Karriere

Kein Wunder, schlägt die Stunde der Führungskräfte-Entwickler, die dann ihren Schäfchen den wohlfeilen Rat geben: «Sie müssen authentisch rüberkommen!» Bild: Adobe Stock

Mit spitzer Feder aufgespiesst: «Authentisch»

Felix Frei

Psychologe Felix Frei greift wöchentlich einen zeitgeistigen Begriff aus der Managersprache auf und kommentiert mit böser Zunge.

Es gibt Manager, die so angestrengt in eine TV-Kamera lächeln, dass jede Zuschauerin weiss: Der Typ ist nicht authentisch. Es gibt Führungskräfte, die ein Lob auf eine so gequälte Art aussprechen, dass der Mitarbeiter weiss: Daran ist nichts authentisch. Es gibt Chefs, die ihr Kinn so martialisch in die Höhe recken, dass klar ist: Diese Autorität ist überhaupt nicht authentisch.

Offenbar kommt es auf Authentizität an – und das wissen alle Chefs heute.

Kein Wunder, schlägt die Stunde der Führungskräfte-Entwickler, die dann ihren Schäfchen den wohlfeilen Rat geben: «Sie müssen authentisch rüberkommen!» Ihre armen Opfer versuchen verzweifelt, authentisch zu sein – aber in den meisten Fällen geht das schief, weil dabei die Tankanzeige mit der Tankfüllung verwechselt wird: Wo der Tank leer ist, hilft es nur wenig, eine neue Benzinanzeige einzubauen.

Das konnte den Betroffenen auf Dauer auch nicht entgehen. In der Not wird der Teufel erfinderisch. Und so kam es, dass bei vielen Führungskräften inzwischen der Begriff eine Renaissance unter neuem Vorzeichen erlebt: «Ich weiss, dass ich manchmal ein Stinkstiefel bin. Aber ich bin wenigstens authentisch.» Oder: «Wenn ich die Leute mehr loben würden, dächten die noch, ich sei krank.» Voilà – mission completed!

Ist authentische Doofheit eigentlich weniger doof? Für Führungskräfte ist der Ratschlag, ums Himmels Willen authentisch zu sein, mitunter riskant: Nicht einmal das Gesetz verlangt, dass sich ein Angeklagter selbst belastet.

Führungskräfte meinen oft, authentisch heisse, ganz sich selbst zu sein. Sie halten sich selbst für die Führungskraft – mit ihrer ganzen Person. Damit liegen sie freilich falsch. Denn Führung ist eine Rolle. Und diese Rolle muss man professionell spielen können.

Wer auf der Bühne authentisch den Hamlet geben will, wird nicht daran gemessen, dass er sich möglichst wie der Familienvater – der er privat ist – aufführt. Sondern wie Hamlet.

Niemand will wissen, was den Chef privat grad beschäftigt. Es sei denn, man ist auch privat schon fast befreundet.

Es ist ein Dilemma: Entweder man ist der gute Kumpel und Fussballfreund und wird deshalb gar nicht so richtig als Chef gesehen. Oder man übernimmt mit einer gewissen persönlichen Distanz eine Führungsrolle, die man sich professionell zu spielen bemüht – was echt in Arbeit ausarten kann.

Es sei denn, man hat das Glück, auch als Mensch – so, wie man eben ist – respektiert zu werden. Dann freilich hat man das Authentizitätsproblem wohl nicht auf seiner To-do-Liste.