Karriere

«Die drei wichtigsten Werkzeuge der Führung heissen: Kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren. Und Kommunikation darf nie abreissen.» Cartoon: Silvio Erni

Kommunizieren

Felix Frei

Hier kommt, geschätzte Führungskräfte, eine Anregung zum Start in die neue Woche, zur Reflexion Ihrer Führungsprinzipien.

Nicht selten wurde in den bisherigen Führungsbriefen auf die Wichtigkeit gelingender Kommunikation hingewiesen. Und es ist wahrscheinlich, dass ich bei verschiedensten Themen immer wieder (auch) zu diesem Schluss gelangen werde. Daher wird es Zeit, einen Führungsbrief vollumfänglich dem Thema «Kommunizieren» zu widmen.

Gelingende Kommunikation ist etwas vom Wichtigsten und gleichzeitig vom Unmöglichsten überhaupt. Indem wir von Führungskräften immer wieder eine gute Kommunikation fordern, schicken wir sie wie im gleichnamigen Action-Thriller auf eine «Mission impossible». Wir wissen, dass es nicht wirklich gelingen kann, und wir erwarten doch ein Happyend. Es ist nämlich so:

– Kommunikation ist immer mehr als das, was ich sage: Da sitzen er und sie im Auto vor der Ampel. Die Anzeige wechselt, und er sagt: «Es ist grün.» Was wurde hier kommuniziert?

  • Erstens – das nennt man den Inhaltsaspekt der Kommunikation – hat tatsächlich er den Satz gesprochen «Es ist grün.»
  • Zweitens – das ist der Appellcharakter von Kommunikation – hat er sie beispielsweise aufgefordert: «Nun fahr mal endlich!»
  • Drittens – das ist die Selbstoffenbarung in Kommunikation – hat er möglicherweise zum Ausdruck gebracht: «Ich bin der bessere Autofahrer als du.»
  • Viertens – das ist der Beziehungsaspekt von Kommunikation – hat er vielleicht signalisiert: «Du nervst mich einfach.»

Er kann in diesem Falle natürlich immer auch etwas ganz anderes mitkommuniziert haben. Aber je nachdem, was sie von diesen vier Seiten jeder Kommunikation tatsächlich gehört oder verstanden hat, dürfte das Klima im Auto ganz unterschiedlich beeinflusst worden sein. Es gilt eben schon: «Sage mir, was du denkst – und ich denke mir, was du meinst.»

Unvermeidliche Missverständnisse

– Kommunikation hat eine digitale und eine analoge Seite: Wenn Ihnen jemand auf Ihre Nachfrage hin einen Weg erklärt und sagt «Fahre alles geradeaus und nimm dann die erste Abzweigung nach links», wobei er mit der Hand zuerst geradeaus deutet, dann aber nach rechts, dann wissen Sie: rechts ist richtig. Denn die digitale Seite, also das gesprochene Wort, «lügt» viel leichter als die analoge Seite, nämlich unsere Gesten, Minen, der Tonfall usw. Nicht selten verfolgt die analoge Kommunikation sogar ausdrücklich den Zweck, zu erläutern, wie die digitale Aussage zu verstehen ist; etwa dann, wenn wir mit dem Gesicht ausdrücken, dass wir etwas nur ironisch meinen.

– Kommunikation ist unvermeidlich. In einer sozialen Situation kann man nicht nicht kommunizieren. Denn nichts zu sagen besagt häufig sehr viel. Das wissen alle, die in einer Beziehung leben. Und wenn Führungskräfte über eine bevorstehende Änderung nicht informieren, dann entnehmen die Mitarbeitenden dieser Art von Kommunikation jede Menge Inhalt: Es wird Entlassungen geben. Ich werde Nachteile erfahren. Sicherlich findet etwas Schlimmes statt usw.

– Kommunikation kennt keinen Anfang. Zum Zeitpunkt, wo ich glaube, mit meiner Kommunikation zu beginnen, ist mein Gegenüber unter Umständen schon längst drin. Es interpretierte beispielsweise schon sehr genau, warum ich so lange nichts gesagt hätte. Es zieht seine Schlussfolgerungen und vermutet vielleicht böse Absichten auf meiner Seite. Was immer ich dann (inhaltlich) sage, wird von ihm vor dem Hintergrund dieser «Tatsache» – dass ich in Wahrheit Böses beabsichtige – gelesen und interpretiert. Unnötig zu sagen, dass ich mich dann womöglich missverstanden fühle. Allerdings muss ich zuerst überhaupt merken, was da bei meinem Gegenüber abgegangen ist. Und wie bereits in einem früheren Führungsbrief angesprochen, können Kommunikationen sehr problematisch verlaufen, wenn zwei Beteiligte eine ganz unterschiedliche «Interpunktion» sehen. Wenn also jeder meint, selber bloss auf den anderen zu reagieren: «Ich sage das ja nur, weil Du...». Da sind Missverständnisse unvermeidlich.

