Karriere
Spuren
Felix FreiSind Sie Ihr Geld wert? Woran sollen wir bemessen, ob Sie einen guten Job machen? Schauen wir uns die wohl am häufigsten genannten Messgrössen einmal kritisch etwas genauer an:
- Eignung: Wir können Sie einem Assessment und/oder irgendwelchen Eignungstests unterziehen und zu einem für Sie guten oder auch nicht so guten Resultat kommen. Nützen tut uns das ganz und gar nichts. Ist nämlich das Resultat gut, aber Ihr Erfolg unbefriedigend, so interessiert uns die Eignung nicht. Und sie interessiert uns auch nicht, wenn sie zwar unbefriedigend ausfällt, Ihr Erfolg aber (warum auch immer) ganz toll ist. Eignung interessiert nur als vorausschauende Schätzung beim Entscheid, ob man Sie auf eine Führungsposition setzen soll oder nicht.
- Anstrengung: Wir können uns anschauen, wie viel Sie leisten – Ihre Arbeitsstunden, Ihr Engagement, Ihre Energie. Kurz: Ihren Input. Ein grosser Input ist zwar verdienstvoll, aber er interessiert uns aus dem gleichen Grund so wenig wie die Eignung. Denn wenn trotzdem nichts rauskommt, war die Müh’ vergebens.
- Erfolg: Gehen wir also direkt auf den Erfolg los. Bringen Sie die gewünschten Resultate? Erreichen Sie die Ziele? Das interessiert uns ganz sicher, aber es ist dennoch nicht die Antwort auf die Frage, ob Sie eine gute Führungskraft sind. Vielleicht hatten Sie einfach Glück. Oder Ihre Mitarbeiter sind ohne Ihr Zutun ungeheuer produktiv. Oder die Resultaterwartungen waren zu bescheiden. Kurzum: Selbst wenn Sie erfolgreich sind, darf man fragen, ob Sie einen guten Job machen – und man tut sich mit der Antwort immer noch schwer. Anders ist das nur bei Fussballtrainern; da hat man sich offenbar darauf geeinigt, dass die genauso gut sind, wie ihre Mannschaft abschneidet. Und so ist denn die gleiche Person mal ein hervorragender Trainer und ein paar Wochen später ein miserabler Trainer. Auch nicht unbedingt plausibel.
- Feedback: Fragen wir doch einfach ringsherum, ob Sie ein guter Chef sind. Ein 360°-Feedback also. Wir besorgen uns die Beurteilung Ihres Chefs, Ihrer Mitarbeiter und Ihrer Kollegen. Auch dies nicht ganz unüblich. Alle Erfahrungen zeigen aber, dass solche Beurteilungen massiv verzerrt werden können (etwa durch die persönliche Beliebtheit oder Nicht-Beliebtheit) und dass diejenigen, die Sie beurteilen, nicht selten mehr von sich zum Ausdruck bringen als dass sie wirklich Sie beurteilen könnten. Ganz abgesehen davon, dass jeder Beurteiler selbst auch vor den hier skizzierten Schwierigkeiten steht.
- Lohn: Wir könnten doch die Argumentation übernehmen, die man auf den Aktienmärkten verwendet, wo man sagt, im Aktienpreis sei jede verfügbare Information über ein Unternehmen enthalten (was freilich auch strittig ist, denn Aktienpreise lassen sich manipulieren). Auf Sie übertragen hiesse das, dass Ihr Lohn (einschliesslich Bonus et cetera) – in Relation zu anderen Löhnen natürlich – exakt zum Ausdruck bringe, wie gut Sie als Führungskraft seien. Nun, nach allem, was wir als Zeitungsleser so über das Zustandekommen von Löhnen wissen, dürften wir dieser Idee nicht wirklich überzeugt zustimmen.
Ihre Hinterlassenschaft
Die Sache scheint also schwierig zu sein. Und sie wird noch schwieriger dadurch, dass Sie in Ihrem Innersten – da bin ich mir völlig sicher – so etwas wie eine «Weltformel» in sich tragen, mit der Sie für sich vermutlich in etwa die oben angegebenen fünf Kriterien verrechnen: Und wenn eines davon für Sie nicht so toll ausfällt, dann ändern Sie vermutlich seine Gewichtung ein wenig gegen unten...
