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Sachlich sein heisst, auf die Sache bezogen vernünftig zu argumentieren. Die Frage ist also: Um welche Sache geht es? Bild: Adobe Stock

Mit spitzer Feder aufgespiesst: «Sachlich»

Felix Frei

Psychologe Felix Frei greift wöchentlich einen zeitgeistigen Begriff aus der Managersprache auf und kommentiert mit böser Zunge.

Die Leute wissen es: Manager entscheiden streng sachlich. Sie sind rational, cool, analytisch, innerlich unbeteiligt. Eigentlich wie James Bond halt. Jegliche Emotionen lassen sie aussen vor. Oft geradezu mitleidlos, aber so ist der Job.

Die Manager wissen es: Alles ist wichtiger als die Sache. Sobald der erste in der Runde sagt: «Jetzt wollen wir doch mal ganz sachlich bleiben!», dann wissen sie: Jetzt ist man dabei, genau das unter den Teppich zu kehren, was eigentlich das Thema wäre.

Die Hirnforscher wissen es: Wenn die für Emotionen zuständigen Bereiche im Gehirn verletzt sind, dann werden aus den Patienten nicht eiskalte Rechner, sondern Menschen, die nicht einmal mehr entscheiden können, ob sie Suppe oder Salat nehmen sollen.

Seit der Aufklärung beten wir die Vernunft an. Die Vernunft ist ein grossartiger Gott – vor allem für alle anderen. Diese soll er leiten. Bei mir darf er schon ab und zu eine Ausnahme machen.

Sachlich sein heisst, auf die Sache bezogen vernünftig zu argumentieren. Die Frage ist also: Um welche Sache geht es?

Im Business ist das keineswegs immer klar. Ich kann ganz sachlich für meine Privilegien kämpfen, wenn meine «Sache» zum Beispiel der Lohnvergleich mit anderen Branchen ist. Der Clou beim Sachlich-Sein ist die Hoheit über die Grenzen der Sache. Oder die impliziten Prämissen, die man gar nie ausspricht.

Die Winkelsumme im Dreieck ist hundertachtzig Grad. Punkt. Ja – aber nur in der flachen Welt. In einer gekrümmten ist sie grösser oder kleiner als hundertachtzig Grad. Es lohnt sich immer zu fragen: De quoi s’agit-il? Vor allem dann, wenn man das Gefühl hat, jemand sei unsachlich.

Bei genauer Betrachtung heisst unser Thema denn auch gar nicht «sachlich» – denn Sachlichkeit ist kaum je Gegenstand einer besonderen Beachtung. Unser Thema heisst «unsachlich» – und dies ist ein Adjektiv, das man kaum jemals auf sich selbst anwendet. Oder wenn, dann höchstens aus einer ungefährlichen zeitlichen Distanz.

Bei vielen Dingen gilt eine Goldene Regel auch hier: Wenn man etwas auf andere bezieht, aber nie auf sich, sollte man es auch nicht auf andere beziehen.

Was lehrt uns dies? Im Wirtschaftsleben geht es durchwegs sachlich zu. Was immer getan oder unterlassen wird, dient der Sache – besser: den Sachen. Dass unter diesen Sachen jene öfter fehlt, die in der PowerPoint-Präsentation als Thema genannt wird, ist ein leidiges Detail, das vornehmlich bei allen anderen auftritt. Ein Detail freilich, das man sich am besten immer vor Augen hält. Streng sachlich.