Karriere

«Wer nicht weiss, was er mit dem Zeitgewinn durch bessere Arbeitstechnik anfangen würde, wird niemals mit besserer Arbeitstechnik anfangen.» Cartoon: Silvio Erni

Erledigen

Felix Frei

Hier kommt, geschätzte Führungskräfte, eine Anregung zum Start in die neue Woche, zur Reflexion Ihrer Führungsprinzipien.

Ich schaue Ihnen ja täglich über die Schultern. Neben all dem Bewundernswerten, Überzeugenden, Beeindruckenden, das ich dabei sehe, gibt es aber auch manches, das mir einfach nicht in den Kopf will. Ich denke, Ihre Zeit ist knapp, und dennoch ertappe ich Sie immer wieder bei Folgendem:

  • Sie lesen eine E-Mail, lassen sie in der Mail-Inbox, und morgen lesen Sie sie wieder. Beantworten tun Sie sie aber noch nicht.
  • Sie tragen viele Dinge im Kopf mit sich rum, die Sie unbedingt nächstens erledigen sollten/müssten/wollten.
  • Sie haben Stapel mit Plastikmäppchen auf Ihrem Schreibtisch liegen, mit denen irgendwann irgendetwas geschehen sollte – und sei es nur, die Papiere zu archivieren oder wegzuschmeissen.
  • Sie führen Pendenzenlisten, die eher dazu neigen, länger als kürzer zu werden – und Sie starren diese Liste manchmal minutenlang mit einem schleichenden Gefühl der Ermüdung an.
  • Sie fahren auch da Auto, wo man bequem im ÖV sitzen und arbeiten oder lesen oder sich erholen könnte.
  • Sie diskutieren längere Zeit mit jemandem, dass und warum Sie nun wirklich keine Zeit für dies oder jenes haben.
  • Sie akzeptieren Outlook-Einträge für Meetings, ohne deren Agenda zu kennen und ohne wirklich zu wissen, ob das Meeting für Sie respektive Sie für das Meeting wichtig sind.
  • Sie kümmern sich immer wieder liebevoll um Dinge und Details, für die andere zuständig und nicht selten auch besser geeignet sind.
  • Sie tragen Ihren Stress wie ein Statussymbol oder eine soldatische Ehrenmedaille vor sich her.

«Ich erledige einfach alles sofort.»

Natürlich schaue ich Ihnen nicht wirklich über die Schultern. Also müssen Sie schon selbst einen Meter hinter sich stehen und sich fragen, was von den obigen Anwürfen auf Sie zutrifft. Und es liegt an Ihnen, die Liste mit den Beobachtungen Ihres eigenen Tuns und Lassens so zu vervollständigen, dass Sie erkennen, wo Ihnen die Zeit wie Sand zwischen den Fingern zerrinnt.

Vor fast vierzig Jahren begegnete ich im Zug einem Bekannten, den ich für sein beeindruckendes Schaffensvermögen sehr bewunderte. Ich fragte ihn, wie er dies alles bloss hinkriege. Er sagte: «Ich erledige einfach alles sofort.» Ich lachte und verabschiedete mich wenig später von ihm in der Überzeugung, dass diese Lehre zwar toll klinge, aber im Übrigen unmöglich zu befolgen sei.

Hinterher begannen sich die Rädchen in meinem Gehirn zu drehen, und irgendwann wurde mir klar, wie die Sache zu nehmen sei. Das tue ich seither, und ich gewinne damit so viel Zeit, dass ich mich so gut wie nie über Zeitmangel beklagen kann. Sie werden es nicht glauben, aber ich habe sogar Zeit, Bücher zu lesen...

Nicht auf dem Tisch stapeln!