Ich plädiere dafür, dass wir vielleicht besser versuchen sollten zu fragen, welche Spuren Sie als Führungskraft hinterlassen. Auch wenn wir (noch) nicht sagen können, wie wir diese Spuren genau nachweisen sollen, so sind es doch sie, für die wir Sie als Führungskraft verantwortlich machen können. Denn es sind Ihre Spuren. Und wenn sie sich positiv aufs Unternehmen auswirken, sind Sie Ihr Geld wert.
Schauen wir uns ein paar Möglichkeiten solcher Spuren an. Die Liste ist natürlich nicht abschliessend, aber wer immer sich die eingangs gestellte Frage stellt, sollte auch in der Lage sein, für sich eine entsprechende Liste zu formulieren. Hier die «Glorreichen Sieben», bei denen zumindest ich auf Spurensuche ginge.
Sieben Bereiche
- Entscheidung: Wo haben Sie welche Entscheidungen getroffen? Wo nicht? Was leitet Sie bei Ihren Entscheidungen? Finden Sie mit Ihren Entscheidungen Akzeptanz? Setzen Sie Ihre Entscheidungen auch durch? Wie gehen Sie mit Entscheidungen um, die man Ihnen von oben vorgibt? Wie leben Sie mit den Entscheidungen Ihrer Mitarbeiter?
- Entfaltung: Gelingt es Ihnen, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr «geben», als sie dies ohne Ihre Führung getan hätten? Oder verhindern Sie durch Demotivation, dass sie ihre Leistungsbereitschaft voll entfalten können? Was leisten Ihre Leute, wenn Sie grad nicht danebenstehen oder hinterher sehen, wer was getan hat? Tragen Sie dazu bei, dass Ihre Leute zu Hochform auflaufen und sich dabei auch noch wohlfühlen?
- Entwicklung: Was passiert mit den Leuten über die Zeit gesehen, in der Sie Führungsverantwortung für sie haben? Entwickeln sie sich? Was ist Ihr Anteil daran? Was passiert mit ihnen, wenn sie (oder Sie) weggehen? Wo sehen Sie, dass eine Saat von Ihnen aufgeht?
- Enttäuschung: Wo und wie tragen Sie zur Klarheit im Unternehmen bei? Wo helfen Sie mit, dass man in Ihrem unternehmerischen Umfeld im positiven Sinn enttäuscht wird? Dass man also Illusionen und Täuschungen (auch die eigenen!) als solche erkennt, mehr Durchblick erhält, realistischer und damit insgesamt handlungsfähiger wird?
- Entlastung: Tragen Sie dazu bei, dass die Arbeit für andere einfacher wird? Dass Organisation und Prozesse einfacher werden? Schaffen Sie auch für sich Entlastung? Tragen Sie dazu bei, das Unternehmen von Altlasten zu befreien, die seine Zukunft belasten könnten?
- Entgegnung: Wogegen wehren Sie sich? Wo halten Sie entgegen? Wo nehmen Sie den Kampf auf und wo nicht? Wie behandeln Sie Ihre Gegner? Können Sie auch mal aus Gegnern Partner machen? Wer schafft es, Ihr Gegner zu werden, und womit?
- Entdeckung: Wo haben Sie dazugelernt und für sich selbst neue Handlungsoptionen entdeckt? Wo haben Sie das Gleiche anderen ermöglicht? Wie brachten Sie Neues ins Unternehmen, und konnte sich Ihre Entdeckung fruchtbar integrieren?
Ich glaube, es wäre einfacher, Führungskräfte zu beurteilen und zu entwickeln, wenn wir, modisch ausgedrückt, eine Methode für ein «Leadership Tracking» hätten, wenn wir also wirklich die Spuren verfolgen und sichtbar machen könnten, die eine Führungskraft in zum Beispiel den vorhergehenden sieben Bereichen hinterlässt. Bis es soweit ist, gewinnen Sie aber schon, wenn Sie sich die Frage danach zumindest überlegen.