Karriere

Man wisse ja dann nicht, ob jemand überhaupt arbeite, zweifeln viele Manager beim Thema Home-Office. Bild: Adobe Stock

Mein 2020 Home-Office, das Normalste der Welt

Felix Frei

Die halbe Welt sitzt im Home-Office, doch viele Firmen tun sich schwer damit. Felix Frei schreibt über seine Erfahrungen mit dem Arbeiten zuhause und die Bedenken vieler kontrollverlustbedrohten Manager bei diesem Thema.

Mein 2020 hat es zufällig mit sich gebracht, dass ich nach 33 Jahren Home-Office damit Schluss gemacht habe – nämlich weil ich mich im Frühjahr pensioniert habe –, während der Rest der Welt plötzlich und zwangsweise zu dieser Arbeitsweise fand, die vorher vielerorts für nicht machbar galt.

Zunächst zu meinem Home-Office: Als ich mich im Frühjahr 1987 mit einem Partner selbstständig machte, war für uns ausgemacht: Kein Büro! Das sind unnötige Kosten, es führt zu überflüssigen Arbeitswegen, und wir brauchen es nicht, um irgendwen mit Palisander und grossen Stühlen und Konferenztischen zu beeindrucken. Für uns als Unternehmensberater galt das – es gilt selbstverständlich nicht für jedes Geschäft. Unsere Arbeit aber fand überwiegend bei den Kunden statt, die Vor- und Nachbereitung aber im Home-Office. Natürlich kannten wir das Wort noch nicht, es hiess einfach: zuhause. Oder im Zug. Mit Macs waren wir technologisch hinreichend ausgerüstet.

Da wir schon bald eine Tochterfirma in Berlin und eine in Bern gründeten, wäre ein gemeinsames Büro mit regelmässigem Kaffeekränzchen eh nicht möglich gewesen. Aber es war uns klar, dass das, was Arbeitspsychologen «Schmoozing» nennen, unter unserer Lösung nicht leiden durfte: das belanglose Plaudern, der informelle Austausch, das Pläuschelen und das unvermeidliche Klatschen. Wir gaben deshalb schon früh die Devise aus: Bei uns wird an den Telefonkosten nicht gespart! (In den Achtzigerjahren war dies noch kein triviales Thema, schon gar nicht länderübergreifend.) Wir sind mit dieser Lösung immer glücklich gewesen, und wir haben sie auch noch beibehalten, als wir für ein grosses Projekt während einigen Jahren dennoch Büroräume für Besprechungen (auch mit Dritten) brauchten.

Für mich war Home-Office immer eine enorme Erleichterung. Vor allem in den acht Jahren als alleinerziehender Vater von drei halbwüchsigen Töchtern. (Ich habe deshalb übrigens schon in den Neunzigerjahren Home Delivery für Alltagsgüter organisiert …).

Dann kam Corona

In den 33 Jahren als Unternehmensberater wurde ich bei den Kunden immer wieder mit dem Thema «Home-Office» konfrontiert. Meist ablehnend. Bei uns, hiess es, ginge das schon, aber nicht in einer grösseren Firma. Man wisse ja dann nicht, ob jemand überhaupt arbeite. Und die Sicherheit (zum Beispiel der IT) sei gefährdet. Und der soziale Zusammenhalt in der Firma gehe verloren. Und überhaupt. Vor allem Letzteres!

Und dann kam Corona.

Inzwischen ist Home-Office das Normalste der Welt (wirklich der Welt). Und all diese Bedenken vieler kontrollverlustbedrohten Manager sind in Nullkommanix nüchternem Pragmatismus gewichen. Und siehe da: Es geht!

Natürlich ist es nicht so, dass Home-Office ringsum beliebt und völlig ohne Probleme wäre. Insbesondere sind oftmals das Equipment oder die physische oder soziale Situation nicht optimal. Schlechte Stühle, mangelnder Platz, quengelnde Kleinkinder und und und: Vieles kann ein Problem werden. Zoom-Marathons sind ganz besonders anstrengend. Doch das ist hier alles nicht das Thema.

Mein Thema ist: Wie gehen Menschen – vor allem Führungskräfte – mit neuen Ideen um? Gehen sie mit einer «Yes-but…»-Haltung daran oder mit einer «Why-not…»-Haltung daran? Braucht es tatsächlich eine Pandemie, damit sich viele von ihnen kreativen Ideen öffnen? Warum kann man nicht ein ganz klein wenig experimentierfreudiger sein?

Oftmals ist mehr möglich, als man dachte

Der Fairness halber sei zugegeben, dass – teilweise sogar erst nach Ausbruch der Pandemie – vieles technisch gelöst oder unterstützt wurde, dass früher eben ein Hindernis war. Wenn man aber die Option «Home-Office» gewollt hätte – statt sich dazu erst zwingen zu lassen –, dann wären auch diese Lösungen früher gekommen.

Zum einen bin ich pessimistisch: Wenn die Pandemie einmal vorbei ist (falls …), dann werden die vielen Yes-Butter wieder hervorgekrochen kommen und die Verhältnisse zu restaurieren versuchen. Vor allem jene, die auf Distanz jede Führungsautorität verlieren. Und davon gibt es leider nicht wenige.

Andererseits wäre ich gerne optimistisch: Wir könnten 2020 doch auch als das Jahr in Erinnerung behalten, das gezeigt hat, dass oftmals mehr möglich ist, als man dachte. Nicht nur bezüglich Home-Office. Auch beispielsweise in Sachen weniger Fliegen, weniger Massentourismus, weniger Remmidemmi, mehr im kleinen Kreis, mehr in der näheren Umgebung, gerne auch etwas mehr alleine – you name it.

Halten wir uns an Winston Churchill: «Never let a good crisis go to waste!»


Bisher erschienen in der Serie «Mein 2020»: