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Beeindruckend ist, dass es Fachleute gibt, die im Ernst glauben, Menschen würden sich wertvoller fühlen, wenn man sie als Kapital bezeichnet. Bild: Adobe

Mit spitzer Feder aufgespiesst: «Humankapital»

Felix Frei

Psychologe Felix Frei greift wöchentlich einen zeitgeistigen Begriff aus der Managersprache auf und kommentiert mit böser Zunge.

Na, wie viel Wert sind Sie – so als Humankapital, meine ich? Natürlich ist es ganz generell ein kapitaler Fortschritt, Teil des Kapitals zu sein. Wie armselig dagegen war es, nur Teil des Personals zu sein. Und dann erst noch «human»! Da menschelt es, und es wird einem warm ums Herz. Laut dem Erfinder dieses Begriffs, einem Nobelpreisträger immerhin, der die Sache schon vor Jahrzehnten in die Welt gesetzt hat, meint Humankapital die «personengebundenen Wissensbestandteile in den Köpfen der Mitarbeiter».

Da versucht man sich natürlich vorzustellen, welches die nicht-personengebundenen Wissensbestandteile in den Köpfen der Mitarbeiter sein könnten: Kleine Chips? Zudem fragt man sich, warum sich nur das Wissen (genauer: seine Bestandteile!) kapitalisieren lässt. Sind Wille, Können und Erfahrung gratis? Oder jedenfalls nichts wert? Gelegentlich kann man sich dieses Eindrucks ja nicht so recht erwehren ...

Heimtückisch jedoch wäre, dem Nobelpreisträger zu unterstellen, nur die Mitarbeiter hätten Wissensbestandteile im Kopf, nicht aber die Mitarbeiterinnen ... vermutlich wars im Original halt englisch.

Wie auch immer. Beeindruckend ist, dass es Fachleute gibt, die im Ernst glauben, Menschen würden sich wertvoller fühlen, wenn man sie als Kapital bezeichnet. Und viele Personaler – oder heissen die jetzt schon Humankapitalisten? – ebenso wie Führungskräfte plappern das auch noch nach. Wahrscheinlich gucken die am Morgen in den Spiegel und sagen: Jetzt rasieren (oder schminken) wir doch mal dieses Humankapital! Vielleicht ist ja die Grundidee ausbaufähig: Nehmen wir Ihre Sorgen. So als nackte Sorgen sind sie eher lästig. Wie viel besser würden Sie sich dagegen fühlen, wenn Sie endlich begriffen, dass das Ihr Sorgenkapital ist! Natürlich müssten die Wirtschaftswissenschaften erst noch klären, ob Sie das Sorgenkapital in Ihrer persönlichen Bilanz unter Soll oder Haben verbuchen müssen.

Womöglich aber machen Sie es besser wie die Unternehmen auch. Die reden zwar von Humankapital, aber in einem Jahresbericht taucht es nirgends auf. Sicher nicht in der Bilanz. Der einzige Abklatsch davon findet sich in der Erfolgsrechnung: Dort sind aus ihrem stolzen Kapital plötzlich leidige Kosten geworden. Und zwar wieder gute alte Personalkosten, nicht etwa Humankapitalkosten. Und die gilt es tunlichst tief zu halten.

Sooo kapitalistisch sind wir ja auch wieder nicht, dass wir gerne möglichst viel von dem Humankapital hätten.