Und so lautet mein ganz persönliches Reglement der Arbeitstechnik:

  • Was du sofort erledigen kannst, das erledige auch sofort.
  • Was mehr Zeit braucht, als du jetzt grad einsetzen könntest, wird terminiert und abgelegt. Der Termin wird nicht anders gehandhabt als bei einem Meeting oder einer Kundenbesprechung – da können auch nicht zwei Termine gleichzeitig laufen. Keine Überbuchung also. Und Ablage heisst versorgen, nicht auf dem Tisch stapeln. Führe eine Agenda, keine Pendenzenliste.
  • Plane die benötigte Zeit für alles realistisch, sogar grosszügig. Mach dir nichts vor.
  • Wann immer du etwas in die Hand nimmst (oder gedrückt erhältst), mache sofort und endgültig die Triage: wird sofort erledigt – wird terminiert und abgelegt – wird weiterdelegiert – wird weggeschmissen/ignoriert/abgelehnt.
  • Wenn du gerade noch fünf Minuten Zeit hast, fange durchaus noch etwas an; womöglich etwas, das du in der Zeit auch grad erledigen kannst. Merke: Auf diese Weise bringst du manches in fünf Minuten durch, für das du fünfzehn bräuchtest, wenn du fünfzehn hättest.
  • Steuere den Eingang: Sorge dafür, dass du aus Adresslisten und Mailverteilern gestrichen wirst, die dir Dinge auf den Schreibtisch bescheren, die du gar nicht haben willst. Sei deinen Auftraggebern einen Schritt voraus, dann kannst du besser planen und wirst weniger überrascht. Kläre mit deiner Umgebung, was sie von dir erwarten kann und was nicht – und zwar vorab, nicht erst dann, wenn man dir den Affen schon auf die Schultern gesetzt hat.
  • Rüste dich technisch so gut aus, dass deine Arbeitseffizienz erhöht wird, sodass du jederzeit und überall arbeitsfähig bist (zumindest da, wo du es willst), und verhindere mit allen Mitteln, dass dich deine technische Ausrüstung mehr Aufwand kostet, als sie dir einspart.
  • Hab nichts auf Deinem Tisch liegen, an dem du nicht jetzt gerade arbeitest.
  • Sei auf das stolz (und lasse dich für das bewundern), was bei dir rauskommt. Nicht für das, was du reingesteckt hast. Leistung – das heisst Energie pro Zeit – ist der völlig falsche Massstab! Wichtig ist der Effekt.

Persönliche Arbeitstechnik

Ich weiss, Sie sind vielleicht so sehr fremdbestimmt in Ihrer Agenda, dass Ihnen all Ihre Pläne und Vorsätze immer über den Haufen geworfen werden. Das mag so sein, oder zumindest mögen Sie es so empfinden. Aber muss das bei Ihnen tatsächlich so sein? Wenn Sie Feuerwehrmann sind oder Ärztin auf einer Notfallstation, dann ja. Wenn Sie aber Führungskraft in einem Unternehmen sind und sogar Entscheidungskompetenzen haben, dann nicht unbedingt. Jedenfalls müssten Sie diese Frage schonungslos ehrlich klären und dann auch entsprechende Konsequenzen ziehen.

Dennoch gibt es zwei Dinge, die Sie davon abhalten können, mein Reglement zu kopieren:

Erstens, persönliche Arbeitstechnik ist immer persönliche Arbeitstechnik. Was bei mir klappt, muss für Sie noch lange nicht stimmen. Deshalb sollten Sie nicht auf schlaue (respektive schlauere) Tipps warten (die Sie dann als nicht machbar ablehnen können), sondern sich von fremden Erfahrungen nur dazu animieren lassen, Ihr eigenes, ebenfalls ganz persönliches Reglement aufzustellen.

Zweitens, Sie werden nur dann Fortschritte machen, wenn Sie es sind, der/die davon profitiert. Das ist der wichtigste Punkt überhaupt. Keine Effizienzsteigerung lohnt sich, wenn Sie danach nur noch mehr Dinge tun müssen, die Sie gar nicht tun wollen.

Also klären Sie zunächst für sich, ob und wofür Sie einen Zeitgewinn nutzen würden. Und stellen Sie sich danach Ihr ganz persönliches, aber verbindliches Arbeitsreglement auf.

Und erledigen Sie bitte beides sofort.