Karriere

«Effizienz ist gut. Und dennoch gilt leider auch hier das Schweinegesetz nicht, wonach – wenn etwas gut ist – mehr vom selben besser ist.» Cartoon: Silvio Erni

Effizienz

Felix Frei

Hier kommt, geschätzte Führungskräfte, eine Anregung zum Start in die neue Woche, zur Reflexion Ihrer Führungsprinzipien.

Warum fällt es in der Führungsarbeit oft schwer, effizienzsteigernde Massnahmen durchzusetzen? Effizienz ist doch etwas unbestritten Gutes. Effizienz ist das Verhältnis zwischen einem definierten Nutzen und dem Aufwand, der zu dessen Erreichung notwendig ist: Mehr Effizienz bedeutet, den gleichen Nutzen mit weniger Aufwand zu erreichen – oder mit dem gleichen Aufwand einen grösseren Nutzen zu erzielen. Was kann man da dagegen haben?

Klammern wir den naheliegenden und verständlichen Fall aus, dass niemand das Rationalisierungsopfer von effizienzsteigernden Massnahmen sein will. Beschränken wir uns auf den weniger verständlichen Fall, wo sich Widerstand gegen effizienzsteigernde Massnahmen aufbaut, selbst wenn in der Folge nicht Stellen abgebaut werden. Dieser Fall wird nachvollziehbarer, wenn man versteht, warum mehr Effizienz gar nicht immer besser ist. Effizienz ja, aber... Ich sehe sieben Aber, die Sie im Auge behalten sollten, wann immer Sie auf effizienzsteigernde Massnahmen aus sind.

Aber Nr. 1 – Die Multiplikationsregel

Effizienz ist nicht gleich Effektivität. Letzteres meint Wirksamkeit. Eine Massnahme ist dann effektiv, wenn sie den angestrebten Nutzen tatsächlich schafft (egal mit welchem Aufwand oder zu welchem Preis). Effektiv heisst, die richtigen Dinge tun; effizient heisst, die Dinge richtig tun. Der Wert Ihrer Massnahmen ergibt sich nun aus der Multiplikation von Effizienz und Effektivität. Eine wirkungslose Massnahme ist auch bei grösster Effizienz wertlos. Effizienz ist nicht bedingungslos gut, sondern erst in Verknüpfung mit einer guten Effektivität.

Aber Nr. 2 – Der Lokalitätsvorteil

Man darf nicht einfach unterstellen, Zentralisierung und unternehmensweite Vereinheitlichung führten in jedem Fall zu mehr Effizienz. Wer effizienzsteigernde Massnahmen aus einer zentralen Funktion in sonnenköniglicher Manier nach dem Grundsatz «une foi, une loi, un roi» unternehmensweit durchsetzen will, verkennt oft, dass damit abteilungslokale Besonderheiten zu wenig beachtet werden, so dass die Effektivität sinkt (was, wie unter Aber Nr. 1 gesagt, den Wert der Effizienz mindert) oder – vielleicht noch häufiger – die Effizienz gesamthaft sinkt, weil nämlich lokal zu viel «Abwärme» entsteht: Ärger, Auseinandersetzungen über Sinn/Unsinn einer Vorgabe oder Massnahme, Umgehungsversuche, bis hin zur versteckten oder offenen Subversion. Der schweizerische Föderalismus, auf den wir ach so stolz sind, ist gewiss nicht das Effizienteste. Aber manchmal vielleicht dennoch nützlich. Auch um den Preis einer gewissen Ineffizienz.

