Karriere

«Entscheidend beim Feiern ist, wie immer, die Liebe: Man muss spüren, dass Sie das, was Sie dafür gemacht haben, mit Liebe getan haben.» Cartoon: Silvio Erni

Feiern

Felix Frei

Hier kommt, geschätzte Führungskräfte, eine Anregung zum Start in die neue Woche, zur Reflexion Ihrer Führungsprinzipien.

Feste soll man feiern, wie sie fallen, sagt der Volksmund. Nur, manchmal muss man dem freien Fall etwas nachhelfen, die Gravitation ist auch nicht mehr, was sie einmal war.

Feiern Sie deshalb mit Ihren Leuten, wenn sich eine gute (nicht unbedingt eine grosse!) Gelegenheit bietet! Jeder Ihrer Mitarbeiter sollte jederzeit sagen können, wann Sie zum letzten Mal gemeinsam gefeiert haben – und was. Und die Erinnerung sollte nicht allzu weit in die Vergangenheit führen müssen...

Jedes Lehrbuch der Organisationsentwicklung, jedes Handbuch des Projektmanagements weiss es: Feiern ist für Menschen das, was früher beim Entwickeln von Fotos – Ältere unter uns erinnern sich – das Fixierbad war. Ohne zu verblassen bleibt das Bild nur, wenn es ordentlich fixiert wurde. Das gilt auch für erreichte Meilensteine, erfolgreiche Geschäfte und bewältigte organisatorische Veränderungen.

Es ist nicht einfach

Aber Feiern ist nicht gleich Feiern, und auch hier entspricht unsere Absicht nicht immer unserer Wirkung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben privat schon so viele umwerfende Hotelbuffets gesehen, dass sie die beim Firmenapéro gereichten Snacks und Getränke niemals mehr vom Sockel hauen. Und hat man sich bemüht, die Sache etwas exklusiver zu machen, so macht man sich der Geldverschwendung in Zeiten schuldig, wo nicht zuletzt auf Kosten der Belegschaft an allen Ecken und Enden gespart wird. Wird die Feier allzu symbolisch – indem man aufs Geldausgeben fast ganz verzichtet – erscheint man als knauserig, und keiner findet, Geiz sei geil.

Wird nur alle Jubeljahre einmal gefeiert, so steigen die Erwartungen so sehr an, dass sie nur enttäuscht werden können. Feiert man dagegen jede Kleinigkeit, so wird es nicht aufregender oder wirksamer als der tägliche Gang in die betriebseigene Kantine.

Feiert man mitten am Tag, macht keiner richtig mit, weil man ja nachher wieder arbeiten können muss. Verlegt man das kleine Fest an den Tagesrand, so möchten eigentlich alle lieber nach Hause – oder sie müssen sogar, weil Kinder abgeholt und ins Training gebracht werden müssen oder ein Vereinsabend ansteht.

Fürwahr: Es ist nicht einfach, erfolgreich zu feiern.

Besonders wirkungsvoll

Was also tun Sie, wenn Sie sich als Initiator sehen und die richtige Gelegenheit erkennen, die es zu feiern gilt? Sie sind in dieser Rolle mal als Chefin Ihrer Leute, mal als Kollege in Ihrem Führungskreis, mal als Vertrauter Ihres Vorgesetzten, mal als Leiterin eines Projekts.

Das ist zu bedenken:

