Karriere

Unternehmen sind geübt, Vision- und Mission-Statements zu formulieren und auf ihrer Website zu platzieren. Und was für welche! Bild: Adobe Stock

Mit spitzer Feder aufgespiesst: «Purpose»

Felix Frei

Psychologe Felix Frei greift wöchentlich einen zeitgeistigen Begriff aus der Managersprache auf und kommentiert mit böser Zunge.

Ist Ihnen klar, warum Sie Tag für Tag zur Arbeit fahren? Haben Sie nur zu wenig reich geheiratet, oder gibt es noch andere Motive? Keine Bange, wenn Sie da nur ungefähr antworten können: Hilfe naht! Unternehmen haben in jüngster Zeit die Entdeckung gemacht, dass es ihnen – und Ihnen! – hilft, wenn sie einen Purpose haben. Das ist ein Zweck – einfach etwas entzückender.

Interessant ist, dass diese Entdeckung so jung ist, obwohl doch alle Unternehmen seit Jahren geübt darin sind, Vision- und Mission-Statements zu formulieren und auf ihrer Website zu platzieren. Und was für welche! Als Kunde bekommt man ja jeweils feuchte Augen, wenn man liest, was man von einem Unternehmen alles so erwarten darf, und wenn man dann wenig später in der telefonischen Hotline hängt, bis einem die Tränen kommen, dann hat man das Tempotaschentuch schon zur Hand.

Geburtshelfer für den unternehmerischen Purpose war die Erkenntnis, dass Unternehmen, in denen die Mitarbeitenden einen Sinn in ihrer Arbeit erkennen, viel leichter zu führen und erst noch erfolgreicher sind als andere. Was aber, wenn die eigenen Leute partout keinen Sinn zu erkennen vermögen? Dann eben gilt es, ihnen den Purpose des ganzen Ladens zu verdeutlichen.

Nun sind Menschen bekanntlich störrisch. Und beim Sinn ist es wie bei der Schönheit: Er liegt im Auge des Betrachters. Wenn er dort aber dummerweise nicht zu finden ist, wird es heikel. Man gibt sich also alle Mühe, einen attraktiven Purpose zu formulieren, der so toll ist, dass ihn die Leute nicht mehr aus den Augen verlieren.

Das scheitert in der Regel, wie bisher die Visionen. Dabei hatten Visionen wenigstens den Vorteil, gar noch nicht existent sein zu müssen, sondern lediglich Träume. Der Purpose aber sollte ja schon heute real sein.

Was, wenn kein solcher Zweck da oder als Sinn stiftend erkennbar ist? In diesem Fall ist guter Rat teuer, aber für einmal lässt sich der hier gesuchte teure Rat nicht einmal bei Consultants holen.

Es gilt vielmehr die alte kommunikationspraktische Faustregel: Wenn alles andere nicht geht, versuch es doch mal mit der Wahrheit. Wir sind da, um für andere Geld zu verdienen und damit gleichzeitig unseren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Basta. Das ist redlich und ein Spiel mit ungezinkten Karten.

Das Erfinden eines nicht vorhandenen Zwecks wird selbst dann scheitern, wenn man ihn Purpose nennt. Eine Zeitlang kann man Menschen vielleicht für dumm verkaufen. Auf Dauer aber werden sie sich weigern, von dem Kakao zu trinken, durch den man sie zieht.