Aber Nr. 3 – Der Verschwendungsnutzen

Ineffizienz ist nicht immer unnütz. Evolutionsbiologen sagen, der Pfau leiste sich sein «teures» und unbequemes Schwanzgefieder nicht trotz, sondern wegen seiner verschwenderischen Ineffizienz. Die Botschaft (an die Weibchen) lautet: Seht her, wie stark ich bin, ich kann mir sogar dieses unnütze, aber schöne Rad leisten. Nicht viel anders im Zwischenmenschlichen: Im Film «A Beautiful Mind» muss das der mathematisch geniale Held erfahren, als er einer Frau in der Bar vorrechnet, das ganze Vorgeplänkel mit Drink spendieren, Konversation machen, gemeinsam essen usw., um dann endlich zusammen im Bett zu landen, sei doch ineffizient, man würde besser gleich zur finalen Tat schreiten und subito ins Bett gehen. Statt seines errechneten Effizienzgewinns erntet er eine schallende Ohrfeige. Und so ist es auch im betrieblichen Alltag manchmal sinnvoll, beispielsweise den scheinbar ineffizienten Umweg über manch langwieriges Gespräch zu nehmen, statt, zack, einen Entscheid zu fällen. Die durch Gespräche erreichbare Akzeptanz des Entscheids mag seine Ineffizienz mehr als wettmachen.

Aber Nr. 4 – Das Pareto-Prinzip

Oftmals lassen sich mit 20% des Aufwands 80% des Nutzens erreichen, während es weitere 80% Aufwand kostet, die letzten 20% des Nutzens zu holen. Wo das stimmt, da sollte man von einer immer weiteren Steigerung der Effizienz absehen. Es lohnt sich einfach nicht, eine Zitrone bis auf den allerletzten Tropfen auspressen zu wollen. Insofern gilt das so genannte Schweinegesetz – «Wenn etwas gut ist, ist mehr vom selben besser!» – wie auch sonst überall, so eben auch hier nicht.

Aber Nr. 5 – Die Gewürztheorie

Effizienz ist kein Selbstzweck. Effizienz ist Salz und Pfeffer – aber nicht das Fleisch. Ohne Salz und Pfeffer würde das Fleisch nicht schmecken, aber noch weniger schmecken Salz und Pfeffer ohne Fleisch. Die Gewürztheorie der Effizienz besagt, dass es auf das richtige Mass und den richtigen Zeitpunkt und natürlich das angestrebte Menü ankommt, wenn ein Gewürz das Essen verbessern soll. Analoges gilt für effizienzsteigernde Massnahmen.

Aber Nr. 6 – Das NIHS

Selbsterfundene effizienzsteigernde Massnahmen oder solche, an deren Entwicklung man zumindest aktiv beteiligt wurde, werden effektiver – und effizienter! – umgesetzt als fremde Vorgaben, so gut sie sachlich auch begründet sein mögen. Jeder, der anderen Arbeitstechnik beibringen will, macht die unglückliche Erfahrung, dass manche effizienzsteigernde Massnahme abgelehnt wird, obwohl sie «objektiv» gut wäre – die Massnahme wurde nicht selbst erfunden, sondern von anderen entwickelt und vorgegeben. Das Not-invented-here-Syndrom spielt auch hier.

Aber Nr. 7 – Die Ellbogenfreiheit

Als Folge einer maximierten Effizienz besteht nirgendwo mehr Ellbogenfreiheit. Also Luft, um sich so oder eben auch anders zu bewegen. Ohne Ellbogenfreiheit, ohne Spielraum also, kann sich nichts mehr aus der Organisation selbst heraus entwickeln. Das ist der Tod jeder Innovationsfähigkeit. Wir haben dies vor Jahren, in den Hochzeiten des Lean Managements, auf drastische Weise in einem Unternehmen gesehen, das – als wir es kennen lernten – derart knochenmager war, dass nirgendwo auch nur ein Gramm Fett zu erkennen war. Ein Traum von einer Effizienzmaschine also – nur ohne jede Fähigkeit zu Innovation und Entwicklung.

An all diese sieben Aber sollten Sie denken, wenn Sie in Ihrem eigenen Führungsbereich mit effizienzsteigernden Massnahmen auf Widerstand stossen. Es muss nicht an der Veränderungsresistenz Ihrer Leute liegen. Es muss auch nicht an der Macht der (bequemen) Gewohnheit liegen. Es könnte tatsächlich der Fall sein, dass mehr Effizienz objektiv nicht besser ist!

Wenn Sie selbst aber passiv mit effizienzsteigernden Massnahmen konfrontiert sind, die Ihnen nicht so recht passen, so überlegen Sie sich redlich, welche der hier beschriebenen Aber sich tatsächlich nachweisen lassen. Blosser Widerstand gegen Veränderung steht nicht auf meiner Liste. Dafür ist Effizienz dann doch etwas viel zu Gutes.