: offenbar alles zeitgemäss. Ich muss vielleicht anmerken, dass wir redaktionell bei den Briefen nur zwei oder dreimal kleinste Korrekturen angebracht haben, vor allem um Verweise auf Aktualitäten anzupassen (zum Beispiel die Namen von managerialen Top Shots oder mediale Verweise).
Unverändert aktuell
Meine Frage lautet nun: Wie kann es sein, dass die in diesen 99 Führungsbriefen behandelten Themen unverändert aktuell sind? Eine mögliche Antwort können wir gleich ausschliessen: Es liegt nicht an meiner «Weitsicht». Selbst wenn ich mir das bei ein paar Themen einbildete – 99-mal funktioniert das nicht. Eine andere denkbare Antwort wäre: Das ist wie bei der Primarschule – jedes Jahr kommen neue Kinder, die lesen und schreiben lernen müssen. Dann wären die Führungsbriefe nur gerade interessant für Newcomer in der Führungsrolle gewesen. Die Feedbacks, die ich ab und zu erhalten habe, legen das gar nicht nahe. Eher noch das Gegenteil!
Eine pessimistische Antwort würde lauten: Es wird eh nie etwas besser in der Führung – ein hoffnungsloser Fall. Dazu habe ich vor zweieinhalb Jahren in einem Freibrief einige Überlegungen angestellt und versucht, nicht allzu pessimistisch zu sein. Da wo es menschelt – das war in etwa mein Fazit – sollten wir unsere Erwartungen einfach nicht allzu hochschrauben.
Eine pragmatische Antwort dagegen könnte lauten: So ist das nun mal im Leben. Auch wenn wir die zwischenmenschlichen Probleme – und davon wimmelt es in der Führung – niemals loswerden, wir müssen uns ihnen immer wieder stellen. So betrachtet könnte ich ja der Redaktion vorschlagen, den Zyklus wieder bei Nr. 1 zu beginnen und bis Nr. 99 zu wiederholen – da capo al fine, wie es in der Musik heisst. Wäre aber auch nicht grad das Gelbe vom Ei …
Nicht entmutigen lassen
Eine optimistische Antwort könnte lauten: Die Führungsthemen bleiben. Das heisst aber nicht, dass im konkreten Fall keine Fortschritte gemacht werden. Führungskräfte, die ihre Arbeit und sich selbst reflektieren, machen durchaus morgen etwas besser als heute – auch wenn sie dann übermorgen vielleicht wieder einen Rückfall verzeichnen müssen. Wenn sie sich davon aber nicht entmutigen lassen, dann ist das schon viel Grund für Optimismus. Insbesondere, wenn die von ihnen geführten Menschen nicht einfach mit verschränkten Armen dastehen und stirnrunzelnd darauf waren, dass sich ihre Chefin oder ihr Chef endlich spürbar verbessert, sondern ihren eigenen Anteil an der Führungsbeziehung mit reflektieren und das eigene Tun und Lassen ebenfalls bedenken. Ich hoffe, dass diese optimistische die richtige Antwort auf meine Frage ist.
Um solchen Führungskräften und solchen Geführten die hier häppchenweise dargereichte geistige Wegzehrung auch in einer handlichen Form weiterhin zugänglich zu halten, stellen wir ihnen die gesammelten 99 Führungsbriefe in einem integrierten PDF hier in elektronischer Form zur Verfügung (allerdings leider ohne die erwähnten kleinen Aktualisierungskorrekturen!). Vielleicht kann dies weiterhin zur einen oder anderen Anregung führen oder die Basis für ein gemeinsames Gespräch bilden. Ich glaube, zumindest in meinen optimistischen Momenten, dass Führung nicht «jemals» besser wird. Aber dass sie immer wieder, peu à peu, in vielen Unternehmen und Teams in ganz Konkretem besser wird – und dort, wo sie schon sehr gut gelebt wird, auch auf einem guten Niveau lebendig gehalten wird.
Wenn die Führungsbriefe dazu einen kleinen Beitrag leisten können, dann wäre das doch sehr erfreulich. Allen treuen Leserinnen und Leser meiner Führungsbriefe (wie übrigens auch der «Freibriefe» und der «Bösen Worte» davor) danke ich sehr herzlich für ihr Interesse. Als regelmässiger Kolumnist verabschiede ich mich damit. Machen Sie es weiterhin gut!