Karriere

Ungeduld ist tatsächlich eine der verbreitetsten Schwächen aller Führungskräfte. Bild: Adobe Stock

Mit spitzer Feder aufgespiesst: «Ungeduldig»

Felix Frei

Psychologe Felix Frei greift wöchentlich einen zeitgeistigen Begriff aus der Managersprache auf und kommentiert mit böser Zunge.

Es ist das – Pardon! – Arschgeweih unter den genannten Schwächen im Anstellungsgespräch: «Manchmal bin ich einfach zu ungeduldig.»

Wer sich der Ungeduld bezichtigt, sagt ja im Grunde genommen Folgendes: «Ich will wirklich etwas. Ich bin schneller als die meisten. Das mögen die nicht, und daher werfen sie mir mein Tempo vor. Aber wer, wenn nicht Leute wie ich, bringt so eine Firma wirklich voran?»

Nicht immer ist also Schwäche drin, wo Schwäche draufsteht. Abgesehen davon, dass die Frage «Wo sehen Sie denn Ihre Schwächen?» grundunanständig ist, weil sie mich nötigt, meine Aussichten auf den Job zu verringern, zählt sie ja nur gerade im Anstellungsgespräch. Oder haben Sie je nach Stellenantritt erlebt, dass man Ihnen sagte: «Sie bekannten sich ja im Anstellungsgespräch zur Schwäche X, wie gehen wir respektive Sie denn diese Schwäche nun an»?

Schwächen kann man leicht in Stärken verwandeln, wenn man sie so formuliert, dass damit vor allem zum Ausdruck gebracht wird, wie selbstkritisch man ist (Stärke 1), wie ehrlich gegen sich und andere (Stärke 2) und wie selbstbewusst, so dass einem wegen so einer Lappalie von Schwäche doch kein Stein aus der Krone fällt (Stärke 3). Das grenzt schon an die wunderbare Brotvermehrung: minus eins gleich plus drei.

Viele genannten Schwächen haben gar nichts mit der Person des oder der Stellensuchenden zu tun. Sie stammen aus den Beispielskatalogen der einschlägigen Berater, wo man sich ganz nach persönlichem Geschmack bedienen kann.

Bei diesen Ratgebern – und damit zurück zur Ungeduld – wird denn auch darauf verwiesen, dass diese heute nicht mehr ganz so beliebt ist wie früher, als sie noch ganz oben auf der Liste ihrer Empfehlungen stand. Denn jeder kennt den Tipp inzwischen.

Freilich hat dies nichts daran geändert, dass Ungeduld tatsächlich eine der verbreitetsten Schwächen aller Führungskräfte ist. Und das wird sie auch bleiben. Denn erstaunlicherweise lassen sich tatsächlich viele Menschen immer wieder antreiben, bloss weil da irgend so ein «Stürmi-Hung» namens Chef auf Resultate drängt. Ganz so, wie sie ja oft auch ihren Kindern nachgeben, wenn die nur ausdauernd genug quengeln, sie möchten jetzt Schokolade oder noch nicht ins Bett oder noch länger gamen.

Vielleicht ist es an der Zeit, die Ungeduld ganz oben auf die Liste der besonderen Führungsstärken zu setzen. Warten Sie ab, bis die ersten Personaler oder Headhunter das mal tun, und schon bald werden alle Stellen suchenden Führungskräfte beim Bewerbungsgespräch sagen: «Meine Kernkompetenz? Ungeduld!»