Karriere

«Vermutlich ist es Ausdruck von Selbstbewusstsein und persönlicher Souveränität, sich helfen zu lassen. Die Umkehrung gilt freilich auch.» Cartoon: Silvio Erni

Hilfe

Felix Frei

Hier kommt, geschätzte Führungskräfte, eine Anregung zum Start in die neue Woche, zur Reflexion Ihrer Führungsprinzipien.

Unter all den Ressourcen, die Führungskräfte zur Bewältigung ihrer Aufgabe beiziehen können, ist ja immer auch die Möglichkeit, sich von anderen Menschen helfen zu lassen. Von Mitarbeitenden, von Teammitgliedern, von der eigenen Chefin, von irgendwelchen Kollegen, von einem professionellen Coach oder Unternehmensberatern.

Über die Letzteren wird und wurde schon so viel gelästert, dass ich nichts Neues dazu beitragen kann. Reden wir deshalb nicht von den Helfern, sondern von den – zumindest potenziellen – Hilfeempfängern.

Aus drei Gründen haben Führungskräfte mehr als andere Menschen die Möglichkeit, sich helfen zu lassen: Wenn sie jemanden nur schon bitten, wirkt das manchmal wie ein (freundlicher) Befehl – ihr Hilferuf wird daher selten abgelehnt. In ihrer eigenen Linien-Zuständigkeit haben sie die akzeptierte Möglichkeit, Hilfe direkt einzufordern. Und schliesslich: Im Rahmen ihrer Budgetkompetenz können sie sich jederzeit bezahlte professionelle Hilfe holen. Mit anderen Worten, an der Möglichkeit, sich helfen zu lassen, mangelt es Führungskräften meistens also nicht.

Dennoch mangelt es Führungskräften nicht selten an der Bereitschaft, sich helfen zu lassen. Dabei sind ja gerade sie in (fast) allem und jedem darauf angewiesen, dass ihnen andere zudienen, liefern oder aber eben helfen. Das meiste davon ist aufgrund der betrieblichen Arbeitsorganisation schlicht unvermeidlich und gehört eher in die Rubrik «Delegation». Zwar haben auch damit einige Führungskräfte mehr Mühe als andere. Aber das ist hier nicht das Thema. Das Thema ist Hilfe. Aber schon beim Thema Delegation sehen wir, dass ja gerade Führungskräfte lernen müssen, mit sehr viel Unselbstständigkeit zu leben – wo immer sie andere für sich arbeiten lassen.

Dinge am liebsten selber tun

Warum dann die Mühe dabei, Hilfe zu akzeptieren? Vielleicht liegt es daran: Meistens sind es ja gerade die besonders selbstständigen Persönlichkeiten – wie Sie! –, die Führungskraft werden. Da möchte man doch die Dinge am liebsten selber tun. Denn wo vermeidbar ist, sich von anderen helfen zu lassen, da kocht der Meister am liebsten selber. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!

Im betrieblichen Kontext halte ich dies für keine besonders gute Maxime. Dies dagegen rate ich Ihnen: Sie sollten sich (auch ohne Not!) jede Menge Hilfe holen. Melken Sie alle verfügbaren Ressourcen! Mitarbeitende, Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzte, Externe. Dabei können Sie Ihren Helfern sowohl vertrauensvoll eine lange Leine lassen wie auch gleichzeitig die Kontrolle über sie behalten: Denn die Helfer sollen helfen – nicht an Ihrer Stelle entscheiden. So können Sie sich mit manchen anderen Standpunkten auseinandersetzen und gleichzeitig letztlich Ihren Standpunkt festigen. Es wird sogar Ihre Leistung bleiben, was am Schluss dabei rauskommt – oder eher im Gegenteil: Es ist gerade dann Ihre Leistung, wenn Sie alles genutzt haben, was Ihnen helfen könnte/konnte. Best use of resources nennt man das in der Fliegerei. Sie dürfen sich sogar mit fremden Federn schmücken (falls sie von Beratern, nicht aber, wenn sie von Mitarbeitenden stammen). Solche «dirty tricks» erlaubt die mikropolitische Seite von Führung allemal.