  • Der Anlass zum Feiern muss nachvollziehbar sein. «500 Jahre Donnerstag» ist weniger nachvollziehbar als «Geschaffte Projektabnahme beim Kunden». Aber auch die Projektabnahme ist nur dann ein nachvollziehbarer Grund zum Feiern, wenn sie erst dank besonderem Effort von allen gelungen ist. Die Prüffrage lautet im Zweifelsfall: Halten es die «Nachbarn» – also Leute, die das Fest mitbekommen, aber nicht eingeladen sind – auch für nachvollziehbar?
  • Zeitpunkt, Dauer und Rahmen des Feierns sollen dem Anlass wie auch den Teilnehmenden angepasst sein. Die Prüffrage hier lautet: Werden (nicht sollten!) sich die Geladenen vermutlich freuen?
  • Da wir Sie als Initiatorin/Initiator angenommen haben: Entspricht die Feier Ihrer Rolle? Haben Sie zu danken? Sprechen Sie eine Anerkennung aus? Anders als bei Geburtstagen und Jubiläen soll hier nicht der Einladende sich selbst feiern. Und was immer Sie mit der Feier ausdrücken wollen, es sollte glaubhaft von Ihnen kommen (selbst wenn es dazu noch Firmengeld braucht).
  • Vermeiden Sie den Muttertagseffekt: Einmal jährlich Blumen und Ausführen, statt täglich übers ganze Jahr Respekt, Dankbarkeit und Anerkennung. Vermeiden Sie den Weihnachtseffekt: Feiern, weil es wieder so weit ist, egal, ob es einem drum ist oder nicht. Vermeiden Sie den Gegeneinladungseffekt: So feiern, dass man damit primär die Feier übertrumpfen möchte, zu der man davor eingeladen war. – Freilich gilt umgekehrt: Wehe, wenn Sie die an Sie gestellten Erwartungen enttäuschen, indem Sie Muttertag/Weihnachten/Gegeneinladung einfach so ausfallen lassen! Auch beim Feiern gibt es Rituale, die eingehalten werden wollen.
  • Viele werden sagen, das Persönliche sei das Wichtigste. Ich bezweifle das. Denn Persönliches kann auch den Charakter der liebevoll bemalten WC-Rollen der Göttikinder haben. Dass man nie so recht weiss, wohin damit (mit den Rollen, nicht den Kindern), liegt daran, dass sich das Persönliche auf den Schenkenden und nicht auf den Beschenkten bezieht. Das ist beim betrieblichen Feiern unbedingt zu vermeiden: Wenn Sie eine selbstgedichtete Ballade vortragen, darf es nur um die Besungenen gehen, nicht um Ihre poetischen Fähigkeiten.
  • Besonders wirkungsvoll ist wohl immer die Überraschung: Wie Blumen, die man nicht erwartet hat (also nicht am Valentinstag). Der erkennbare persönliche Aufwand für die Vorbereitung, von dem keiner was gemerkt hat. Dem freien Fall müsse man manchmal etwas nachhelfen, habe ich eingangs gesagt. Besonders damit können Sie punkten: Wenn Sie es schaffen, aus einem Anlass oder zu einem Zeitpunkt oder auf eine Art zu feiern, die eben überhaupt nicht als selbstverständlich empfunden wird.
  • Das Entscheidendste aber ist, wie immer, die Liebe: Man muss spüren, dass Sie das, was Sie unternommen haben, um einen Anlass zu feiern, mit Liebe getan haben. Form, Aufwand, Kosten und Exklusivität stehen dahinter weit zurück. Der soziale Kitt, den das gemeinsame Feiern bewirkt, entsteht nur, wenn dieser spürbar auch wirklich erwünscht ist.

Trotz aller Komplikationen

Gross und aufwändig muss die Sache keineswegs sein. Wer je tief in einem Kohlebergwerk war und nach dem Aufstieg mit den Köhlern zur Feier des wiedergefundenen Tageslichts mit schwarzem Gesicht und schwarzen Fingern Wurst und Brot gegessen hat, der weiss, dass das besser schmeckt als das luxuriöseste Buffet im besten Hotel.

Und was schliesslich diesen 50. Führungsbrief angeht, so gibt er zumindest einen kleinen Grund zum Feiern: Mit ihm haben Sie die Hälfte des Wegs geschafft. Sie sind sozusagen im Bergrestaurant angekommen. Denn es gibt nach diesem 50. nur noch maximal 49 weitere. Versprochen! Genießen Sie die Halbzeit bei Brot und Bier, bei Wurst und Senf. Aber auch der Abstieg wird nicht nur leicht sein. Es werden sich weitere Tücken und Fallstricke der Führung zeigen, und ich freue mich darauf, Sie gemeinsam mit Ihnen zu meistern. Danke für Ihre bis hierher gehaltene Treue.

Ein Letztes zum Thema: Auch wenn ich mit all den oben beschriebenen Komplikationen recht haben sollte – lassen Sie sich davon nicht die Lust verderben! Nichts soll Sie vom Feiern abhalten! Hier gilt: Lieber etwas falsch machen, als gar nichts tun!

Darauf können Sie getrost anstossen!