Drei Zufälligkeiten

– Kommunikation hängt von der Beziehung ab: Je nachdem, wer die Kommunikationspartner sind, ergibt sich daraus schon eine (vermeintliche) Anweisung, wie die Kommunikation zu verstehen sei. Wenn der Chef sagt «Ich würde das so machen», dann hört der Mitarbeitende vielleicht schon einen Befehl heraus. Und so bildet er sich vielleicht gar keine eigene Meinung mehr. Oder er macht die Sache trotz abweichender persönlicher Meinung so, wie er glaubt, der Chef wolle es. Der Chef hat aber nur den Stand seiner Überlegungen mitgeteilt. Das war völlig unausgegoren und sollte nur ein kleiner Beitrag zur Arbeit des Mitarbeiters sein. Hätte der Chef gründlicher nachgedacht, wäre er vielleicht zu anderen Schlüssen gekommen. Wenn dann der Mitarbeiter mit nichts anderem als dem ersten Gedankenblitz des Chefs zurückkommt, hält ihn der Chef für unselbstständig und fantasielos. Hätte die Kommunikation zwischen Gleichgestellten stattgefunden, wäre sie ganz anders verlaufen.

– Kommunikation leidet drei Mal unter Zufälligkeiten: Die erste Zufallswahl betrifft das, was aus meinem Gehirn bis zu meiner Zunge kommt. Mir ist nie vollständig bewusst, was ich alles ausdrücken möchte, so dass ich gar nie präzise genug oder gar vollständig sein kann. Die zweite Zufälligkeit besteht in dem, was mein Gegenüber von all meinen Äusserungen wahrgenommen hat. Keiner kann alles hören, sehen und spüren, was an digitaler und analoger Kommunikation wirklich stattgefunden hat. Aber die Auswahl, die er vornimmt, ist seine Auswahl, und sie ist weder für ihn noch für mich völlig durchschaubar. Deshalb hat sie etwas Zufälliges oder Beliebiges an sich. Die dritte Zufälligkeit findet im Kopf meines Gegenübers statt. Sie betrifft all die Verbindungen, die er in seinem Gehirn mit dem Gehörten anstellt und die massgeblich beeinflussen, wie er etwas versteht. Da wir leider (oder Gott sei Dank) nicht in unser eigenes Gehirn schauen können, hat auch dieses Verknüpfen von Inhalten mit Erinnerungen viel Beliebigkeit an sich. Nur dass uns all diese dreifachen Zufälligkeiten/Beliebigkeiten eben gar nie bewusst sind.

Hindernisse

Was können wir daraus lernen? Derjenige, der kommunizieren will, kann letztlich überhaupt nicht wissen, was sein Adressat gehört und verstanden hat. Und der kann es ihm auch nicht so einfach quittieren, denn dann ist er ja wiederum derjenige, der vor den oben genannten Komplikationen steht. Und, schlimmer noch, wir können noch nicht einmal genau wissen, was wir selber wirklich sagen wollten und wie wir selber es wirklich meinen.

Was tun? Vermeiden können wir all diese Komplikationen zwischenmenschlicher Kommunikation nicht. Nie! Aber wir können damit rechnen und uns immer wieder bewusst machen, dass sie uns viele Hindernisse in den Weg legen. Wir können unsere Kommunikation erleichtern, wenn wir mit anderen über die Kommunikation kommunizieren – indem wir fragen, wie etwas verstanden wurde. Oder indem wir erklären, wie etwas gemeint war oder empfunden wurde.

Vor allem aber: Wir müssen die Kommunikation fortsetzen. Kommunikation muss einfach immer weitergehen. Dann werden die Fehler erträglicher und können eher ausgebügelt werden.

Das ist aber nur möglich, wenn sich alle um eine anschlussfähige Kommunikation bemühen, wenn sie es dem anderen erleichtern, seinerseits mit der Kommunikation fortzufahren. Nur abgebrochene Kommunikation ist wirklich misslungene Kommunikation.

In diesem Sinne: Bis zum nächsten Führungsbrief!