Sich helfen lassen kann aber nur, wer dem Helfer vertraut. Sie werden auf der Notfallstation kaum zuerst überprüfen können, ob die Notfallchirurgin ihr Staatsexamen wirklich bestanden hat. Nicht mal, ob ihr Skalpell steril ist, werden Sie checken können. Ihr Vertrauen ist also die Voraussetzung, um Hilfe in Anspruch nehmen zu können.

Wundermittel gegen Überforderungen

Der Gewinn, den solches Vertrauen verspricht, ist aber lohnend: Denn es kann geradezu ein Wundermittel gegen Überforderungen aller Art sein, wenn man sich helfen lässt. Vorausgesetzt, die Hilfe taugt etwas. Führungskräfte haben wie gesagt den Spielraum (und manchmal auch das Budget), sich gezielt ein Netzwerk von Helfern aufzubauen. Intern und extern.

Nur werden sie es bloss dann tun, wenn sie verstanden haben, dass ihre Leistung als Führungskraft nicht in dem besteht, was sie getan haben, sondern in dem, was sie bewirkt haben.

Sie sollten nicht vergessen: Führungskräfte müssen immer mehr bewegen, als sie selber stemmen könnten. Das geht fast immer nur mit Hilfe. Wir müssen jedoch zwei Dinge unterscheiden: a) Sich helfen lassen ist nicht dasselbe wie b) andere die eigene Arbeit tun lassen. Was ich hier propagiere, bezieht sich immer und ausschliesslich auf a). Es geht nicht an, die ureigensten Dinge der Führung zum Beispiel an Berater «outzusourcen». Berater können etwa den Prozess einer Strategieentwicklung moderieren und dafür umfangreiches Wissen einbringen – aber sie dürfen nicht die Strategie machen. Coachs können Mitarbeitern in schwierigen Situationen helfen – aber sie dürfen nicht die Führungsarbeit von deren Chefs übernehmen. Moderatoren können einen Workshop optimieren, in dem der Chef Teil des Themas oder aber thematisch so involviert ist, dass er nicht auch noch moderieren kann – aber Moderatoren sind nicht dafür da, anstelle von entscheidungsschwachen Chefs eine Entscheidung (um nicht zu sagen ein Plebiszit) herbeizuführen.

Und wenn wir schon bei den Beratern sind, noch ein Wort dazu, was die externe (bezahlte) Hilfe angeht. Natürlich fehlt es manchmal einfach am Budget. Natürlich sind Berater mitunter teuer. Natürlich sind nicht alle Berater ihr Geld wert. Nur: Von all dem rede ich hier nicht.

Nur die Klugen...

Aber ich wünsche Ihnen, dass...

  • Sie nicht (am leichtesten mit Kostenargumenten) die Hilfe durch Berater ablehnen, bloss weil Sie es in Ihrem Innersten für ein Schwächezeichen halten, sich helfen zu lassen.
  • Sie sich nicht scheuen, Helfer lediglich helfen zu lassen. Berater haben Ihnen nicht ins Steuer zu greifen – Sie sitzen im Driving seat.
  • Sie sich nicht heimlich irgendwie schämen, wenn ein Helfer Ihr Problem sähe. Denn wenn Sie Ihrem Berater die ganze Zeit nur «beweisen», wie toll Sie alles im Griff haben, kann Ihnen nur schwer geholfen werden.
  • Sie persönlich nicht zu stolz sind, sich helfen zu lassen. Anerkennen Sie, dass ein anderer etwas bringt oder kann, das Sie vielleicht nicht selber brächten oder könnten! Solcher Grossmut wird Sie auch in anderen Aspekten eine gute Führungskraft sein lassen.

Zurück zu jeder Art von Hilfe, sei sie von intern oder extern: Was glauben Sie, wer am häufigsten im Duden nachschlägt? Es sind die Leute, die am besten schreiben können! Und wer liest am meisten? Es sind die, die bereits sehr viel wissen.

Nur die Klugen lassen sich helfen. Denn die Kompetentesten verfügen über eine Kompetenz, die auf den schönen Namen Inkompetenzkompensationskompetenz hört. Sie wissen, was sie nicht so gut können, was andere besser können – und die ziehen sie als ihre persönliche Hilfe bei.