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Netzwerke sollen verbinden, nicht separieren. Sie sollen nicht ab- und ausgrenzen, sondern einladen und sich öffnen, schreibt Vanessa Bay. Bild: Adobe Stock

Einwurf Frauennetzwerke? Nein danke!

Vanessa Bay

Seit einiger Zeit wird in der Reisebranche der Wunsch nach Networking-Plattformen für Frauen geäussert. Nach dem separierten Bar-Treffen an der SRV-GV äussert Vanessa Bay ihre Bedenken zu solchen Initiativen.

Rutschiges Gelände. Ich weiss. Aber bei Frauennetzwerken habe ich grosse Bedenken. Okay, wären Frauennetzwerke – egal, ob in unserer Branche oder generell – einfach nur unnötig, dann müsste man/frau sich nicht dagegen aus dem Fenster lehnen. Dann könnte man die Frage einfach ignorieren. Aber sie sind eben nicht nur unnötig, denn dies allein ist kein taugliches Argument: «Wir brauchen keine Frauennetzwerke. Mit freundlichen Grüssen …» reicht nicht. Ich finde: Es wäre für Frauen im Jahr 2021 ein schlechtes Zeichen, wenn sie sich nur unter ihresgleichen behaupten könnten. Wenn sie das Gespräch, die Auseinandersetzung, warum nicht auch den Streit mit Männern scheuen müssten.

Diese Zeiten sind doch nun wirklich vorbei. Wir können nicht mit oft leuchtenden Augen von «starken Frauen» reden, sie dann aber pauschal keinem Lüftlein aussetzen wollen. Wie gesagt, das Unnötigkeitsargument reicht nicht, um sich kritisch gegen Frauennetzwerke zu positionieren. Wichtiger ist: Das Einrichten separierter Frauennetzwerke schadet den Frauen!

Um das zu verdeutlichen, will ich kurz den Schauplatz wechseln. Es werden – für Regierungen, Verbände, Verwaltungsräte, Geschäftsleitungen und so weiter – immer wieder Quoten gefordert. Ich selbst bin dagegen, aber meine diesbezüglichen Gründe sind hier nicht das Thema. Was ich bei Quoten aber durchaus anerkennen würde: Sie schaffen Fakten, und nach einer gewissen Zeit werden Fakten normal. Selbst wenn es in der ersten Zeit Falschbesetzungen durch blosse «Quotenfrauen» gäbe – nach kurzem wäre das vorbei und alle hätten ausreichend gelernt, in gemischten Teams zusammenzuarbeiten. Dann hätte der Zweck den selbigen wenigstens erfüllt. (Ende des Quoten-Themenschauplatzes.)

Wiederholung einer schlechten Idee

Aber genau diese Wirkung erzielt man mit Frauennetzwerken nicht. Nehmen wir an, es gäbe für etliche Jahre in vielen beruflichen Zusammenhängen jeweils separierte Männer- und Frauennetzwerke: Wie sollen die je zusammengeführt werden? Wann kann es dann (und wie?) normal werden, geschlechtergemischt zu arbeiten, zu debattieren und sich wohlzufühlen? Die gute vermeintliche Absicht verkehrte sich so in ihr Gegenteil. Der Geschlechtergraben würde nur grösser. Wer Unihockey trainieren will, sollte nicht einem Schwimmclub beitreten. Ein Schritt in die richtige Richtung ist eben nur dann ein richtiger Schritt, wenn er nicht in eine Sackgasse, sondern zu einem nächsten Schritt führt. Natürlich ist mir klar, wie lange es reine Männernetzwerke gegeben hat (und sogar noch immer gibt). Nur war das eben schon immer eine schlechte Idee – und sie wird nicht besser, wenn man sie nun auf Frauenseite wiederholt.

Irritierend an der Thematik ist ja insbesondere die Hervorhebung des Geschlechts. Dass dieses in Organisationsfragen plötzlich wieder glasklar binär ist, wo wir doch alle endlich gelernt haben, dass davon keine Rede sein kann, ist ja ohnehin absurd. Wäre ich ein alter weisser Mann, würde ich mich vehement dagegen wehren, als alter weisser Mann bezeichnet – und beschimpft! – zu werden. Die Reduktion meiner Persönlichkeit auf Jahrgang, Hauptfarbe und Geschlecht würde mich massiv stören. Ich will als das wahrgenommen werden, was «zwischen meinen Ohren» ist – und das, was ich daraus im Laufe der Zeit gemacht und erfahren habe. Und als Frau ergeht es mir nicht anders.

Verbinden, nicht separieren

Als es anlässlich der SRV-Reise vor kurzem plötzlich eine separierte Frauen-Runde gab, hat mich diese Idee irritiert und keineswegs begeistert. Auch wenn ich meinte, aus Solidaritätsgründen mitmachen zu müssen. Dennoch: Das Gejammer der Männer musste auch nicht gerade sein – die sondern sich ja oft genug auch ab. Und wenn das manche als Majestätsbeleidigung empfanden, wie man hören und lesen konnte, so wurde da wohl nicht besonders viel beleidigt.

Aber wenn wir von Netzwerken sprechen, dann liegen die Dinge anders: Netzwerke sollen verbinden, nicht separieren. Sie sollen nicht ab- und ausgrenzen, sondern einladen und sich öffnen. Das Leitmotiv eines Netzwerks muss immer Neugier sein. Auf Neues, auch Fremdes. Nicht Selbstschutz. Wir sollten die Sache «outbound» ebenso wie «inbound» pflegen. Sonst könnten wir ja auch unsere Branche aufs Motto reduzieren: «Schweizer reisen mit Schweizern in der Schweiz». Das ist doch nicht wirklich unsere Denkart, oder?

Ich wünsche mir, es noch zu erleben, dass die Geschlechterfrage nicht derart vieles dominiert, wie sie das derzeit tut. Etwas mehr Gelassenheit täte gut. Männer sind ja im weitesten Sinn auch Menschen … Netzwerke sollen interessante und interessierte Menschen zusammenführen und ihnen eine Plattform für den Austausch bieten. Alle äusseren Merkmale können (und sollten) alle Beteiligten wechselseitig ignorieren. Der Austausch würde reicher und lustiger.

PS: Ich rede hier nur von beruflichen Netzwerken. Anders liegen die Dinge, wenn sich Frauen mit Frauen über Frauenthemen unterhalten wollen. Oder wenn Frauen gegen Männer Rechte erkämpfen müssen.